Starenkästen könnten bald eingemottet werden. Neue Überwachungsanlagen – sogenannte "Section Control"-Anlagen – sollen Raser bald auch in Deutschland ausbremsen und helfen, die Unfallzahlen zu reduzieren. Doch die neuen Langstrecken-Kontrollen sind umstritten und stehen deshalb auf der Tagesordnung des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages. Ende Januar 2009 werden die Rechtsexperten des Automobilclub von Deutschland (AvD) in Goslar mit Juristen-Kollegen über "Section Control" diskutieren. Von herkömmlichen Radaranlagen wird die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs an einer bestimmten Stelle gemessen – bei "Section Control" dagegen die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer definierten Strecke. Fahrzeuge werden bei der Einfahrt in die definierte Zone und bei der Ausfahrt erfasst. Die Zeit wird elektronisch gemessen, so kann die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt werden. In einer Tempo-80-Zone bräuchte ein Pkw beispielsweise für eine drei Kilometer lange Strecke zwei Minuten und 15 Sekunden. Wäre das Auto mit Tempo 120 unterwegs, hätte es die Zone bereits nach eineinhalb Minuten passiert, und der Fahrer müsste mit Konsequenzen rechnen (Bußgeld, Führerscheinentzug).
In Österreich, den Niederlanden und Großbritannien sind solche Langstrecken-Kontrollanlagen bereits im Einsatz – hauptsächlich an Unfallschwerpunkten. So wird unter anderem der Verkehr im Kaisermühlentunnel in Wien (Donauufer Autobahn/A22) seit 2003 via "Section Control" überwacht. Die Bilanz des österreichischen Verkehrsministeriums ist positiv. Das System habe sich bewährt, die Zahl der Unfälle sei zurückgegangen, erklärte das BMVIT auf Anfrage des AvD. In Österreich weisen Schilder auf die "Section Control"-Abschnitte hin. Zudem müssen die Daten unbescholtener Autofahrer unverzüglich aus dem Speicher der Anlage gelöscht werden – das hatte der Verfassungsgerichtshof zur Auflage gemacht.
Grundsätzlich befürwortet der AvD alle Bemühungen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Dabei aus den Erfahrungen aus dem Ausland zu lernen, könne von Vorteil sein. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass die Erfahrungen auch auf die deutschen Verhältnisse übertragbar sind. Der AvD fordert deshalb, "Section Control" in Deutschland zunächst sorgfältig zu erproben und Probleme vor der Einführung zu lösen. Der neue Weg zur Tempoüberwachung dürfe zudem nicht zum Einfallstor für eine Halterhaftung in Deutschland werden.
Der AvD steht auf dem Standpunkt, dass Verkehrsüberwachung an Unfallschwerpunkten –  insbesondere dann, wenn sie für alle Verkehrsteilnehmer sichtbar erfolgt – die Zahl der Verkehrsunfälle reduzieren kann. Insofern könne ein offener Einsatz auf Strecken mit hohem Unfallrisiko sinnvoll sein. "Section Control" solle jedoch nicht mit der Absicht eingeführt werden, das Straßennetz umfassend zu überwachen. Die kontrollierten Wegstrecken sollen nach Auffassung des AvD von höherrangigen Behörden des Bundes bzw. der Länder festgelegt werden.
Bleiben noch die datenschutzrechtlichen Probleme: Ohne Anfangsverdacht dürfen keine Daten erhoben werden, sagt der AvD – das müsse bei der "Section Control" beachtet werden. Dass erhobene Daten nur zweckgebunden verwendet und weitergegeben werden dürfen, sei hierbei – wie auch bei Erhebung der Maut – eine Selbstverständlichkeit. Um nicht das Szenario des Gläsernen Autofahrers zu schaffen, sei sicherzustellen, dass eine Verknüpfung mit anderen Datenbanken nicht möglich ist.
Der AvD weist darauf hin, dass bei Tempoverstößen in der "Section Control"-Zone das Risiko einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Handelns steigt. Die Bußgeldhöhe für die Betroffenen würde sich – unabhängig von der gerade verabschiedeten Anhebung der Bußgelder im Verkehrsbereich – deutlich erhöhen, da bei nachgewiesenem Vorsatz der Bußgeldsatz verdoppeln werden müsse.