Space Captain im Stadtgewühl
Der i-Road misst 2,35 x 0,85 Metern, der Wendekreis beträgt exakt drei Meter.
Er sieht aus, als wäre er irgendwo auf der Milchstraße falsch abgebogen, und wenn man am Steuer sitzt, fühlt man sich wie ein Astronaut beim Abenteuerausflug: Viel abgedrehter als im neuen Toyota i-Road kann man den Stadtverkehr nicht erleben. Dabei ist der spacige Zweisitzer mit dem Weltraumdesign und dem emsigen Elektroantrieb keine Vision aus einem Science-Fiction-Comic, sondern mittlerweile in der Realität angekommen – zumindest 35 Mal. Denn genau so viele i-Road haben die Japaner für einen zunächst dreijährigen Flottenversuch in Grenoble gebaut. Beginn ist am 1. Oktober 2014.
Auf den ersten Blick sieht der Schmalspur-Stromer aus Japan noch aus wie ein etwas spaciger gezeichneter Renault Twizy. Denn genau wie bei den Franzosen sitzt man hintereinander in einer viel zu engen Plastikbüchse mit freistehenden Rädern, luftiger Karosse und frugaler Ausstattung und fragt sich, wie einen so ein Ding bei Wind und Wetter trocken ans Ziel bringen soll. Doch es braucht nur ein paar Meter und vor allem die erste Kurve, schon fährt man in einer anderen Dimension – und der Twizy wird in der Erinnerung zum Krankenfahrstuhl, den man auch ohne Segen der Gesundheitskasse fahren darf.
Space Captain im Stadtgewühl
Die beiden E-Motoren sitzen in den Vorderrädern. Nach 50 Kilometern muss wieder Saft rein.
Das liegt weniger an den beiden gerade einmal drei PS starken Radnabenmotoren, die zwar bei 300 Kilo Leergewicht genügend Elan entwickeln, mit Rücksicht auf die schon für 16-Jährige erreichbare Führerscheinklasse S aber bei 45 km/h gnadenlos eingebremst werden. Sondern das fußt vor allem auf der faszinierenden Fahrwerkskonstruktion. Denn gelenkt wird nicht mit den winzig schmalen Vorderrädern, die wie Trennscheiben über den Asphalt fräsen. Sondern die Richtung bestimmt die vergleichsweise breite Gummiwalze unter dem Hintern des Fahrers. Und als wäre das noch nicht genug, legt sich der i-Road mit einer ausgefallenen Neigetechnik an der vorderen Radführung auch noch bis kurz vor dem Umfallen in die Kurve. So carvt man durch die City wie ein Skifahrer durch die Slalom-Stangen, jauchzt bei jeder Kurve, fädelt sich durch die kleinste Lücke und findet auch dort noch ein Plätzchen, wo selbst der Smart frustriert abdrehen muss – kein Wunder, bei einer Verkehrsfläche von 2,35 mal 0,85 Metern und einem Wendekreis von drei Metern. Selbst ein Autoscooter auf dem Rummelplatz kommt einem da vergleichsweise behäbig und träge vor.

Der Preis soll (noch) auf Kompakt-Niveau liegen

Space Captain im Stadtgewühl
In Grenoble sind die Passanten begeistert vom skurrilen Dreirad.
So spielerisch und spaßig der i-Road bei den ersten Testfahrten in Grenoble auch wirkt: Chief-Engineer Akihiro Yanaka nimmt das Projekt verdammt ernst. Nicht umsonst hat er mit einem Team von bis zu 60 Ingenieuren schon vier Jahre an dem Stadtflitzer der Zukunft getüftelt. Ob sich die Arbeit gelohnt hat, kann Yanaka dabei noch nicht einmal sagen. Zwar waren schon die Reaktionen bei der Weltpremiere vor 18 Monaten auf dem Genfer Salon überwältigend. Und im alles andere als mondänen Grenoble klopfen immer wieder Passanten an die dünnen Plexiglasfenster und würden einem den Wagen am liebsten sofort unter dem Hintern wegkaufen. Doch ob sich diese spontane Begeisterung erst in echte Begehrlichkeit und dann in dauerhafte Zufriedenheit verwandeln lässt, das wollen die Japaner bei dem Carsharing-Projekt in der französischen Provinzhauptstadt erst herausfinden, bevor der i-Road grünes Licht bekommt.
 
Das hängt nicht zuletzt am Preis, räumt Yanaka ein, und in seinem Umfeld werden im Augenblick noch horrende Summen gemunkelt. Mit der aufwändigen Neigetechnik und dem teuren Lithium-Ionen-Akku soll der i-Road aktuell so teuer sein wie ein Kompaktklasse-Auto. "Aber wenn wir damit tatsächlich Erfolg haben, müssen wir wahrscheinlich unter dem Preis eines Aygo kommen", sagt Yanaka. Wie passend, dass Toyota dann auch etwa auf einem Preisniveau mit dem Twizy wäre.

Von

Thomas Geiger