Die letzten Meter sind die schlimmsten. Bis eben hatte ich noch gedacht, das flaue Gefühl im Magen könnte vom frühen Aufstehen kommen oder von den Turbulenzen während des Fluges. Aber je weiter das Taxi auf der Ausfallstraße das Mailänder Stadtzentrum hinter sich lässt, je grauer die Hochhäuser werden und je zahlreicher die Einkaufszentren, desto klarer wird mir: Ich bin nervös, richtig nervös. Was ist, wenn das Auto jetzt nicht dasteht? Wenn es doch noch irgendwelche Schwierigkeiten gibt? Wenn meine Kollegin Eleonora und ich ohne Auto zurückmüssten?
Wir wollen den neuen Fiat 500 zu AUTO BILD holen. Nicht nach dem Verkaufsstart am 27. Oktober, sondern jetzt gleich. Denn der Termin ist sowieso nur theoretischer Natur: 120.000 Exemplare des Kleinwagens werden pro Jahr im polnischen Werk Tichy gebaut, allein aus Italien und Frankreich kamen aber 80.000 Bestellungen. In Deutschland bekommt jeder Fiat-Händler dieses Jahr statistisch gesehen ein Exemplar – und das gibt er bestimmt nicht her. Derzeit sind laut Kraftfahrt-Bundesamt nur 28 neue Fiat 500 zugelassen. Der Weg zum Cinquecento führt im Moment nur über sein Heimatland – und das auch nur mit Beziehungen: Ohne die Sprachkenntnisse und Hartnäckigkeit von Eleonora, einer gebürtigen Römerin, wäre gar nichts gegangen. Das alles habe ich im Kopf, als das Taxi um die letzte Ecke biegt und plötzlich ein riesiges Gelände vor mir auftaucht: Car World Center steht auf dem Schild, hier muss das Autohaus Mocauto zu finden sein.

Der schönste Satz: "Ihr Auto steht bereit"

Ich atme auf: Es ist keine dubiose Hinterhofklitsche, sondern ein hochmodernes Autozentrum, und Verkaufsleiter Vincenzo Ciaburri beantwortet nach unserer Ankunft die wichtigste Frage: "Ihr Auto steht schon bereit." Auf dem Weg zu der Halle, wo die Wagen auf ihre Übergabe warten, erzählt Ciaburri von der Begeisterung der Italiener: "Als das Auto in Mailand auf der Piazza del Duomo vorgestellt wurde, war es rappelvoll. Die Live-übertragung im TV hatte eine Quote wie die Spiele bei der Fußball-WM." Dann führt uns Ciaburri hinter einen mannshohen Sichtschutz und zu einer roten Plane mit Fiat-500-Aufdruck. Ein bisschen ziehen, ein bisschen zerren, dann sehen wir zum ersten Mal unser Auto. Mit rotem Blechkleid, rotem Armaturenbrett, weißem Lederlenkrad und einer Form zum Verlieben: "Che bella", flüstert Eleonora. Dabei hatten wir uns vorher darauf geeinigt, dass unser Fiat 500 ein Kerl ist. Und Luigi heißen soll. Nachdem wir das Geld schon vorab überwiesen hatten, drückt uns Verkaufsleiter Ciaburri nun die Papiere und die Schlüssel in die Hand – und dazu ein Pappschild, über das wir vorher lange diskutiert haben. Mocauto besteht darauf, dass wir es zur Überführung benutzen: "Weil sonst keine Spur des Autos in Italien zurückbleibt" – was auch immer das heißen soll. Nachteil: Der Käufer muss sich darum kümmern, dass der Wagen auf dem Weg nach Deutschland versichert ist. Besser ist es also, das Auto entweder mit dem Hänger abzuholen, oder es schon vorab in Deutschland zuzulassen und die Kennzeichen mitzunehmen.
Wie das geht, hat mir Herr Perenda von der Zulassungsstelle in Hamburg sehr freundlich und geduldig erklärt: Man braucht vom Händler den Kaufvertrag sowie die COC-Bescheinigung des Wagens, eine Art EU-Betriebserlaubnis. Ist darin nicht die deutsche Emissionsklasse aufgeführt, muss der TÜV sie bescheinigen. Mancherorts muss der Käufer zudem noch vor der Zulassung die Umsatzsteuer zahlen. Aber genug der Bürokratie. Auf zu AUTO BILD! Mit unserem italienischen Pappschild im Heckfenster machen Eleonora und ich uns auf den Weg – und kommen aus dem Lächeln nicht mehr heraus. Nicht unbedingt wegen der Fahrleistungen unseres kleinen Luigis, dessen 1,4-Liter-Motor trotz 100 PS aus dem Stand sehr träge wirkt. Aber was stört das, wenn man plötzlich nur noch nette Leute trifft? Die Bauarbeiter oben am alten Brenner, das Schweizer Paar an der Raststätte in Österreich, die Wartenden in der Schlange am Autoreisezug in München, mit dem wir die letzten 800 Kilometer absolvieren: Alle kommen und gucken und staunen und freuen sich. Am nächsten Werktag bekommt Luigi seine deutsche Zulassung und wird Mitglied der AUTO BILD-Familie. 100.000 Kilometer wird er uns nun begleiten. Und bestimmt noch dem einen oder anderen Passanten den Kopf verdrehen ...

Von

Alex Cohrs