A Star is born! Audi CR-8: Ein Ingolstädter 440-PS-Plattfisch aus den Niederlanden. AUTO BILD MOTORSPORT hat den Oranje-Audi auf dem Nürburgring getestet.
Bild: Lena Barthelmeß
Es ist 17.30 Uhr. Knapp eine halbe Stunde noch. Dann soll sie losgehen: Meine exklusive Ausfahrt in einem der ersten Renn-Audi-R8. Doch weit und breit nix zu sehen von der Flunder! Ich laufe die Boxengasse des Nürburgrings ab. Greller und dumpfer Sound wechseln sich ab. Sie kommen von den Motorrädern, die jetzt auf der Strecke sind. Doch dann ein ganz eigenartiges Geräusch: Achtzylinder-Brabbeln, gemixt mit einem Schuss Moped-Geknatter. Der Verursacher des Hörspiels für Renn-Fans steht längst vor Box Nummer 30 und läuft warm: der Creventic CR-8. Kurzes Shakehands mit Ivo Breukers, der Holländer, der den R8 zum CR-8 gemacht hat. "Ich wollte nicht nur Porsche und Co. in meinem Rennen sehen", erzählt der Rennfahrer und Organisator der 24 Stunden von Dubai lässig. Also baute er kurzerhand in Eigenregie zwei Audi R8 zu waschechten Rennwagen um.
Weißer Lack, orangefarbene Streifen und goldene Felgen: agressive Optik für den Holland-Audi.Einer davon steht hier. Strahlend weiß und mit hübschen Oranje-Streifen verziert. Aggressiv der Blick. Die Scheinwerfer mit einem Band aus Leuchtdioden unterlegt, wie ein silberner Lidstrich. Satt lugen die BBS-Schmiederäder unterm Blech vor. Die Kabine angriffslustig in Richtung Vorderachse gerückt. Dahinter, noch vor der Hinterachse, der Audi-Achtzylinder in einer Vitrine aus Plexiglas. Mechanisch kühl, exhibitionistisch und extrem provozierend. Das Auto steht da wie kurz vor dem Sprung. Nur 1,25 Meter hoch und doch unübersehbar. Über die Käfigstreben schlängele ich mich durch bis in den Vollschalensitz. Und staune nicht schlecht: Der Innenraum hat ja noch richtig viel mit dem Serien-Pendant gemeinsam! Klar, Überrollkäfig, Mittelkonsole mit Einstellungsschaltern und ein abnehmbares Renn-Lenkrad sind Pflicht. Aber da steckt tatsächlich ein Zündschlüssel. Einen bei Rennwagen üblichen Startknopf gibt's nicht. Zudem der Original-Tacho. Von den Standard-Anzeigen liest der Pilot die Temperaturen ab. Und die sind mittlerweile hoch genug geraten, um Gas zu geben. Also Kupplung treten. Den dicken, geriffelten Alu-Schaltknauf in der silbrig-blanken Kulisse nach vorn geschoben. Der erste Gang des Serien-Sechsgang-Getriebes ist drin. Los geht's.
Audi CR-8 - Ein Klang wie Donnerhall
Ein echter Hingucker: Unter einer Abdeckung aus Plexiglas liegt das 440-PS-Aggregat des Audi CR-8.Vorsichtig! Denn: Die Toyo-Slicks werden nur langsam warm, ist eben eine richtig harte Mischung. Klar, sonst würden sie bei Langstreckenrennen nicht durchhalten. Das heißt ein paar Runden fahren, bis die Gummis ihre Betriebstemperatur haben. Der 4,2-Liter-V8 brüllt los. Schon aus dem Stand schiebt er richtig gut an. Für die Straße in den niedrigen Gängen gedrosselt, geht der Rennmotor schon im Ersten mächtig ab. Eine neu programmierte Elektronik sorgt für freie Kraftentfaltung. Sportluftfilter und eine Auspuffanlage vom Motorrad heben die Leistung von 420 auf 440 PS. Und sorgen für den rattenscharfen, donnernd-schrillen Mischmasch-Klang. Ziemlich schnell gewinne ich Vertrauen zum Auto. Zwei Runden reichen, schon taste ich mich an den Grenzbereich. Ungewöhnlich bei einem derart starken Rennwagen. Bei 250 km/h auf der Geraden schreit der CR-8 so derb, da wird's mir selbst unterm dämmenden Helm ziemlich laut. Dank seines strammen Fahrwerks mit der breiteren Spur an der Vorderachse jagt der Renn-R8 treu die Spur haltend durch die Kurven.
Viel Serie aber kein quattro
Die holländische Firma AST entwickelte extra für dieses Auto ein komplett einstellbares Gewindefahrwerk. Beim Rausbeschleunigen glänzt der Audi mit guter Traktion. Nicht selbstverständlich! Denn in diesem R8 fehlt der serienmäßige Allradantrieb quattro. "Wir haben die Vorderachse abgekoppelt. Sonst hätten wir laut Reglement zu viel Strafgewicht reinpacken müssen", erklärt mir Ivo Breukers. Die Serien-Bremse samt ABS macht mir die Arbeit im Cockpit leicht. Weil sie gut zu kontrollieren ist, die Vorderräder nicht so leicht blockieren können. Trotz jeder Menge Hubraum und Drehmoment unüblich: Richtig viel Leistung gibt es erst bei hohen Touren. Spät schalten ist angesagt.
Ein handzahmer Gentleman-Sportler
Dieser Audi ist nicht nur optisch ein Star im Langstrecken-Motorsport.Trotz seiner technischen Nähe zur Serie ist der CR-8 deutlich spritziger zu fahren. Fronthaube, vordere Kotflügel und Türen sind aus Kohlefaser. So verlor die Karosserie über 200 Kilogramm Gewicht. Damit sie windschlüpfriger ist, haben die Holländer den Unterboden komplett mit Holz verkleidet. Vorn und hinten sorgen Carbon-Lippe und Flügel für mehr Anpressdruck. Zurück an die Box. Alles in allem ist der R8 ein handzahmer Gentleman-Sportler. Was noch fehlt: Starten per Fernbedienung. Dann gelingt es auch mir bei nächsten Mal wenigstens sofort.
Audi R8 und Rennsport? Das geht! Das fast seriennahe Paket des holländischen Creventic-Teams überzeugt. Trotz Heckantrieb und 440 PS bietet der R8 narrensicheren Fahrspaß und Motorsport pur. Schade, dass ein Privat-Team diesen Wagen auf die Rennstrecke bringen muss – und nicht das Werk.