(dpa/rtr/cj) Neuer Versuch: Ein breites Bündnis aus Deutscher Umwelthilfe (DUH), Polizei und Umweltverbänden hat von der Bundesregierung ein generelles Tempolimit auf Autobahnen gefordert. Es müsse kurzfristig eingeführt werden, heißt es in einer am 11. April 2019 veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Ein Tempolimit wäre ein wesentlicher Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele. Auch ein sicheres Verkehrssystem lasse sich nur damit realisieren, so die Initiatoren, zu denen auch Greenpeace und die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland zählen.

VCD spricht von "ideologischen Gründen"

Nach Einschätzung der DUH können mit einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen sowie 80 km/h auf Landstraßen jährlich bis zu fünf Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen, sagte: "Mit einem Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen könnten wir viele Menschen retten und Schwerverletzte verhindern. Eine Höchstgeschwindigkeit ist einfach einzuführen und wirkt sofort." Die Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Kerstin Haarmann, klagte, "alle Bundesverkehrsminister und die Autolobby" verhinderten seit Jahrzehnten "aus ideologischen Gründen" die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen. 

Scheuer: "Gegen den Menschenverstand"

Regierung will kein Tempolimit
Kanzlerin Merkel und Verkehrsminister Scheuer sind entschiedene Gegner eines generellen Tempolimits.
Bereits Anfang 2019 war das Thema hochgekocht, als Überlegungen einer Regierungskommission bekannt wurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte damals ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen abgelehnt. Schon jetzt würden Geschwindigkeitsbegrenzungen in weiten Teilen des Straßennetzes gelten. Es gebe intelligentere Steuerungsmöglichkeiten. Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte die Überlegungen einer Regierungskommission zu Tempolimits und höheren Dieselsteuern bereits kurz nach ihrem Bekanntwerden zurückgewiesen. Sie seien "gegen jeden Menschenverstand" gerichtet. Umweltministerin Svenja Schultze dagegen schrieb auf Facebook: "Ich bin offen für ein Tempolimit, das es um uns herum überall gibt. Ich bin nur dagegen, dass wir als Bundesregierung uns zum jetzigen Zeitpunkt auf einzelne der in der Verkehrskommission diskutierten Vorschläge positionieren." Was ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen bringen würde, lesen Sie hier.

Tempolimit, höhere Dieselsteuer, Elektro-Quote

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Legenden lassen Dampf ab

Die Kommission mit Vertretern unter anderem der IG Metall, des ADAC, von Volkswagen, Deutscher Bahn und Umweltverbänden wie dem BUND arbeitet an Vorschlägen, die Deutschland beim Erreichen seiner Klimaschutzziele bis 2030 helfen sollen. Die Überlegungen des Gremiums umfassen unter anderem ein Tempolimit auf Autobahnen, wie es in vielen Regionen der Welt normal ist, eine Angleichung der Diesel- und Benzinsteuer sowie eine Neuzulassungsquote für Elektro-Pkw (Einzelheiten siehe unten). Auch eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und des Rad- und Fußverkehrs standen zur Debatte, um mehr Leute zum Umsteigen zu bewegen. Allerdings, heißt es in dem Papier vom Dezember 2018, handle es sich um einen ersten Vorschlag, "mit dem in keiner Weise Vorfestlegungen verbunden sind". Die 20-köpfige Expertenkommission ist Teil der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität, die Scheuers Ministerium selbst eingerichtet hat.

Auch ADAC gegen Tempo 130

Auch der ADAC lehnte die vorgeschlagene Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen ab: "Der Beitrag zur Verkehrssicherheit und zum Klimaschutz wäre gering. Denn wo auf Autobahnen kein Tempolimit besteht, lässt das hohe Verkehrsaufkommen oft auch keine höhere Geschwindigkeit zu." Der CO2-Ausstoß im Autoverkehr ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Schuld daran sind mehr Autos, höhere Fahrleistungen und immer stärkere Motoren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war der Autoverkehr in Deutschland 2017 für die Emission von 115 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich – 6,4 Prozent mehr als 2010. Diese Maßnahmen werden im Einzelnen diskutiert:

Vorschläge der Klimaschutz-Kommission

Tempolimits

Auf Autobahnen wird eine Höchstgeschwindigkeit von 130 und auf Landstraßen von 80 km/h diskutiert.

Steuern auf Benzin und Diesel

Ab 2021 könnte die Steuervergünstigung für Diesel fallen. Ab 2023 wird dann die Erhöhung der Steuern für Benzin und Diesel um 3 Cent erwogen. In den Folgejahren soll die Erhöhung jeweils noch um einen zusätzlichen Cent verschärft werden. 2030 würde es beispielsweise gegenüber 2029 so einen Aufschlag von 10 Cent geben. Insgesamt summiert sich das Plus dann auf 52 Cent. Der Spritpreis würde - gemessen an aktuellen Preisen - dann fast zwei Euro betragen.

Kfz-Steuer

Im Gegenzug könnte die Kfz-Steuer für den Diesel 2021 gesenkt und auf das Niveau des Benziners gebracht werden. Insgesamt soll sich die Kfz-Steuer stärker am CO2-Ausstoß orientieren. Die Besteuerung von Dienstwagen soll ebenfalls so verändert werden, dass effizientere Autos in den Markt kommen und die private Fahrleistung abnimmt.

E-Auto-Quote

Die bereits diskutierte Quote für Elektro-Autos befindet sich ebenfalls in den Papieren: Bis 2025 sollen 25 Prozent aller Neuwagen eines Herstellers als E-Auto oder Plug-in-Hyprid zugelassen werden, ab 2030 dann 50 Prozent. Die bestehenden Kaufprämien für E-Autos sollen verlängert oder auch auf 8000 Euro verdoppelt werden. Dazu soll Strom durch die Senkung der Ökosteuer billiger und die Lade-Infrastruktur ausgebaut werden.

Pkw-Kauf

Überlegt wird ein System aus Rabatten und Zuschlägen je nach Schadstoffausstoß des Autos schon beim Kauf. Die Grünen rechnen vor, dass 2030 jedes zweite der heute 45 Millionen Autos emissionsfrei oder nicht mehr da sein dürfe.

Maut

Die geplante Pkw-Maut könnte nach Fahrleistung gestaffelt werden und die bisher beabsichtigte pauschale Plakette ersetzen. In der Diskussion ist ein Maut-Satz von 2 Cent pro Kilometer auf Autobahnen. Überlegt wird, die Lkw-Maut ebenfalls noch stärker an der Umweltbelastung auszurichten. Dabei ist ein Betrag von 80 Euro pro Tonne CO2 im Gespräch. Saubere etwa mit Wasserstoff betriebene Lkw sollen dafür nur noch ein Viertel der Gebühr zahlen.

Parkgebühren

Anwohner-Parkgebühren könnten erhöht und die Bußgelder für Falschparker verschärft werden.

Radverkehr, Fußverkehr, Busse und Bahnen

Der Rad- und Fußverkehr soll durch neue Fußwegnetze und Rad-Fernschnellwege gestärkt werden. Besonders in den Städten sollen Straßen für den Radverkehr umgebaut werden. Mit einem Sonderprogramm könnten Bus- und Bahn-Verbindungen ausgebaut werden. (Material von Reuters)