Knack-Roadster im Macho-Dress

Bevor es hinters Lenkrad geht, lassen wir einmal die Emotionen aus dem Spiel und betrachten ganz nüchtern ein paar Fakten. Da fährt muskelbepackt ein schwäbischer Roadster namens Mercedes SLK 55 AMG vor. Zu einem Preis von 65.192 Euro. Recht happig, denkt man da schnell. Aber dafür bietet er auch acht Zylinder, fünfeinhalb Liter Hubraum, 360 PS und fette 510 Newtonmeter Drehmoment. Ein bulliger Bursche. Und – so gesehen – eigentlich preiswert. Besonders, wenn man den zweiten Schwaben zum Vergleich heranzieht, den $(LA47658:Porsche 911 Carrera S)$.

Er gilt als die deutsche Sportwagen-Ikone schlechthin: Boxer, 3,8 Liter Hubraum, 355 PS und 400 Newtonmeter. Preis: 85.176 Euro. Das ist wirklich happig. Nach Faktenlage wäre der Vergleich somit eigentlich schon entschieden. Selbst in dieser Liga ist ein Unterschied von fast 20.000 Euro nicht eben wenig.

Aber Geld ist nicht alles. Es zählen ebenso Charisma, Image und der Auftritt des Autos. Hier kann der Mercedes nicht wirklich punkten. Er spielt den Macho. Vor allem der Vorderwagen mit seiner längs über die Haube gezogenen Formel-1-Nase und den schrägen Stegen im Gittergrill lassen ihn unangemessen aggressiv erscheinen. Hinzu kommen Schweller, Spoiler und vier Endrohre. Das sind alles keine Zutaten, die Seriosität versprühen. Eine gehörige Portion Selbstbewußtsein hilft beträchtlich, aus diesem Wagen unter den prüfenden Blicken Fremder ganz entspannt auszusteigen.

Sportwagen-Klassiker in Topform

Natürlich findet der Auftritt des Carrera auch nicht so unscheinbar statt wie der eines grauen Golf, doch fühlt man sich als besserverdienender Mittvierziger angemessener angezogen. Der Carrera hat optisch wieder zu seiner Topform zurückgefunden. Er ist clean, unzerklüftet, reduziert auf die klassische Sportwagenform – egal von welcher Seite man ihn betrachtet. Ein paar Striche reichen, um seine Silhouette zu symbolisieren. Wie einst beim Käfer.

Auch technisch zeigt sich der 997, wie der Carrera werksintern genannt wird, in Bestform. Es bereitet Freude, wie ungemein leichtfüßig und kultiviert sich die 355 PS im Heck mobilisieren lassen. Dabei zählen gar nicht die akademischen 4,7 Sekunden von null bis 100 km/h. Es sind vielmehr die Zwischensprints, besonders jene im dritten und vierten Gang, wenn die 400 Newtonmeter sich voll ins Zeug legen können. Die Hinterräder scheinen sich förmlich im Asphalt festzubeißen.

Begleitet wird der pfeilschnelle Vortrieb von dieser Porsche-typischen Klangmischung aus Sägen und Röhren. Dies kann nur der Sechszylinder-Boxer. Doch wehe, der V8 im SLK meldet sich zu Wort. Er grollt, bellt und faucht, je nach Drehzahl, verbreitet diesen satten Sound, wie wir ihn sonst nur von amerikanischen Achtzylindern her kennen.

Meßwerte und Preise

Leider verliert sich das Geräusch bei zunehmender Geschwindigkeit. Dafür wird jeder Tritt aufs Gaspedal schlagartig in Vortrieb umgewandelt. Die Elektronik hat alle Mühe, die Antriebsräder zu bändigen. Ohne Kollege Computer würde der AMG-SLK meterlange schwarze Striche um die Häuserblocks ziehen und bei Nässe Pirouetten drehen. Dabei ist es egal, ob die serienmäßige Siebengang-Automatik die Schaltaufgaben übernimmt (was sie übrigens vorzüglich tut), oder ob manuell am Lenkrad der Befehl zum Gangwechsel gegeben wird.

Bei soviel Kraft, die im Mercedes steckt, sind natürlich auch die chipgebremsten 250 km/h schnell erreicht, und den Fahrer packt das Frustgefühl: Was, das war’s schon? Derweil ihn der Carrera locker überholt und dabei in den sechsten Gang schaltet. Er darf eben rennen, was Leistung und Aerodynamik hergeben. In diesem Fall sind es bis zu 293 km/h. Kleiner Trost: Für 1711 Euro macht AMG den SLK auf. Dann sind bis zu 280 km/h drin. Insgesamt fährt sich der Porsche jedoch ausgewogener, zeigt keinerlei Nervosität oder Tendenz zur Übermotorisierung wie der Mercedes.

Man merkt dem Carrera die über 40 Jahre Sportwagen-Erfahrung an, die in ihm stecken. Er befindet sich auf dem Weg zur Perfektion. Dafür genießt der SLK-Fahrer nach nur 20 Sekunden die Sonne, kann gemütlich im Roadster rollen. Dies kann der Porsche-Pilot im Prinzip auch. Nur ist das Cabrio nochmals 10.000 Euro teurer.

Fazit und technische Daten

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Michael Specht Bezogen auf die Fahrleistungen, stellt der SLK 55 AMG ein attraktives Angebot dar. Sein bulliger V8 hat (fast zuviel) Temperament und Sound. Doch sein optischer Auftritt ist grenzwertig, etwas mehr Zurückhaltung würde ihm gut tun. Porsche hat es geschafft, den 911er wieder in Topform zu bringen. Ein starker, aber kultivierter und harmonischer Sportwagen – nur leider recht teuer.

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Von

Michael Specht