Nanu, was ist denn mit dem Espace passiert? Renault hat seinen Raumkreuzer tiefergelegt und zum Luxusliner gemacht. Die Topversion mit 200 PS im Test.
Vorsicht an der Bordsteinkante, hier kommt der ICE für die Straße. Merkwürdige Durchsage. Die AUTO BILD Ihnen erklären kann. Die flotte und deutlich flachere Form sowie die forschen 200 PS des neuen Renault Espace legen den Schnellbahn-Vergleich nahe. Für Verwirrung sorgt da schon eher der Name. Denn mit dem Begründer der europäischen Van-Welle verbindet den Neuling eher wenig. Der Zug der Zeit lässt den Espace 2015 nicht mehr als praktischen Raumriesen, sondern als lässigen Luxusliner vorfahren.
Ein Zweiliter-Vierzylinder sorgt für viel Dampf
Express-Espace: Mit seinen 200 PS ist das 1,8 Tonnen schwere Topmodell in 8,8 Sekunden auf Tempo 100.
Teilweise klappt die Neufindung hervorragend. Im Espace Energy TCe 200 Initiale Paris geht es in erster Linie lässig-entspannt zu. Was vor allem Antrieb, Ausstattung und Fahrwerk zuzuschreiben ist. Der Zweiliter-Vierzylinder lässt immerhin 200 PS über ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe auf die Vorderräder los. Das reicht, um den fast 1,8 Tonnen schweren Siebensitzer in 8,8 Sekunden auf Tempo 100 zu schicken und laut Tacho fast 230 km/h (Werksangabe 211 km/h) schnell zu machen. Nicht schlecht! Unter Last schießt die Drehzahl allerdings vorlaut in die Höhe, und Gangwechsel bleiben nicht unbemerkt. Als artgerechte Fortbewegungsmethode empfehlen wir aber eh das entspannte Gleiten. Das adaptive Fahrwerk (Serie im Initiale) lässt den Raumkreuzer sanft wogend über Boulevards und Bundesstraßen schweben. Erst rumpelige Nebenstrecken bringen den Franzosen aus dem Rhythmus und die Karosserie heftig ins Wanken. Hier vereiteln die großen 19-Zoll-Räder (Serie Initiale) ein geschmeidigeres Ansprechen, auf Flickenteppichen wirkt der Espace unruhig.
In Sachen Querdynamik sollte man nicht allzu viel erwarten
Aus dem Espace wird auch im Modus "Sport" kein Dynamiker – die Lenkung hat zu wenig Gefühl.
Auch allzu dynamische Ambitionen bringen ihn recht schnell aus der Fassung und lassen ihn durch die Kurven schaukeln. Erschwerend kommt hinzu, dass die Lenkung zwar geschwindigkeitsabhängig, aber immer mit zu wenig Gefühl arbeitet. Nein, da helfen auch der Fahrwerk-Modus "Sport", die Allradlenkung (Serie bei Initiale) oder die kräftigen Bremsen (im Mittel 35,6 Meter aus 100 km/h) nur begrenzt – aus dem Espace wird kein Sportler. Muss ja auch nicht. Das lässige Laisser-faire steht dem Franzosen ohnehin viel besser. Großgewachsene stören sich zwar an den Supersize-Kopfstützen, die nicht hoch genug ausfahren und zwischen den Schulterblättern drücken. Und sie raten dringend vom Panorama-Glasdach ab. Es kostet nicht nur 1100 Euro extra, sondern auch 34 Millimeter Luft überm Scheitel – für Gäste ab 1,90 Metern sehr entscheidende Millimeter. Eine vernünftige Sitzposition finden sie jedenfalls auf keinem Platz, der Fußraum des Fahrers wird zudem durch die breite Mittelkonsole beschnitten.
Die Passagiere reisen durchaus mit Stil
Reisen im fanzösischen Stil: Der Innenraum des Renault Espace zeigt viel Luxus und Lebensart.
Ansonsten zeigt der Innenraum viel Luxus und Lebensart. Gut, eine schwebend aufgehängte Mittelkonsole hatte Volvo zuerst. Und die Schweden haben auch keine Dosenhalter darunter versteckt. Die französische Lösung mit dem großen Berührbildschirm im Hochformat gefällt trotzdem. Wir sehen mehr von der Route und weniger vom Drumherum – clever! Allerdings meldet die Navigation schon mal: "Sie nähern sich einem Stau", obwohl wir längst drinstehen. Und die Menüstruktur ist recht verschachtelt. Immerhin: Für die wichtigsten Funktionen finden sich separate Knöpfe, die Bedienung gelingt nach kurzer Eingewöhnung mühelos. Und die in der Topversion reichlich vorhandenen Sicherheitsassistenten sowie das Umklappen der fünf Rücksitze auf Knopfdruck (einzeln oder alle) entspannen zusätzlich. Die Preisliste entfaltet da ganz andere Wirkung. Unter TCe 200 und Initiale Paris steht ein Preis von 44.500 Euro. Trotz toller Ausstattung sehr selbstbewusst. Der neue Ford S-Max 2.0 mit 240 PS ist 10.000 Euro günstiger. ICE fahren kostet auch auf der Straße Zuschlag.
Ein echter Franzose ist er geworden, der neue Espace. Einer, der uns ganz gelassen an unser Ziel bringt und sich abhebt vom Einheitsbrei der Pampersbomber. Klasse! Allerdings leistet er sich auch einige Schwächen bei Sitzkomfort und Handling. Aber das ist ja irgendwie auch französisch, oder?