Rauschen. Kühle Luft strömt aus den Düsen in den Innenraum. Der Klima-Kompressor dreht auf Hochtouren. Und der des Motors auch: Gaspedal runter ab Kurvenmitte. Die weiße Nadel in der runden, silbern eingefassten Ladedruckanzeige rennt nach rechts. Das Knurren des gewaltigen 5,4-Liter-V8-Motors hinter mir dringt dumpf nach innen. Kurz wedelt das breite Heck beim Rausbeschleunigen aus der Mercedes-Arena. Kein Schleuderschutz ESP, keine Schlupfregelung. Aber trotzdem bleibt dieser schwarze Serien-GT von Ford ganz kühl. Ihn um den Nürburgring zu jagen – das geht relativ einfach. Entspannt wartet Martin Bartek in der Boxengasse auf mich. Mit Sonnenbrille und einer Baseballkappe seines Teams: Matech Concepts. Die Firma des Schweizers hat den von Ford USA gebauten GT zurück auf die Rennstrecke geholt. Dorthin, wo der Urahn GT 40 in den 1960er-Jahren Ferrari und Co. verblies.

Wer hats erfunden - Die Schweizer natürlich

Ford GT3 Matech
Die Alpen-Flunder ist 45 Millimeter flacher als das Original und schreit auch optisch nach der Rennpiste.
Doch als der Mechaniker nun seine königsblaue Flunder mit der roten Schweizer Flagge auf den Seitenspiegeln und dem gewaltigen Heckflügel aus der Box schiebt, wird auch er etwas unruhig. "Fahr erst mal ganz vorsichtig ein bis zwei Runden, bis die Hinterreifen auf Temperatur sind", ruft er mir zu. Das laute Getöse des von US-Motorenpapst Jack Roush (u. a. NASCAR, Grand-Am) zugelieferten 5,0-Liter-V8-Motors dringt durch Mark und Bein. Einen schallschluckenden Kompressor hat der aus dem Mustang abgewandelte Saugmotor nicht. Ein Mechaniker hält die Carbon-Tür auf. Die nimmt, wie beim Serien-GT auch, oben ein Stück Dach mit. Aber darunter prangt direkt eine Strebe des Überrollkäfigs. Da wird’s ganz schön eng, meinen 1,80 Meter langen Körper zwischen ihr und der hohen Seitenflanke des Rennsitzes ins Cockpit zu schlängeln. Die Halswirbel knirschen ein wenig. Meinen Kopf neige ich ganz zur Seite, um hier reinzukommen. Hintern absenken und die Beine vor den Pedalen sortieren.

Im GT3 regiert die Funktionalität

Ford GT
Das Ami-Vorbild: Nur 4500 Exemplare hat Ford USA bis Ende 2006 gebaut.
Vorbei ist’s mit Retro-Idylle und Klimaanlage. Blankes Aluminium im Fußraum. Ein schwarz schimmerndes Armaturenbrett aus Carbon. Darauf nur ein zentrales Display. Gleich rechts neben dem schmalen, unten abgeflachtem Lenkrad. Auch den gewaltigen Mitteltunnel gibt’s hier nicht, in dem beim Serienauto der Tank untergebracht ist. Dafür einen riesigen schwarzen Schalthebel. Der ist mit dicken Schrauben und übergroßen Muttern auf einem Sockel befestigt. Krach! Ein mächtiger Ruck vom Getriebe lässt das ganze Auto kurz zittern. Die Kupplung vorhin im Serienauto ging etwas schwer? ETWAS ist richtig! Diese Rennkupplung hier kennt nur Trennen oder Kraftschluss, fordert ordentlich Druck. Aber zum Glück brauche ich die nur zum Anfahren.

