Wenn es diesen Titel gäbe, die Rallye Frankreich würde ihn bekommen – der unbeliebteste WM-Lauf des Jahres. Viele Fahrer mögen die selbsternannte „Rallye der 10.000 Kurven“ auf der Mittelmeerinsel Korsika – auf der angeblich die Landebahn des Flughafens von Ajaccio die längste Gerade ist – nicht, weil die Asphalt-Wertungsprüfungen nur vergleichsweise geringe Geschwindigkeiten zulassen und dennoch brandgefährlich sind. Schon kleinste Fahrfehler führen regelmäßig zu haarsträubenden Unfällen, weil die schmale Piste an vielen Stellen von unnachgiebigen Felswänden auf der einen und Abgründen auf der anderen Seite begrenzt werden.
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Die Liebe der der Teams zur Tour de Corse, wie die am kommenden Wochenende stattfindende Rallye im Original heißt, ist ebenfalls gering. Zu schwierig ist die Logistik mit drei verschiedenen Rallyezentren, zu teuer die Reise von Material und Mannschaft.
Und als ob dies nicht ausreichen würde, kamen jetzt noch Wetterkapriolen hinzu. Ein Sturm fegte über den bereits weitgehend aufgebauten Serviceplatz hinweg, riss Zelte und Absperrungen um und feuerte sie gegen geparkte Rallyeautos. Gleichzeitig herrschen so ungewöhnlich niedrige Temperaturen, dass in den Bergen an einigen Stellen Schnee auf der Piste liegt – eine unliebsame Überraschung für die bereits trainierenden Teams.
Chaos vor dem Start
Im letzten Jahr gewann Sébastien Ogier die Rallye Korsika
„Das könnte eine ziemlich chaotische Rallye werden“, blickt Tabellenführer Ott Tänak (31) voraus. Der Toyota-Pilot ist der einzige Topfahrer, der noch ohne Sieg auf Korsika ist. Ganz anders der neunmalige Weltmeister Sébastien Loeb (45), der nach einer Pause wieder für Hyundai startet. Der Franzose hat seine Heimrallye bereits vier Mal gewonnen (2005 bis 2008). Im vergangenen Jahr strandete Loeb, damals noch in Diensten von Citroën, allerdings an einem Baum.
Der Sieg ging 2018 an den späteren Weltmeister Sébastien Ogier (35). Der Citroën-Neuzugang hat in der laufenden Saison bereits zwei von drei Rallyes gewonnen. „Dieses Jahr ist mehr als die Hälfte der Strecke neu, wir müssen also einen großen Teil des Streckenaufschriebs neu erstellen“, sagt Ogier. „Nur wer dabei sehr  präzise vorgeht, hat eine Siegchance.“
Die Rallye Frankreich besteht aus nur 14 WP, die überdurchschnittlich lang sind – zwischen 17 und 47 Kilometer. „Wegen der vielen Kurven hat man außerdem keine Zeit zum Durchatmen, die Rallye ist für Fahrer und Copiloten extrem anspruchsvoll“, beschreibt Thierry Neuville (30, Hyundai), momentan Tabellendritter.
Die Rallye startet am Freitagmorgen (29. März) in Porto-Vecchio im Süden von Korsika. Am Samstag steht der Serviceplatz in Bastia ganz im Norden. Am Sonntag wird das Ziel nach 14 WP mit einer Gesamtlänge von 348 Kilometern in Calvi im Nordosten Korsikas erreicht.
Die Tour de Corse ist auch zweiter von fünf Läufen zur Junioren-WM. Unter den 13 Teilnehmern sind zwei Deutsche. Routinier Julius Tannert (28) steht unter Druck. Weil der Asphalt-Spezialist aus dem sächsischen Lichtentanne beim Saisonauftakt in Schweden ohne Punkte blieb, kann ihn nur ein Topergebnis im Rennen um den Titel halten. „Ein Platz auf dem Podest ist Pflicht“, lautet Tannerts Ziel. WM-Einsteiger Nico Knacker (21) muss sich auf einen neuen Beifahrer einstellen. Tobias Braun (24) fällt wegen einer Grippe aus, Ersatzmann ist Michael Wenzel (43).
Die Rallye Frankreich im Internet (kostenfrei)
Freitag, 29. März
22:00 Uhr      Redbull TV (Highlights Tag 1)
Samstag, 30. März
15:50 Uhr      Redbull TV (live)
22:00 Uhr      Redbull TV (Highlights Tag 2)
Sonntag, 31. März
22:00 Uhr      Redbull TV (Highlights Tag 3)
Alle Wertungsprüfungen werden außerdem auf www.wrc.com und www.dazn.de übertragen (beide kostenpflichtig).

Von

Christian Schön