Paris, Rom oder Barcelona? Oder gar in den Harz ? Europäischer Städtetourismus in allen Ehren, doch für eine ganze Woche Urlaub darf es auch mal etwas exotischer sein. Ein Ziel, dass leicht erreichbar ist. Mit sauberen Städten, intakter Natur und akzeptabler Gastronomie. Wer jetzt auch noch auf günstige Wechselkurse und angenehme Flugverbindungen achtet, reist nach Kanada. Die Idee kam ebenso spontan wie plötzlich, was aber kein Problem ist. Air Kanada fühlt sich am Flughafen Frankfurt nahezu heimisch und nach knapp mehr als sieben Stunden betritt man Montreal. Economy oder Business? Die Holzklasse reicht völlig, sparen Sie das Geld für den teuren Business-Flug lieber für Besuche beim Gastronomen. Wir flogen in der neuen Boeing 777. Ich erwähne das nur, weil dieses Fluggerät wunderbares Entertainment bietet. Die Filmauswahl beeindruckte jedenfalls mehr als die Freundlichkeit des Bordpersonals. Bis auf den Steward der Lüfte trafen wir allerdings in neun Tagen Kanada sonst nur auffallend freundliche Menschen.
Nach Kanada? Einfach in die hellblaue 777 einsteigen, sieben Stunden Kino genießen, schon sind Sie da.
Von Montreal weiter nach Québec, dann per Wagen in die Stadt. Québec  ist übrigens die einzige Stadt in Nordamerika, deren Festungsanlagen noch intakt sind und erinnert mit seinen Innenstadt-Fassaden an die gepflegte Landschaft einer Modelleisenbahn. Häuser ohne Kamin gibt es so gut wie gar nicht, veritable Brände waren daher in  der Vergangenheit stets ein Thema. Deshalb schützt die meisten Häuser heute ein Blechdach. Rund um den 400. Geburtstag der Stadt gibt es zahllose Events, wir feierten den Freudentag lieber mit einem Spaziergang durch Stadt und erfreuten uns an Fisch und Roséwein nahe des Hafens.
Wer Kanada sagt, denkt auch an Natur pur. Keine Sorge, jetzt kommt keine Ode auf Urlaube im Wohnmobil. Sondern auf einen Trip ins Grüne. Per Mietwagen stressfrei erreichbar, Kanadier sind im Straßenverkehr übrigens zivilisierte Zeitgenossen. Mein absolutes Reisehighlight war zugleich unser billigstes Hotel, eigentlich mehr eine Bed & Breakfast-Absteige. Auberge La Chatelaine in Charlevoix, eine Villa aus dem Jahre 1892. War angeblich mal der Sommersitz des amerikanischen Präsidenten und wird heute von Giancarlo, einem jungen Italiener geführt. Ziemlich plüschig, alle Zimmer sehr individuell eingerichtet, ruhig gelegen. Und dabei ziemlich günstig, es beginnt bei aktuell unter 50 Euro. So liebevoll wie hier bereitet einem keine Frau das Frühstück, also eine glatte Empfehlung.

Natur pur – auch das ist Kanada

Entlang des St. Laurent-Stroms gibt es in jedem Dorf die Möglichkeit, Wale, Bären oder Bieber zu besichtigen. Unbedingt machen, allerdings erwarten Sie sich keine fotographischen Meisterwerke. Ein Walfisch ist extrem fotoscheu. Kaum taucht die Flosse auf, verschwindet der Riesenfisch im Wasser. Bären gibt es hier tatsächlich freilaufend und wild im Wald, selbst am Straßenrand gesehen. Keine Ahnung, wer mehr erschrocken ist, der Bär oder ich. Das Ende der Reise bildeten einige Tage in Montreal, die größte Stadt der Provinz Québec, knapp 1,6 Millionen Menschen leben hier. Ziemlich gut übrigens, über der ganzen Stadt liegt eine unglaubliche Gelassenheit. Auf der Formel-1-Rennstrecke rollen Skater und Radfahrer, irgendwie alles sehr lässig. Nur in der Winterzeit sollte man einen Trip nach Montreal tunlichst vermeiden. Es soll abartig kalt sein, Schnee macht enge Seitenstraßen unbefahr- und begehbar. Die kalte Jahreszeit hinterlässt auch am Fahrzeugbestand ihre Spuren, Autos ohne Rost sind entweder neu oder eine Rarität. Ein echtes Highlight war für mich ein Chrysler Neon mit komplett weggerosteter Motorhaube.

Kein Auto ohne Rostschäden

Bemerkenswert, wie der Rost am Neon nagt. Leichte Ausbesserungsarbeiten werden hier nicht reichen, so die Expertenmeinung.
Weil Autofahren im Winter nicht lustig ist, hat Montreal ein riesiges unterirdisches Wegesystem und eine bemerkenswerte U-Bahn. Die Züge fahren auf Gummireifen und sind deshalb entsprechend geräuscharm unterwegs. Die Zugbereifung ist nicht das Einzige, was an Frankreich erinnert. Französisch wird hier viel lieber als Englisch gesprochen, Speisekarten erinnern nicht nur zwischen den Zeilen an das Land des Schlemmens. Meine Restaurantempfehlungen in Montreal: Für den schnellen Hunger zwischendurch das Newtown (1476 Crescent). Angenehme Atmosphäre, akzeptable Preise. Cooler Laden, gehört übrigens Jacques Villeneuve. Wem das Bronte (1800 Sherbrooke Ouest) gehört, kann ich leider nicht sagen. Nur, dass ein Besuch eine ziemliche Show ist und Oberkoch Joe Mercuri tief in die Trickkiste greift. Exzellente Weine, moderne Küche, muss man sich einmal gönnen.
Sich etwas gönnen, ja, sollte man wirklich. Reisen bildet, weitet den Horizont. Einige Tage Stress, Alltag und gut bezahlte Vorgesetzte einfach vergessen; dafür hat der brave Angestellte auch seinen Urlaubsanspruch. Ich mag Kanada, ebenso den Kanadischen Dollar. Dieser ist ein guter Freund des US-Dollars und leidet unter dem starken Euro. Anders gesagt: So billig wie heute war ein Kanada-Trip noch nie. Gute Reise!

Von

Nikolaus Eickmann