Dem Alltag entfliehen, sich von unnötigem Ballast trennen und mit dem eigenen Heim frei durch die Welt reisen – das hört sich nach Lagerfeuer-Romantik und der ganz großen Freiheit an. Tiny Houses könnten diese Lebensform ermöglichen. Bei den Bau-, sowie den laufenden Kosten deutlich günstiger als ein Eigenheim, ist der Schlüssel zum eigenen Tiny House bereits für wenige zehntausend Euro erhältlich. Doch für wen ist das reduzierte Domizil geeignet und darf man sich mit den formschönen Miniaturbehausungen in Deutschland überall niederlassen?

Haus am Haken
Auch auf wenigen Quadratmetern lässt sich alles unterbekommen, was man zum Leben benötigt.
Bild: Tiny House Diekmann
Wie der Name bereits verrät, sind Tiny Houses Kleinsthäuser, die auf durchschnittlich 30 Quadratmetern über alles Wesentliche verfügen, was man zum Wohnen braucht. Selbstverständlich mit Strom, Wasser und einer Sanitäranlage. Diese Wohnform stammt aus Amerika, wo sich bereits seit vielen Jahren ein Gegentrend zum berühmten XXL-Lebensstil entwickelt hat. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gilt "bigger is better" zwar nach wie vor als erstrebenswert und größere Häuser, Autos und Proportionen sind ebenso hip, wie Konsum und Überfluss gelebt werden. Doch finden sich dort immer mehr Befürworter des Downsizings. Der Vereinfachung der Lebensform und der Rückkehr zu einem simpleren Leben. Auch die Nähe zur Natur sowie der Umweltgedanke spielen eine wichtige Rolle. In den USA werden Tiny Houses bevorzugt auf Rädern gebaut, weil sich dadurch gesetzliche Regelungen umgehen lassen. So gelten die mobilen Behausungen dort juristisch nicht als Gebäude, sondern als RV (Recreational Vehicle – Wohnmobil) und unterliegen damit nicht dem Baurecht. Anders sieht es in Deutschland aus, wo Tiny Houses von den heimischen Gesetzen noch ausgebremst werden. Hier entscheidet die Nutzung, ob es ein Gebäude oder ein Fahrzeug ist.

Große Freiheit in Realität eher klein

Das Tiny House ans Auto hängen und sich niederlassen, wo man möchte, funktioniert hierzulande nicht. Die Rechtslage in Deutschland ist komplizierter. Wer ein Tiny House kauft, hat zwei Möglichkeiten: Ist es ein Wohngebäude, bedarf es einer Genehmigung. Wie jedes konventionelle Wohnhaus muss ein Bauantrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden sowie ein Baugrundstück vorhanden sein. Alle Vorschriften eines konventionellen Hauses muss das Tiny House erfüllen. Dann erhält das reduzierte Domizil eine Hausnummer, kann ganzjährig bewohnt werden sowie als Hauptwohnsitz gemeldet sein. Befindet sich das Tiny House auf Rädern, sieht es anders aus. Dann ist es keine bauliche Anlage, sondern unterliegt (wie auch Wohnmobile) dem Straßenverkehrsrecht. Es muss angemeldet, versichert, versteuert sowie regelmäßig technisch kontrolliert werden. Die Einrichtung gehört vor der Fahrt gesichert, Glasfenster abgedeckt. Letzteres unterscheidet sich zu Wohnmobilen, die meist Fenster aus Plexiglas haben, die nicht abgedeckt werden müssen.

Strenge Vorschriften

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Für eine bessere Zukunft der Tiny Houses müssten einfachere rechtliche Grundlagen gelegt werden.
Wer dauerhaft in seinem zugelassenen Tiny House leben will, hat ein weiteres Problem: Da in Deutschland Meldepflicht herrscht, ist ein fester Wohnsitz anzugeben. Zwar lässt sich unter Umständen auch ein Wohnwagen als Wohnung ansehen und man kann sich unter der Anschrift des Stellplatzes anmelden, dies jedoch nur, wenn es "nur gelegentlich fortbewegt wird" (§ 20 Bundesmeldegesetz). Und auch auf Campingplätzen kann man unter Umständen ein mobiles Zuhause abstellen, jedoch nur, wenn Dauerstellplätze vorhanden sind. Eine allgemeine juristische Regelung dazu gibt es nicht, da die einzelnen Bundesländer jeweils ihre eigenen Campingverordnungen regeln und auch die Lage über die Legalität des Wohnens als Erst- oder Zweitwohnsitz auf Campingplätzen entscheiden. So ist die Anmeldung eines Wohnsitzes innerhalt eines Wohn- oder Mischbetriebes, sprich in unmittelbarer Nähe von erschlossenem Wohngebiet in der Regel kein Problem, in Außenbereichen hingegen ist es meist nicht möglich. Aufgrund der Nähe zur Natur und "um Erholung zu gewährleisten", verbieten die meisten Bundesländer dauerhaftes Wohnen auf diesen Sondergebieten (§ 10 BauNVO). Auch in Schreberhaussiedlungen darf man in der Regel keinen Erstwohnsitz anmelden, da es sich oftmals nicht um erschlossene Grundstücke handelt. Die ist stets mit der Kleingartengemeinschaft zu klären, da das Baurecht dort nicht gilt. Kompliziert? Allerdings! Wer sich ein Tiny House kaufen will, wird schnell von Bauvorschriften, Genehmigungspflichten und Straßenverkehrsordnung desillusioniert. Eine große Hürde stellen aktuell noch die Ämter da, die sich mit Unbekanntem konfrontiert sehen. Kommunen öffnen sich dem Thema jedoch immer mehr.

