In der Rallye-WM haben die Evo-Stufen des Mitsubishi die Gegner zermürbt. Nun zittert die Konkurrenz im Langstreckenpokal.
Angenommen, man bestreitet mit einem Rundstreckenboliden eine Rallye-Sonderprüfung. Das jähe Ende wäre absehbar, der Erfolg wohl eher bescheiden. Umgekehrt scheint die Sache aufzugehen. Zumindest dann, wenn man eine Wahl wie Nicki Raeder trifft. Der 28-jährige Teamchef und sein jüngerer Bruder Martin von Raeder Motorsport aus Mönchengladbach haben für den BF-Goodrich-Langstreckenpokal einen Mitsubishi Evo VII aufgebaut. Bereits bei seinem Debüt sorgte dieses Traktionswunder für tiefe Sorgenfalten auf der Stirn erheblich erfahrenerer Teamchefs.
Traktionswunder auf Erfolgskurs
Zwecks Gewichtseinsparung ist im Evo-Cockpit alles auf das Nötigste reduziert.Denn am Ende des 24-Stunden-Klassikers belegte der blaue Allradler Platz drei in seiner Klasse und Rang 20 im Gesamtklassement. Grund des Erfolges war neben der beherzten Fahrweise der Piloten – inklusive des Chefs selbst – die Beibehaltung eines serienmäßigen Teils: des Motor-Steuergeräts.Vor dem Rennen gab es für das junge Team einen Berg an Arbeit zu bewältigen. Erst ab Mitte Februar konnte die Rohkarosse in einen Rennwagen verwandelt werden. Sie erhielt einen Überrollkäfig, der in Zusammenarbeit mit der FH Köln berechnet wurde. Weitere Zeit nahm die in Eigenregie vorgenommene Konstruktion des Tanks in Anspruch, dessen Einfüllstutzen nun in der Mitte der rechten C-Säule platziert ist.
440 Newtonmeter und 60 Zusatz-PS
Letztendlich hat der Mitsubishi trotz des Zeitdrucks doch noch erfolgreich das Laufen gelernt, sogar mit mehr als der Serienleistung von 280 PS. Nur eine geänderte Führung der Ansaugluft sowie ein "Hayward and Scott"-Rennauspuff mobilisierten zusätzliche 60 PS, das Drehmoment des Zwei-Liter-Turbos beträgt 440 Newtonmeter. Bei den Einstellungsfahrten am Nürburgring Ende Juni ging es dann jedoch um das Ausmerzen eines gänzlich anders gelagerten Problems: des Untersteuerns. Denn während die Gilde der Rallye-Piloten das Auto vor den Kurven anstellen kann, um so eben nicht in das Untersteuern zu kommen, sind hier den Kollegen von der Rundstrecke die Hände gebunden.
Die Suche der Mannschaft um Nicki Raeder konzentrierte sich also deshalb auf mehr Leben im Heck. Ein sich um die Hochachse williger eindrehendes Fahrzeug begünstigt die Traktionsvorteile des Allradantriebs: früheres Beschleunigen aus den Ecken und damit bessere Rundenzeiten sind die Folge. AUTOTUNING hatte im Rahmen dieser Ursachenforschung selbst die Gelegenheit, sich über das immense Haftungspotenzial des "Blauen" zu informieren. Vor dem Fahrgenuss stand jedoch noch eine kleine gymnastische Übung an, die nur unwesentlich durch das abnehmbare Wildleder-Lenkrad erleichtert wurde. Doch dazu gleich mehr.
Die eingesparten Pfunde sind überall augenscheinlich: Kohlefaser-Armaturenträger, LCD-Display mit Drehzahl-, Temperatur- und Geschwindigkeitsanzeige sowie der nackte Mechanismus des Fünfgang-Getriebes deuten auf ein ansprechendes Leistungsgewicht hin. Was von mir nicht zu behaupten ist – meine Pfunde weigern sich nachhaltig, elegant im Recaro-Vollschalensitz verstaut zu werden.
Ein Untersteuer-Alarm jagt den nächsten
Um meine Gewöhnungsphase an das Auto zu verkürzen, schlägt Nicki kurzerhand vor, einige Runden mit ihm auf der bewässerten Kreisbahn des Fahrsicherheitszentrums zu drehen. Bereits nach wenigen Umläufen kann ich nachvollziehen, wie präsent das Problem ist – ein Untersteuer-Alarm jagt den nächsten. Um dennoch den fotogenen Heckschwung zu ermöglichen, folgt der zwar nicht tiefe, aber effiziente Griff in die Trickkiste: Regenreifen auf die Vorderachse und mehr Luftdruck auf die Slicks hinten – weiter geht es.
Untermalt vom proppelndem Abblasen der überschüssigen Ladeluft genieße ich das Querfahren in vollen Zügen. Es bedarf allerdings sparsamer Lenkkorrekturen, denn sobald sich der Evo wieder fängt, beginnt das Spiel von vorn. Später fahre ich noch mehrere Runden auf der Grand-Prix-Strecke, vom Untersteuern spüre ich nun kaum noch etwas – bin aber auch Lichtjahre vom Limit entfernt.
Nur durch eine geänderte Führung der Ansaugluft und den Verbau eines Sportauspuffs produziert der Zwei-Liter-Turbomotor eine Mehrleistung von 60 PS.Allein der Gedanke daran, sich auf der Nordschleife zu bewegen, erinnert mich an das Schrauben-Phänomen: nach fest kommt ab. Doch Nicki und sein Bruder werden mit Sicherheit die entsprechende Abstimmung heraustüfteln. Auf dass die Sorgenfalten der Konkurrenz tiefer und tiefer werden!
Technische Daten
Der Mitsubishi Evo VII von Raeder Motorsport hat 340 Pferdestärken unter der Haube. Die sorgen für ein maximales Drehmoment von 440 Nm. Für den Sprint von null auf hundert benötigt der Allradler vier Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 265 km/h angegeben.