Der V8-Donner des Alpen-Boliden überlagert alles

Langsam gebe ich mit dem linken Fuß nach, mit dem rechten drücke ich das Gas runter. Ein Ruck. Dreimal bockt und rüttelt der Matech-GT. Und dann geht’s raus auf die Strecke. Mal während des Rasierens die Klinge gewechselt und direkt fies in die Haut geschnitten? Ja, genau so fühlt es sich an, vom Straßenauto in die Rennversion zu wechseln. Der Schweizer Flachmann hier ist einfach viel schärfer. Das Summen der vibrierenden Seitenscheibe aus Plexiglas hörst du nur kurz. Etwas Gas und der V8-Donner überlagert jede andere Schallwelle im Innenraum! Was ich im Serien-GT an Lenkbewegung zum Korrigieren brauchte, reicht jetzt zum Einlenken. Präzise biegt das Auto in Kurven ein. Gebe ich nur etwas zu viel Gas, donnert der V8 los: Das Heck schlittert auf den kalten Slicks nach außen. Warmgefahren pappen die Gummiwalzen das Auto in langsamen Kurven fest, in schnellen presst mich die Aerodynamik auf den Boden. Damit bin ich irrwitzig schnell, fahre oft einen Gang höher als mit dem Serienauto. Und gehe viel später auf die Bremse.
Ford GT3 Matech, Motor
Der 5,0-Liter-Saugmotor stammt aus dem Ford Mustang und liefert dem GT3-Renner 550 PS.
Beißend der metallische Geruch des Abriebs, der mir dabei in die Nase steigt. Fast wie bei einem Toaster, den du mit leeren Schlitzen zum Brötchen-Aufbacken rannimmst. Aber wehe, du übertreibst es mit den Kurvengeschwindigkeiten. Dann wird der bis dahin so neutrale Schweizer bockig. Sein Heck schert ruckartig aus. Schnell Gegenlenken ist die einzige Chance, den nur etwas mehr als einen Meter hohen Flachmann einzufangen. Beim Serienauto hat sich die Hinterachse schon nach einfachem Gaswegnehmen beruhigt. Doch nicht die Beschleunigungswerte, die noch nah an der Serie liegen (siehe Messwerte) machen den GT so schnell. Es ist vielmehr dieses kompromisslose Fahrwerk. Und seine Agilität. Die verdankt der GT3 vor allem dem viel niedrigeren Gewicht.

80 Prozent Entwicklungsarbeit – Der Rest ist Serie

Ford GT3  Matech vs Ford GT
Die Arbeit der Matech-Ingenieure hat sich ausgezahlt: mittlerweile werden die Eidgenossen von Ford unterstützt.
"Nur etwa 20 Prozent der Teile sind noch vom Serienauto", verrät Martin Bartek. Teil für Teil der Rennkarosserie hat Matech gebaut. Fünf Serien-GTs dafür gekauft, komplett zerlegt. Abdrücke der einzelnen Blechteile gemacht. Daraus Formen hergestellt, um Schicht für Schicht Kohlefasermatten daraufzulegen und Carbonteile zu backen. Aus dem leichten Material ist von der Frontpartie bis zu den hinteren Kotflügeln die gesamte Außenhaut entstanden. Ganze 370 Kilogramm weniger wiegt so der nach GT3-Reglement aufgebaute Rennwagen. "Aber nach den Siegen in der FIA-GT-Meisterschaft und der ADAC GT Masters müssen wir jetzt 110 Kilo Strafgewicht mitschleppen", seufzt Martin Bartek. Auch eine Art von Kompliment, das man dem Matech-GT machen kann.

Fazit von AUTO BILD MOTORSPORT-Testfahrer Martin Westerhoff: Der GT40 ist neben den Formel-1-Motoren der Inbegriff für Motorsport aus dem Hause Ford. Dass der Hersteller selbst keine Rennversion des neuen GT aufgelegt hat, ist fast schon eine Schande. Wenigstens bekommt Matech Concepts mittlerweile Unterstützung von Ford. Denn die Arbeit der Schweizer überzeugt. Ihr GT ist ein kompromissloses, modernes Renngerät – mit dem Charme des GT40.

Daten und Messwerte

Von

Martin Westerhoff