Von wegen kleine Zwischenlösung

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Büro, Sauna, Atelier oder Partyrau: Die Minihäuser können verschiedene Zwecke erfüllen.
Bild: Tiny House Diekmann
Doch wo passen diese kleinen Häuser hinein, wenn es doch gewöhnliche Häuser und auch mobile Lösungen wie Wohnwagen gibt? Und für wen ist ein Tiny House geeignet? Die winzigen Behausungen konkurrieren weder mit herkömmlichen Häusern, noch mit Caravans. Sie eröffnen eine neue Lebensform. Ob Dauerwohnsitz, Ferienhaus, mobiles Büro oder eine Wohnraumerweiterung – Tiny Houses ermöglichen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. So können beispielsweise leere Grundstücke der Stadt temporär von Tiny Houses genutzt werden. Erlaubt die jeweilige Kommune dies, können dort ganze Siedlungen entstehen. Und wenn das Areal benötigt wird, werden die Kleinsthäuser weggefahren. Exemplare auf Anhängern, die ein Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen nicht überschreiten, können per Geländefahrzeug oder Transporter, die über eine entsprechende Anhängelast verfügt, gezogen werden. Denkbar sind auch Interessengemeinschaften, bei denen man sich anfallende Arbeiten teilen kann. Wem ein Tiny House dann zu klein ist, der kann mehrere Häuser miteinander verbinden. Bei zwei Häusern entsteht eine Grundfläche von rund 50 Quadratmetern, die auch für Paare oder kleine Familien taugt. Nicht zu vergessen gilt, wie autark das Tiny House ist und was sich in unmittelbarer Nähe befinden müsste. Wird beispielsweise Wasser vor Ort bezogen, ist dies bei der Suche nach einem geeigneten Ort zu berücksichtigen.

Tiny House gleich tiny costs?

Die kleinen Häuser sind nicht zwingend nur für Menschen mit kleinem Budget interessant. Zwar sind diese mit mindestens 35.000 Euro günstiger als ein Mittelklassewagen, doch benötigt man im Zweifel auch ein Fahrzeug für den Transport. Bei diesem ist dann der erhöhte Verbrauch zu berücksichtigen. Im Unterhalt ist das Tiny House aber nahezu konkurrenzlos günstig. Wer sich also den Traum des eigenen Hauses verwirklichen möchte, ohne jedoch bis zur Rente dafür zahlen zu müssen, für den könnte ein Tiny House in Frage kommen. Vorausgesetzt, man lässt sich von den rechtlichen Bedingungen nicht abschrecken und will flexibel, mobil und ökologisch auf kleinem Raum leben. Wer unsicher ist, muss die Katze natürlich nicht im Sack kaufen. Wem ein Besuch in einem der bereits bestehenden Tiny-House-Siedlungen (wie dem Tiny House Village im Fichtelgebirge) nicht ausreicht, der kann bei Firmen wie Tiny House Diekmann in Hamm Besichtigungstermine für bereits gefertigte Minihäuser vereinbaren und in einigen Fällen auch "probewohnen". Zwar kann man auch in schicken Tiny Houses Urlaub machen, aber dann könnte sich das richtige Gefühl, wie das echte Leben auf kleinstem Raum ist, vielleicht nicht einstellen. Empfehlenswert ist deshalb eine möglichst authentische Situation. Wer sich dann vom Konzept der Tiny Houses angesprochen fühlt und bewusst auf einen auf Minimalismus basierenden Lebensstil setzt, dem kann das Leben in diesen kleinen Domizilen große Freude bereiten.

Von

Adele Moser