Heckflossen, Straßenkreuzer, Hot Rods

So manch chromblitzender Ami-Straßenkreuzer wird schon längst nicht mehr aus seinem Mutterland, sondern aus Schweden importiert. Denn die Heimat der Elche ist ein wahres Eldorado für US-Cars. Kein Wunder also, daß sich einmal im Jahr die Stadt Västerås in ein Paradies für Ami-Altblech-Liebhaber verwandelt. Wenn der American Car Club Sweden und der ACCS Åby Motorklubb zum legendären "Power Big Meet" einlädt, folgen mehr als 10.000 Fahrzeuge ihrem Ruf. Den Veranstaltungsort 100 Kilometer westlich von Stockholm findet man auch ohne Landkarte: einfach den Straßenkreuzern im "Cruising"-Tempo folgen.

Das eigentliche Treffen findet tagsüber auf dem Johannisberg Flughafen statt. Hier fährt alles vor, was jenseits des großen Teichs einst auf Räder gestellt wurde: klassische 50er Jahre Heckflossen, 70er Jahre Straßenkreuzer, Musclecars, Hot und Street Rods. Um alle ausgestellten Fahrzeuge bewundern zu können, wäre eine Woche das mindeste. In zwei Tagen muß man sich schon arg ins Zeug legen, um überhaupt einen Bruchteil zu sehen. Allein Hot Rods und Musclecars laufen hier gleich zu Dutzenden auf. Und das ist längst nicht alles: Neben den ausgestellten Fahrzeugen lockt eine riesige Händlermeile. Wer etwa den einen, ganz speziellen verchromten Heckleuchtenrahmen für seinen 66er Impala sucht – er wird mit Sicherheit fündig.

Die Gesellschaft tourt die ganze Nacht

Wenn die Nacht hereinbricht über der 120.000-Einwohner-Stadt, beginnt das große "Cruising". Die Gesellschaft rollt los – und steht sofort im Stau. Im gewollten Stau. Denn ab 19.00 Uhr bewegt sich in und um Västerås alles nur noch im Schrittempo. Sehen und gesehen werden ist das einzige, was zählt. Zu den hochpolierten Fahrzeugen vom "Meet" des Tages gesellen sich dann auch die legendären schwedischen "Raggare"-Mobile: mattschwarz, tief, laut, rostig – abgehalfterte Exemplare und dennoch kultig-dreckiger Höhepunkt der alkoholgeschwängerten Szene.

Der blech- und benzingierige Reigen tourt die ganze Nacht, jeder zeigt, was er hat. Tausende Zuschauer säumen die Straßen, die den Troß johlend bewundern und jedes Exemplar ausgiebig kommentieren. An dieser Stelle muß den schwedischen Gesetzeshütern ein dickes Lob ausgesprochen werden. Denn auch wenn – was fast der Normalfall ist – eine Handvoll Leute auf Dach und Motorhaube eines fahrenden Autos sitzt: Eingegriffen wird erst bei Alkohol am Steuer. Dabei allerdings verstehen die Staatsdiener keinen Spaß, schon mit 0,1 Promille hat man ein echtes Problem.

Und so ist auf Fahrersitzen kaum ein Kerl zu sehen, sondern oft eine bildhübsche junge Frau. Meist die Freundin des Fahrzeugbesitzers, der mit dem Rest der Besatzung bereits höhere Promille-Sphären erreicht hat. Für US-Car-Fans ist das Power Big Meet totale Reizüberflutung – mehr geht nicht. Doch jeder Rausch geht mal zu Ende. Am Samstagabend ist nach drei tollen Tagen alles vorbei – und die schwedische Ruhe wieder hergestellt.

Von

Ralf Becker