Interne Querelen mit Fiat

Es waren nur dünne Worte, die der Presidente fand, aber sie hatten genügend Sprengkraft, um das Auditorium in fassungsloses Staunen zu versetzen. Als eine neue Fertigungshalle in Maranello eingeweiht wurde, brach Luca Cordero di Montezemolo (54) für viele überraschend mit der Gegenwart: Der Ferrari-Boss deutete seinen Rücktritt an. "Die Mission ist beendet. Was die Serienproduktion und die Formel 1 betrifft, haben wir unsere Ziele erreicht. Es ist Zeit, ein bisschen nachzudenken."

Freunde und vertraute Ferrari-Mitarbeiter, denen di Montezemolo sein Herz ausgeschüttet haben soll, wollen bereits vor Ablauf der mehrwöchigen Bedenkzeit wissen: Er macht Schluss. Nach elf Jahren auf dem Chefsessel. Wenn Michael Schumacher wie geplant am 28. Juni in Hockenheim zum dritten Mal in Folge für Ferrari zum Weltmeister gekürt wird, soll dem Präsidenten ein triumphaler Abgang bereitet werden, der die unschönen Nebengeräusche übertönt. Denn freiwillig tritt der Familienvater nicht aus dem Rampenlicht. Interne Querelen mit dem 90-prozentigen Anteilseigner Fiat haben zu einem Vertrauensbruch zwischen dem Mutterkonzern und der Edelkarossenschmiede geführt. So musste der klamme Autobauer kürzlich 34 Prozent an die italienische Investmentbank Mediobanca Commerzbank verscherbeln. Marchese di Montezemolo, durch und durch Kaufmann des alten Schlags, beäugt smarte Banker mit Misstrauen.

Geht es um Ferrari, "mein Leben", wie er sagt, wird der Avvocato pathetisch: "Ich will nicht, dass irgendwelche Anzugträger über Wohl und Wehe dieses glorreichen Traditionsunternehmens entscheiden." In Maranello, der Wiege des Motorsports "fühle ich mich dem Glück so nah", so di Montezemolo, der nach seinem Aufstieg zum Managing-Direktor bei Fiat ab 1983 dem Getränkehersteller Cinzano vorgestanden war und anschließend die Fußball-WM 1990 organisiert hatte. Ausgerechnet der tief rote Zahlen schreibende Fiat-Konzern, bei dem di Montezemolo seinen kometenhaften Aufstieg als Chef der PR-Abteilung 1977 begann, besiegelt nun offenbar sein Schicksal. Das erklärte Ziel, dem legendären Enzo Ferrari nachzueifern und im Unternehmen alt zu werden, wird er nicht erreichen.

Jean Todt als Nachfolger gehandelt

Seine Fähigkeiten sind unbestritten, die Bilanzen makellos. Seit Jahren präsentiert er Rekordergebnisse. Der Nachfolger von Enzo Ferrari steigerte die Produktion der Luxusmodelle um das Doppelte, mittlerweile ist die Stückzahl auf gut 4000 jährlich limitiert. Bei den jüngsten Umstrukturierungen habe sich der erfolgreiche Manager jedoch übergangen gefühlt, heißt es.

Gleichzeitig soll der Mann mit den geschliffenen Manieren als Mitglied der Grand Prix World Championship (GPWC) unliebsame Verhandlungen führen. Die Hersteller-Vereinigung der Formel 1 arbeitet Pläne für eine Konkurrenzserie aus. Seit dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Paolo Cantarella vertritt di Montezemolo die Fiat-Interessen. Viel Aufwand, wenig Ergebnisse, bewerten Experten die Bemühungen der Autobosse, die am Rande des Großen Preises von Silverstone am Sonntag (7. Juli 2002) tagen werden.

Unabhängig von neuen Machtverhältnissen stehen dem Branchen-Primus grundlegende Veränderungen ins Haus. Die Verträge mit Michael Schumacher, Technikboss Ross Brawn, Aerodynamik-Chef Rory Byrne und Teamchef Jean Todt laufen 2004 aus. Todt gilt als Kandidat fürs Präsidentenamt bei Ferrari, aber auch Ex-Fiat-Chef Cantarella wird als Nachfolger di Montezemolos gehandelt. Stets hatten Experten wie Jaguar-Teamchef Niki Lauda und BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger die Dominanz der Italiener mit klaren Strukturen im Management begründet. Todt sagt: "Ich werde alles daran setzen, dass unser Dream-Team nicht zerfällt."