Reportage: Friba Rajabi, Busfahrerin aus Hamburg
Die starke Frau von Linie 2

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Sie trägt Hijab und hat ihren Traumjob: AUTO BILD dreht eine Runde mit Friba Rajabi, die als Busfahrerin bis zu 146 Gäste durch Hamburg fährt.
Bild: AUTO BILD Syndication
Zwei Stationen vor Hamburg-Hauptbahnhof wird es brenzlig an diesem Mittwochmorgen. Es ist Viertel nach zehn, Friba Rajabi ist schon seit 4.58 Uhr unterwegs und gut in der Zeit.
Um 10.36 Uhr wird sie Feierabend haben, aber jetzt wartet an einer Haltestelle in der HafenCity ein Mann im Elektro-Rollstuhl. Ausgerechnet jetzt, ausgerechnet hier. Frau Rajabi muss aussteigen, die Rampe runterklappen. Aber der Mann schafft es nicht hoch, zu steil. Er ist ungeduldig, flucht, wird laut. Frau Rajabi bleibt ruhig. "Einen Moment", sagt sie, "ich fahre zehn Meter weiter vor, da ist es besser."
Wieder stoppt sie ihren Bus, wieder steigt sie aus, wieder klappt sie die Rampe runter. Diesmal ist alles gut, der Mann fährt mit seinem E-Rolli hoch in den Bus, immer noch laut fluchend, diesmal über die Gesamtsituation. Frau Rajabi lächelt und geht zurück zu ihrem Fahrerplatz. Später wird sie sagen, dass sie und ihre Busfahrer-Kollegen geschult sind für solche Situationen, mit Geduld und einem Lächeln für Ruhe sorgen.

Immer nett sein! Das Motto von Friba Rajabi von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein.
Bild: AUTO BILD Syndication
AUTO BILD fährt heute Bus. Das liegt nicht daran, dass wir keinen Führerschein mehr hätten, nee, das ist pure Neugier. Da stand dieser Bus an der Ampel neben uns, die Fahrerin trug Kopftuch, also genauer gesagt einen Hijab, das ist ein Kopftuch, das auch Hals und Schulter bedeckt.
Anruf bei der Verkehrsgesellschaft: "Wer ist diese Frau in Linie 2, dürfen wir die mal kennenlernen?" Der Arbeitgeber sagt spontan Ja und Frau Rajabi auch, und so sitzen wir im jetzt fast leeren Bus, denn gleich ist Feierabend. Wir fahren zum Betriebshof, statt Linie 2 steht ganz oben an der Front "Stoppt den Krieg", fett und in Großbuchstaben.
Die Geschichte von Friba Rajabi
Friba Rajabi ist vor 20 Jahren aus einem Krieg geflohen. Sie kam mit Mann und drei Kindern aus Afghanistan nach Deutschland, die beiden Töchter sind heute 29 und 22, der Sohn ist 24. Dann erzählt sie ihre Geschichte: die Trennung vom Mann, der Wunsch, eigenes Geld zu verdienen. Sie, die immer gearbeitet hat, mal als Verkäuferin, im Hotel, in der Wäscherei, hat sich 2015 bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) für einen Vollzeitjob beworben.

Der Arbeitsplatz von Frau Rajabi: Sie fährt am Tag zwischen 90 und 160 Kilometer durch Hamburg.
Bild: AUTO BILD Syndication
Aber nach zwei Monaten war klar: Das wird nicht klappen, mangelnde Deutschkenntnisse. Also fing Frau Rajabi an zu lernen, machte ihren Schulabschluss nach, legte die Sprachprüfung ab, bestand den Bus-Führerschein. Seit April 2021 ist sie für die VHH auf Achse, sie sagt: "Busfahrerin zu sein, das ist mein Traumberuf."
Ihr heutiges Gefährt ist ein Mercedes Citaro, ein Gelenkbus mit drei Achsen, 18 Meter und ein paar Gequetschte lang, 33 Sitz- und 113 Stehplätze. Patrick Fischer, der Betriebsleiter und Chef von Frau Rajabi, ärgert sich, dass es ein Diesel-Bus ist mit 300 PS und keiner mit Batterien im Boden und Elektromotor. Haben die nämlich auch bei den VHH, und es werden immer mehr.
Die Zukunft der VHH ist elektrisch
Etwa 700 Busse fahren für die Gesellschaft durch Hamburg und den Speckgürtel, 88 davon haben reinen E-Antrieb. Gerade bauen sie im Hamburger Osten einen Betriebshof, an dem über Nacht 50 Fahrzeuge laden können. "Ein Bus hält etwa 15 Jahre, dann wird er ersetzt", sagt Fischer, "seit zwei Jahren nur noch durch E-Busse." Bis Anfang der 30er-Jahre soll die gesamte Flotte elektrisch fahren, statt mit 700 planen die VHH mit 800 Bussen, um den "Hamburg-Takt" einzuhalten, also alle fünf Minuten ein Mobilitätsangebot.

Betriebsleiter Patrick Fischer (50, l.) und AUTO BILD-Mann May.
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Dass Frau Rajabi in Vollzeit fährt, macht Herrn Fischer stolz. "Sie ist hartnäckig geblieben, das verdient Respekt", sagt er. Den hat er vor allen 350 Mitarbeitern in seinen zwei Betriebshöfen, für die er zuständig ist: "Ich kenne alle mit Namen, na ja, vielleicht zehn nicht, aber die sind dann neu." Insgesamt arbeiten für die VHH 2400 Menschen, 1973 von ihnen fahren Bus. Und die werden gerade händeringend gesucht, 100 Neue pro Jahr wollen die VHH einstellen, den Führerschein für 10.000 Euro zahlen sie auch.
Menschen aus 60 Nationen arbeiten hier, die meisten Quereinsteiger. Da wäre der 50-jährige ehemalige Stripper vom Kiez, der eigentlich Pilot werden wollte, aber Busfahrer auch ganz okay fand. Oder der Ex-Anwalt, der schon immer Bus fahren wollte. Oder der Schlagersänger, der wegen Corona keine Jobs mehr auf Malle bekam und sogar ein Lied über sein neues Leben als Busfahrer aufgenommen hat.
Schon nach 12 Uhr, wir haben uns total verquatscht. Frau Rajabi muss sich sputen, passt gleich auf ihre Enkeltöchter (eins und drei) auf. Wenn die wüssten, dass Oma die starke Frau von Linie 2 ist ...
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