TVR T350C-S
—Extrem-Sportler
Es war einmal ein Block aus Schaumstoff ...
Kein Grund zum Lachen. Eher einer zum Bewundern. Der Mann heißt Peter Wheeler. Er ist Chef von TVR – in der Tat der drittgrößte Autobauer Englands, nach MG und dem Taxi-Hersteller LTI. Wheeler mutierte vor 22 Jahren vom TVR-Fan zum TVR-Chef. Er ist Ingenieur und Designer und liebt nichts mehr, als alle möglichen Dinge zu entwickeln und zu bauen. In Deutschland würde man ihn einen Tüftler nennen.
So kommt es, dass TVR trotz einer Jahresproduktion von nur etwa 900 Fahrzeugen alles selbst herstellt: Gitterrohrrahmen, Karosserien, Motoren, Cockpits, Instrumente. Diese totale Unabhängigkeit erlaubt die ursprünglichsten, wildesten und männlichsten Teile. Jeder TVR ist ein Hardcore-Sportwagen.
3,6-Liter-Triebwerk mit 350 oder 375 PS
So hat er kurz nach dem Erscheinen des neuen Sportlers ein "Performance Package" ins Angebot genommen, mit dem auch unser Testwagen bestückt war und das TVR Deutschland "S" nennt: Motor mit 375 PS, um 60 Kilo leichtere Lightweight-Karosserie, größere Bremsen, Rennkats, anderer Auspuff, geändertes Fahrwerk und 18- statt 16-Zoll-Räder. Kosten für das Power-Paket: 10.000 Euro Aufschlag auf den Grundpreis von 62.500 Euro.
Unter uns: Es ist ziemlich egal, ob dieser Motor ein paar PS mehr oder weniger hat. Dank Glasfaser-verstärkter Kunststoffkarosserie und viel Aluminium wiegt das Auto gerade mal 1100 Kilo, der Sechszylinder hat leichtes Spiel. Der Tritt aufs Gaspedal hat einen so vehementen Vortrieb zur Folge, dass man gerne noch etwas tiefer in die Schalensitze rutscht und dankbar ist für den serienmäßigen (!) Käfig, der die Insassen schützt. Typisch Wheeler: Lieber sichtbare Rohre als unsichtbare Airbags.
Überblick: Alle News und Tests zum TVR T350C
Den Begriff "stehende Pedale" hat Wheeler wörtlich genommen, die steile Fußstellung ist gewöhnungsbedürftig. Je nach Fahrstil reagiert der T350C-S von gallig bis giftig, zu schnelles Lösen des Fußes vom Kupplungspedal quittiert das Auto mit plötzlich ausbrechendem Heck. Kurz: Der neue TVR ist ein Tier – das werten alle Mitarbeiter im Werk in der Bristol Avenue, Blackpool, und der Chef als glasklares und gern gehörtes Kompliment für ihre Arbeit.
Aber nicht nur für fulminantes Auftreten ist TVR bekannt, sondern auch für ungewöhnliche Detaillösungen. Das beginnt beim Einstieg: Knöpfe zum Türöffnen findet der geneigte Sucher unter den Außenspiegeln. Das ist nicht nur witzig, sondern erspart auch komplizierte und teure Konstruktionen in den Türen. Ebenso skurril die Tankklappenöffung: Im Kofferraum links sitzt ein fein gefräster Hebel. Wer ihn betätigt, dreht dabei den Tankverschluss zur Seite. Ein Hingucker natürlich die durchlöcherten Heckklappenscharniere, deren edle Wirkung leider durch englisch anmutende Kabelverlegung für die Heckscheibenheizung getrübt wird.
Typisch TVR: das eigenwillige Innendesign
Die volle Pracht Wheeler'scher Schaffenskraft setzt sich im Innenraum fort. Dort dominieren vorrangig zweifarbiges Kunstleder (Vollausstattung in Echtleder gegen Aufpreis), Alcantara und blankes Alu. Wo Nähte nötig sind, haben die TVR-Handarbeiter sie extra sichtbar ins Blickfeld gerückt – um die Manufaktur im ursprünglichen Sinne zu betonen. Cockpit und Schalter sind einzeln angefertigt und aus keiner Massenproduktion, ebenso der ungewöhnliche Tacho. Dort sind nur wenige Zahlen zu erkennen: angefangen bei der vier, in Viererschritten bis zur 32. Diese steht für 320 km/h – die schafft der T350C-S zwar nicht ganz, kommt aber nah dran. Eine Umschaltung auf Meilen ist möglich, eine digitale Anzeige ebenfalls, und als Bonbon kann der Fahrer die Lautstärke des Blinker-Piepens individuell einstellen.
Puristen fragen deshalb schon ängstlich, ob TVR nicht im Begriff ist, zu soft zu werden. Und sie befürchten in absehbarer Zukunft sogar die Einführung von Cupholdern – nur weil es eine zuziehbare Gepäckraumabdeckung gibt. Aber wahrscheinlich ist auch der härteste Bleifuß zufriedener, wenn ihm beim Bremsen nicht ständig irgendwelche Utensilien von hinten ins Genick fliegen.
Technische Daten im Überblick
Mit Einführung des T350c hofft der Importeur (Tel. 0700/ 54 50 00 54, www.tvrdeutschland.de), dass bald mehr Autos hierzulande Liebhaber finden als die gerade mal 300 Stück, die bisher herumfahren. Da könnte es helfen, wenn es den knorrigen Briten ab Frühjahr 2004 auch mit Linkslenkung (Aufpreis 5000 Euro) gibt. Ende des nächsten Jahres kommt dann noch mehr Leistung: der T350R – die FIA-GT-Variante mit ungefähr 450 PS für die Straße. Übrigens: Wer das Abenteuer TVR wagt, kann zumindest die ersten zwei Jahre entspannt herumkurven – die Wartungen sind für diese Zeit im Kaufpreis mit enthalten.
Technische Daten • Sechszylinder-Reihenmotor, vorn längs • vier Ventile je Zylinder • Hubraum 3605 cm3 • Leistung 276 kW (375 PS) bei 7800/min • maximales Drehmoment 396 Nm bei 5800/min • Hinterradantrieb • Fünfgang-Handschaltung • rundum doppelte Querlenker • rundum belüftete Scheibenbremsen • Reifen 225/35 ZR 18 vorn, 235/40 ZR 18 hinten • Räder 8,5 x 18 • Länge/Breite/Höhe 3985/1835/1195 mm • Radstand 2361 mm • Leergewicht 1100 kg • Tank 63 l • Zuladung 250 kg • Beschleunigung 0–100 km/h in ca. 4,2s • Höchstgeschwindigkeit ca. 300 km/h • Preis 72.500 Euro