Fiat 500
Das 594-Kubik-Motörchen surrt wie eine Nähmaschine.
So etwas wie Beschleunigung gibt es auch – dank des geringen Gewichts.
Bild: O. Tamm
Die Tür fällt mit einem leisen Klacken ins Schloss. Ich drehe den Zündschlüssel um, ziehe den kleinen Hebel rechts neben mir und tippe das Gaspedal an. 23 PS erwachen zum Leben. Schlagartig bin ich wieder sechs Jahre alt. Es ist alles wie einst in Italien, im Sommer 1983. Damals bin ich dem Fiat 500 zum ersten Mal begegnet. Es war der Beginn einer Liebe, die wie jede wahre Liebe für immer anhält. 1983 noch einfache Gebrauchtwagen, waren diese Knutschkugeln im sonnigen Süden ein Teil des alltäglichen Straßenbilds. So etwas kannte ich von zu Hause nicht. Ein Auto für Kinder! Ich war überzeugt davon, diesen Wagen fahren zu können, ohne auf Papas Schoß zu sitzen. In dieser Position fuhr ich den Familien-R16 regelmäßig in die heimische Garage. Aber dieses Kinderauto schien wie für mich gemacht. Wieder und wieder bat ich meine Eltern, mir eins zu kaufen. Sie ließen sich nicht erweichen. Den Rest des Urlaubs verbrachte ich damit, Kinderautos zu zählen. "Guck mal, Papa, ein Kinderauto! Mama, ein Kinderauto!", rief ich ständig von der Rückbank. Meine Eltern quittierten meinen Enthusiasmus mit einem angestrengten Lächeln und wünschten sich vermutlich mehr als einmal, statt nach Italien an die Nordsee gefahren zu sein.

"Inspirationsquelle, Fortbewegungsmittel und Zufluchtsort"

Fiat 500 Cockpit
Übersichtliches Cockpit aus Blech, aufgepeppt durch den sportlichen Lenkradbezug.
Bild: O. Tamm
Nun bin ich erwachsen, sitze in meinem Kinderauto am Steuer und lege den ersten Gang ein. Als wir uns in den Verkehr einfädeln, habe ich Angst, von einem der vielen SUV überfahren zu werden. Sehen die mich überhaupt? Aber ja, einen Klassiker übersieht man nicht, schon gar keinen so schönen, gepflegten. Nicht alle alten Autos haben es so gut gehabt wie unser hellblaues Exemplar. Ich erinnere mich da an ein ganz besonderes Modell. 2014 reiste ich, diesmal mit Mann und Tochter, wieder nach Italien. Auf dem Weg nach Carrara – wo der Marmor für Michelangelos David abgebaut wurde – mussten wir eine Bergstraße entlangfahren, die so schmal war, dass ich Sorge hatte, den nicht gesicherten steilen Berghang hinabzustürzen. Nur dadurch entdeckten wir ihn – einen alten Fiat 500, am Straßenrand abgestellt und ganz zugewachsen, als wollte die Natur sagen: Wenn ihr ihn nicht wollt, ich behalte ihn gerne. Mein Mann hielt mich davon ab, aus dem Mietwagen zu springen und den verrosteten Schrotthaufen in Schlepptau zu nehmen. Denn plötzlich waren all die Erinnerungen wieder da. Mein Onkel hatte einen ausgeschlachteten Fiat 500 im Garten stehen, für seine Kinder zum Spielen. Der hatte keinen Motor und keine Räder. Und irgendwann auch keine Fenster mehr. Damit fuhren wir Kinder auf Weltreise. Ich war immer der Fahrer. Meine Schwestern und meine Cousins mussten sich um die anderen Plätze streiten. Wir schnallten einen alten Koffer mit unseren Habseligkeiten auf den Gepäckträger, und los ging die Fahrt. In Afrika heilten wir Löwen mit Splittern in den Pfoten, wir rauchten mit Indianern die Friedenspfeife und spielten Fußball auf dem Mond. Für uns war der Fiat 500 Inspirationsquelle, Fortbewegungsmittel und Zufluchtsort, an dem der Sommer und die Kindheit niemals endeten.

Zeitreise im Fiat 500

Die Wolken verziehen sich, und die Sonne strahlt vom Himmel. Zeit, das Dach zu öffnen. Das geht manuell und mit einer Hand. Praktisch. Das gefaltete Stoffverdeck erinnert ein wenig an die Tolle des Werkstattbesitzers Luigi aus dem Film "Cars". Ein letztes Mal wenden, der Wendekreis ist beeindruckend klein, dann rollen der Fiat 500 und ich im Sonnenschein zurück auf den Hof. Wir beide, mein Fiat 500 und ich, strahlen um die Wette. Unser Abenteuer ist zu Ende. Jemand hat mal gesagt, ein altes Auto zu fahren, wäre immer auch eine Zeitreise. Die heutige Reise in meine Vergangenheit mündet in einen festen Plan für die Zukunft: Irgendwann wird ein Fiat 500 mir gehören. Vielleicht schneller als gedacht. Wenn gerade niemand hinschaut, stecke ich mir den Kleinen in die Handtasche.