Gravelreifen in 35 Millimeter Breite eignen sich für Allroad-Bikes, Endurance-Rennräder mit viel Reifenfreiheit und schnelle Gravelbike. Sie bieten Speed auf Asphalt und festem Schotter. BIKE BILD-Redakteur Lennart Klocke hat drei schnelle Gravelreifen von Schwalbe, WTB und Challenge für 28-Zoll-Räder getestet.
 
Unter Gravelbiken verstehen viele Radfahrende Offroad-Abenteuer auf unbefestigten Wegen über knorrige Wurzel, durch tiefen Matsch und über grobes Geröll. Die Devise: Je breiter die Reifen, desto größer das Abenteuer. Breite Reifen bieten aber nicht nur Vorteile. Selbst zwei 40er-Pneus bringen in den meisten Fällen zusammen schon mindestens ein Kilogramm Gummi ans Rad und wer viel auf Asphalt unterwegs ist, wird von groben Stollen eher ausgebremst. Für viele Gravelbiker, die in Mitteleuropa unterwegs sind, sind fette MTB-Reifen überdimensioniert. Denn die meisten Park- und Waldwege sind ordentlich befestigt und wer auf Trails und ins Hochgebirge fährt, ist mit einem Mountainbike besser bedient.

Warum 35-Millimeter-Reifen am Gravelbike?

Schmalen Reifen an Gravelbikes haftet dennoch kein guter Ruf an – warum eigentlich? Mit Reifen um 35 Millimeter Breite kann man die meisten Waldwege problemlos befahren und holt sich weniger Gewicht ans Fahrrad. Überdies ist der Rollwiderstand deutlich geringer als bei den dicken Schlappen. Ich hatte in der Saison 2022 die Gelegenheit, drei schnelle, schmale Gravelreifen um 35 Millimeter Breite zu testen. Es handelt sich hierbei nicht um einen harten Vergleichstest, sondern um Erfahrungsberichte zu drei Reifen, die von ihren Herstellern ähnlich konzipiert sind. Alle drei Modelle habe ich im Tubeless-Betrieb getestet.

Schwalbe G-One RS im Praxistest

Endlich hat Schwalbe einen Semislick für Gravel- und Allroadbikes im Sortiment. Ich habe die 35er-Version getestet, es gibt jedoch auch 40er- und 45er-Ausführungen. Wer einen Gravelreifen sucht, der auf der Straße mit Rennradreifen mithalten kann, sollte nicht weitersuchen. Der G-One RS rollt wirklich beeindruckend schnell auf Asphalt, das bestätigt sowohl der Labortest, den wir im Frühjahr bei Schwalbe durchgeführt haben, als auch meine Erfahrungen aus der Praxis. Die Montage verläuft problemlos und der Reifen hält die Luft im Tubelessbetrieb ausreichend lange, wenngleich man den Druck nach drei bis vier Tagen checken sollte. Der G-One RS ist ganz klar Wettkampfmaterial, leicht und schnell. Bei der Alltags- und Reisetauglichkeit indes gibt es Abstriche, beide Testreifen wurden schon von Scherben durchstochen (trotz V-Guard-Einlage), in beiden Fällen brachte mich die Dichtmilch aber noch bis nach Hause. An seine Grenzen kommt der schnelle Schwalbe überdies sobald es feucht und matschig wird. Insbesondere bei seifiger Fahrbahn hat man trotz Diamantprofil-Lauffläche nur noch wenig Sicherheit in Kurven und sollte lieber zum G-One R greifen, der ein durchgehendes Noppenprofil hat.
 
+ schnellster Reifen auf Asphalt und Hardpack
+ einfache Montage
- wenig Grip bei Feuchtigkeit und Matsch
Der Schwalbe G-One RS ist als Semislick-Reifen konzipiert, verfügt aber in der Mitte der Lauffläche über ein Diamant-Profil, das etwas Grip vermitteln soll.
Bild: Lennart Klocke

Technische Daten Schwalbe G-One RS

- Gewicht: 410 Gramm
- Preis: 74,90 Euro UVP
- Ausführungen: 35 Millimeter (getestet), 40 Millimeter, 45 Millimeter; Tubeless
- Technologien: 67 TPI, Super Race-Karkasse (Rollwiderstand, Geschmeidigkeit, Tranktion), Addix-Compound (Grip, Haltbarkeit), V-Guard (Pannenschutz)
- zur Webseite des Herstellers

