Am Abend des 9. Februar 2010 meldet sich Uwe Gemballa (54) telefonisch bei seinem Sohn. Er ruft aus Südafrika an, befindet sich dort auf Geschäftsreise. Er habe einen Unfall gehabt, brauche dringend eine Million Dollar. Es ist das vorerst letzte Lebenszeichen. Seine Familie meldet ihn als vermisst, Ermittler aus seiner Heimat Böblingen reisen nach Südafrika. Keine Spur. Seine Frau lässt Hunderte Flugblätter mit dem Bild Gemballas drucken und am Johannesburger Flughafen verteilen. Ohne Erfolg. Uwe Frank Gemballa hat bis zu seinem Verschwinden die Tuningbranche aufgemischt, es zu Weltruhm gebracht. 1980 erscheint das Erstlingswerk des blonden Stuttgarters mit den blauen Augen und dem Auftreten eines Lebemanns: ein perlmuttweißer Golf mit weißer Lederausstattung, Recaro-Sitzen und Fernsehschirm inklusive.

Allrad-Mammut mit 750 PS: Gemballa Tornado 750 GTS  

Gemballa Showroom
Der Gemballa Showroom ist leer – das Finanzamt hat die Autos gepfändet.
Ein Jahr später versucht er sich am Porsche-Klassiker 911, verkauft mehrere Exemplare in den Nahen Osten. Das Geschäft läuft. Mal mehr, mal weniger. In den 90er-Jahren muss er Insolvenz anmelden, kurz danach taucht er geschäftlich wie Phönix aus der Asche wieder auf. Die neue Firma funktioniert, im Spitzenjahr 2007 verkauft er 13 Gemballa Mirage auf Basis des Porsche Carrera GT zum Einzelpreis von bis zu 700.000 Euro. Mit 46 Mitarbeitern erwirtschaftet er 16,2 Millionen Euro Umsatz. Gemballas Produkte sind so ausgefallen wie seine Kunden. Breite Räder treffen auf riesige Spoiler und buntes Leder. Zu seiner Klientel zählen Fußballspieler, Hollywoodgrößen und der europäische Adel, auch der adoptierte. Seit einigen Jahren kaufen vor allem neureiche Russen und Scheichs Gemballa.

Ferrari Enzo mit 700 PS: Gemballa MIG-U1

Gemballa Avalanche Wingdoor
Mit Fahrzeugen wie diesem Gemballa Avalanche Wingdoor war der Tuner lange erfolgreich.
Die Wirtschaftskrise trifft die Tuning-Branche hart und Gemballa noch härter. 2009 sinkt der Umsatz auf acht Millionen Euro, dazu kommen Steuerschulden aus dubiosen Exportgeschäften. Mitte Januar 2010 will das zuständige Finanzamt einen einstelligen Millionenbetrag von Gemballa – den er nicht hat. Trotz eines 20-Stunden-Tags. Sieben Tage die Woche. Gemballa besitzt drei Handys, telefoniert morgens mit Asien, mittags mit Europa, abends mit Amerika. Immer Vollgas, sei seine Devise gewesen, sagen seine Freunde über ihn. Im Januar 2010 ahnt Gemballa, dass sein Unternehmen nicht mehr zu retten ist. Er kann die Gehälter der Mitarbeiter nicht zahlen, gründet eine neue Firma, sucht sich Geldgeber in Dubai und Südafrika. Bis er dort verschwindet. Die Polizei ist sich sicher, dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Ende April liquidiert der Insolvenzverwalter die Firma – das endgültige Ende des Porsche-Prinzen? Fragen bleiben.

Von

Stefan Voswinkel