Kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beschließt die Regierung die Einsetzung einer "Benzin-Polizei" – Union und FDP weisen den Vorwurf eines Wahlkampfmanövers aber zurück. Ein riesiges neues Meldesystem soll helfen, die mehrmals täglichen Preissprünge an Tankstellen stärker unter die Lupe zu nehmen. Die Politik schürt Hoffnung, dass so der Benzinpreis in den Griff zu bekommen sei. Die Mineralölbranche sieht das anders.

Was soll die Meldebehörde tun?

Das Bundeskabinett hat neben einer Überwachung der Strom- und Gasgeschäfte auch die Einrichtung einer "Markttransparenzstelle" für den Mineralölsektor beschlossen. Künftig sollen Monat für Monat Millionen Daten dorthin gemeldet werden – und zwar nicht einfach nur Preiserhöhungen. Auch Händler und Raffinerien müssen ihre Preise, zu denen sie Rohöl oder Kraftstoffe ein- und verkaufen, offenlegen. Zudem sollen alle gehandelten Mengen und deren Preise gemeldet werden. Die beim Bundeskartellamt angesiedelte Stelle soll so unbotmäßige Erhöhungen und Preisexzesse erkennen und ahnden können, erklärt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).
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Kann das die Preissprünge eindämmen?

Wohl kaum, denn der Preis an der Tankstelle ist von der Politik kaum zu beeinflussen. Szenarien wie ein möglicher Angriff Israels auf den Iran und sinkende Förderquoten treiben den Ölpreis - das kann eine neue Behörde nicht beeinflussen. Die Gewinnmargen liegen nach Angaben der Ölbranche meist nur bei einem Cent pro Liter - allerdings verdient sie auch gut mit ihren Raffinerien. Weil die Marktführer den Großteil der Produktionskette unter ihrer Kontrolle haben, gibt es viele Möglichkeiten, Gewinne einzustreichen. Viele Tankstellen verdienen das meiste Geld inzwischen mit ihrem Shopgeschäft. Der Auto Club Europa sieht ein Wahlkampfmanöver, aber keine Initiative für mehr Verbraucherschutz und fairen Preiswettbewerb an Tankstellen.
Das Bundeskartellamt hatte 2011 eine dreijährige Marktanalyse abgeschlossen - und konnte zumindest keine illegalen Preisabsprachen nachweisen. Zudem ist fraglich, was bei einem Missbrauch passieren soll. Derzeit gehen die Wettbewerbshüter gegen mehrere Mineralölkonzerne vor, weil sie freien Tankstellen Kraftstoff teurer verkauft haben sollen als eigenen Tankstellen. Aber den Nachweis zu führen ist sehr schwierig, und oft geht es nur um Einzelfälle. Gleichwohl: So wird der Druck erhöht, nicht über Gebühr Preise zu erhöhen.

Die Benzinbranche spricht von einem "Bürokratiemonster" – zu Recht?

Es ist bisher unklar, wie viele Benzin-Kontrolleure in der neuen Behörde beschäftigt werden sollen. Nach Angaben aus der Branche müssten mehrere hundert Leute dort arbeiten, um die ganzen Daten verarbeiten zu können. Aus der ganzen Kette (Weltmarktnotierung für Rohöl, Einkauf, Transport, Raffinerien, Tankstellen) würden pro Tag Hunderttausende Daten einlaufen. Selbst freie Tankstellen, die die Regierung im Kampf gegen das Oligopol von BP/Aral, ExxonMobil, ConocoPhillips (Jet), Shell und Total stärken will, kritisieren die Meldebehörde als Planwirtschaft. Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell wirft der Regierung Blendwerk vor: "Statt endlich eine offensive Politik 'Weg vom Erdöl' anzugehen, erhöht die Bundesregierung mit einer neuen Behörde lediglich die Bürokratie." Was halten Sie von der Lösung? Stimmen Sie auf der rechten Seite ab.