WTB Vulpine im Praxistest

Der Vulpine von WTB kam an mein Alltags- und Tourenbike und sammelte dort die meisten Kilometer. WTB bietet den Vulpine in 28 Zoll für Gravelbikes nur in einer Breite von 36 Millimetern an, mit und ohne S2G-Pannenschutz. Ich habe die Version mit Pannenschutz getestet – nicht zuletzt weil WTB-Reifen nach meiner Erfahrung ohne S2G zu den anfälligsten Gravelreifen auf dem Markt gehören. Pannen blieben mir dennoch nicht erspart: In Dänemark durchstieß ein scharfes Steinchen den Vulpine und ich musste mit einem Tubeless-Stopfen aushelfen, im Frankreich-Urlaub musste ich mich vom hinteren Reifen verabschieden, da nach mehreren Glassplittern im Mantel die Luft nicht mehr dichthielt. Darüber hinaus lief der Vulpine auffällig unauffällig. Trotz aufwendig geformten Noppenprofils rollte der 36-Millimeter-Reifen hervorragend auf Straße und festen Schotterwegen, auch in schwierigerem Gelände gab es keine Probleme. Auch dass der Vulpine die Luft sehr gut gehalten hat, muss hier lobend erwähnt werden. Ernsthafte Probleme? Keine. Der Vulpine ist immernoch ein Racer und kein Spezialist für Alltag oder Reise, kann aber alles so gut, dass er hier völlig zurecht als Allrounder betitelt werden kann. Nach einer Saison zeigte der Vulpine allerdings auch schon deutliche Abnutzungserscheinungen, auf der Hälfte des Sommers habe ich Vorder- und Hinterreifen getauscht, um die Lebensdauer von beiden etwas zu verlängern.
 
+ Grip auf Gravel
+ Speed auf der Straße
+ hält die Luft gut
- nur mit Pannenschutz zu empfehlen
- relativ starke Abnutzung
WTB setzt beim Vulpine auf einen mehrstufigen Aufbau als leicht profilierter Lauffläche und grobstolligeren Außenkanten. Der Reifen auf dem Bild hat schon ca. 2000 Kilometer runter.
Bild: Lennart Klocke

Technische Daten WTB Vulpine

- Gewicht: 434 Gramm
- Preis: 65,95 Euro (S2G-Version)/ 57,50 Euro UVP
- Ausführungen: 36 Millimeter mit (getestet) und ohne S2G-Pannenschutz, Tubeless
- Technologien: 120 TPI (S2G-Version)/ 60 TPI, Dual DNA-Compound (Rollwiderstand, Grip, Haltbarkeit)
- zur Webseite des Herstellers

Challenge Getaway im Praxistest

Der Reifen mit der coolsten Seitenwand kommt von Challenge aus Italien. Nicht nur sieht der handgefertigte Getaway toll aus und fährt sich sehr komfortabel, er liegt auch beim Rollwiderstand (das zeigten die Messungen auf dem Prüfstand) auf Augenhöhe mit dem Schwalbe G-One RS. Überdies hatte ich auch auf einer längeren Radreise keine Pannen mit dem Challenge Getaway und auch die Abnutzung hielt sich in Grenzen. Ganz klar: Beim Fahrgefühl – Grip und Speed – subjektiv mein Favorit. Wäre da nicht ein großes Aber. Die Montage ist eine echte Challenge, im negativen Sinne. Ich dachte erst, der Challenge-Vertrieb hätte mir einen Reifen in 27,5 Zoll geschickt. Das Aufziehen von zwei Challenge-Reifen geht gut und gern als eigenständige Trainingseinheit durch. Und das, obwohl mir Challenge sogar ein spezielles Hebel-Tool zur Montage mitgeschickt hatte. Irre. Um es diplomatisch zu sagen: Ja, es ist möglich und wer mit dem Aufziehen von Tubelessreifen etwas Übung hat und Geduld mitbringt, schafft es. Alle anderen sollten etwas Trinkgeld für Ihren Fahrradmechaniker einkalkulieren. Ich verspreche: Der Aufwand lohnt sich, wenn der Challenge Getaway erstmal sitzt, bereitet er Ihnen lange Freude.
 
+ schnell und griffig
+ komfortabel
+ schicke Seitenwand
- herausfordernde Montage
Auch beim Challenge Getaway ist die Lauffläche nicht komplett glatt, dennoch rollt der Reifen sehr gut auf Asphalt.
Bild: Lennart Klocke

Technische Daten Challenge Getaway

- Gewicht: 465 Gramm
- Preis: 75,90 Euro UVP
- Ausführungen: 36 Millimeter (getestet), 40 Millimeter (+2 Euro), Tubeless ready, Clincher, Tubular
- Technologien: 260 TPI, Handmade (In Italien handgefertigt), Puncture Protection Strip (Pannenschutz), Superpoly Corazza Armour (Haltbarkeit, Stabilität)
- zur Webseite des Herstellers

Fazit

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BIKE BILD
Alle drei getesteten Gravelreifen haben den Vorteil, dass sie auch auf Asphalt kein Klotz am Bein beziehungsweise Rad sind. Der WTB Vulpine hat sich im Alltag wacker geschlagen, der Challenge Getaway  überzeugt durch Grip, Komfort, Speed und cooles Design. Schwalbes G-One RS ist die erste Wahl, wenn im Gravelrennen jede Sekunde zählt.

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