Volvo XC60 D5: Dauertest
Die schwedische Burg: So schlägt sich der Volvo XC60 D5 im Dauertest

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Volvo-Modelle gelten als Kilometerfresser. Zeit für einen 100.000-Kilometer-Dauertest mit einem XC60 D5. Und der bleibt uns gut in Erinnerung.
Bild: Thomas Mueller / AUTO BILD
In kriselnden Zeiten wie diesen ziehen sich die Menschen gerne ins Private zurück. Man renoviert seine Wohnung, man bestellt seinen Garten, man schafft sich gar eine Katze an. So ein Volvo XC60 hilft dabei. Nicht nur, weil er mit ordentlich großem Kofferraum, 510 Kilogramm Zuladung und 2,4 Tonnen Anhängelast gehörig was in Richtung Heim transportieren kann. Sondern weil er beim Fahren eine wohltuende Heimeligkeit verbreitet.
Wenige Kilometer Fahrt reichen, und schon bleibt die Alltagshektik draußen. Böse Zungen würden nun sagen: kein Wunder, bei der gefühlsarmen Lenkung und dem unsportlichen Handling mit braver Tendenz zum Untersteuern. Stimmt, aber man kann es auch anders sehen: Die fast schon amerikanisch leichtgängige Lenkung bringt kraftschonende Lässigkeit im Stadtverkehr und bei Parkmanövern. Und das defensive Handling bringt Entspannung, weil dieser Volvo einfach so gar nicht zum Rasen animiert.
Volvo XC60 im Dauertest: Es gab keine Ausfälle
Ausgedehnte Reisen und lange Strecken dagegen sind seine Domäne. Und dies bewies er eindrucksvoll in unserem Dauertest auf 100.000 Kilometern. Eigentlich wurden es sogar ein paar Tausend mehr, weil sich wegen der Coronapandemie die Abholung verzögerte. Also weitere Fahrten auf langen Strecken. Wer am Steuer die Kondition hatte, schaffte auch locker 1000 Kilometer mit einem Tank; da gehen 71 Liter rein. Und wer auf tempolimitierten Strecken unterwegs ist, darf dann mit einem Verbrauch von sieben Litern auf 100 Kilometer und weniger rechnen. Andererseits: Wer es eilig hat, den straft dieser Vierzylinder-Turbodiesel mit Expresszuschlag.

71 Liter Diesel gehen in den Tank des XC60. Damit schafft er locker 1000 Kilometer. Unser Verbrauch lag bei 7,6 Liter – Anhängerfahrten inklusive.
Bild: Tobias Kempe / AUTO BILD
Denn werden es auch einmal 9,5 Liter/100 km. Mit Anhänger 11 bis 14 Liter, je nach Aufbauhöhe des Trailers. Trotzdem entspannt der Volvo selbst bei Anhängerfahrten. Denn das wunderbar komfortable Luftfeder-Fahrwerk (Aufpreis bei Teststart 2270 Euro, heute 2410 Euro) beruhigt auch die bockigst holpernden Trailer. Motor und Automatikgetriebe kommen selbst mit komplett ausgelastetem Gespann und alpinen Bergstrecken nicht an ihre Grenzen. Nie gab es Temperaturprobleme oder gar Ausfälle. Auch nicht im Gelände, wo der Volvo vielfach ausrücken musste, um andere Test-Allradler aus Schlamm oder Schnee zu zerren.
Einziges Problem: ein verklebtes Ad-Blue-Dosierventil
Mindestens ein Bergegurt war immer an Bord. Und einer davon passt perfekt um das Notrad herum unter dem Laderaumboden. Für das Notrad waren wir mehr als dankbar, als der rechte Hinterreifen sich einbildete, sein restliches Leben ab sofort zusammen mit einer fiesen Holzschraube verbringen zu wollen – Plattfuß! Doch dank Notrad konnten wir die Fahrt nach 20 Minuten fortsetzen. Dafür gab es sogar spontanen Beifall an der Autobahn-Raststätte – von einer asiatischen Reisegruppe, deren Busfahrer unsere routinierte Radwechselaktion lautstark und wortreich über Mikrofon und Buslautsprecher kommentierte.
Sonst verursachte der Dauertest XC60 nur noch einmal erhöhte Adrenalin-Ausschüttung beim Fahrer: als bei Kilometerstand 42.910 während der Fahrt die gelbe Check-Engine-Kontrolllampe aufleuchtete. Was tun? Check Engine kann alles im Bereich des Motors bedeuten; aber immerhin leuchtet sie eben gelb, nicht rot. Also auf zur nächstgelegenen Volvo-Werkstatt. Das Internet nennt da Svenscar im Baierbrunn, südlich von München. Ohne Termin rollen wir auf den Hof, werden spontan zur elektronischen Fehlerdiagnose begrüßt. Irgendwas an der Abgasanlage, vermutet das Diagnosegerät.
Der Volvo-Meister orakelt, dass es das Dosierventil der Ad-Blue-Beimengung sein könnte: Ham'ma scho' mal g'habt, murmelt er. Rauf auf die Hebebühne mit dem XC60, Dosierventil ausgebaut – und siehe da: Der Meister hat recht. Das Ventil ist nicht defekt, aber verklebt. Statt teurem Austausch reicht eine gründliche Reinigung. Fehlerspeicher gelöscht, und nach kaum einer halben Stunde schickt uns die findige Volvo-Werkstatt wieder auf die Reise. Die gelbe Lampe bleibt endlich aus. Etliche tausend Kilometer später ist es tiefer Winter. Zu dieser Jahreszeit vermag der Volvo seine besonderen Stärken auszuspielen.
Bei Schnee und Kälte zeigt der Volvo sein skandinavisches Gemüt
Nicht nur das unaufgeregte und auch auf Schnee absolut spurstabile Fahrgefühl beruhigt. Wohlige Wärme gibt es obendrein von der schnell ansprechenden und gut funktionierenden Heizung, die die Scheiben zuverlässig beschlagfrei hält. Dazu starten Sitz und Lenkradheizung sehr zügig und lassen sich außerdem perfekt in mehreren Stufen dosieren. Trotzdem wird es an diesem einen Wintertag richtig anstrengend. Heftiger Schneefall überfordert die Straßenmeistereien, alle rutschen und stehen.

Auf bis zu 265 mm Bodenfreiheit pumpt die Luftfederung den XC60 im Offroad-Modus hoch; das reicht auch für schwereres Gelände.
Bild: Thomas Mueller / AUTO BILD
Wir weichen über kleinste Nebenstrecken aus – und stehen doch bald an einer fiesen, weil kurvigen 14-Prozent-Steigung. Vor uns schlittern gerade zwei Fronttriebler wieder zurück zu Tal. Man berät sich untereinander, und weil Ausweichen auf eine andere Strecke unmöglich ist, ziehen wir kurzerhand die zwei Fronttriebler nacheinander per Bergegurt nach oben. Und weil mittlerweile noch ein Dritter unglücklich herumsteht, nimmt der Volvo diesen dann auch noch ans Seil. Wenige Dutzend Kilometer später stehen ein paar Leute unschlüssig auf der Landstraße neben ihren in den Graben gerutschten 2WD-Autos. Auch die zieht der Volvo heraus.
Dabei und auch beim Anhängerziehen bewährt sich das Automatikgetriebe des Volvo, dessen Drehmomentwandler ebenso gefühlvolles wie kraftvolles und dabei verschleißfreies Ziehen und Zerren ermöglicht. Als es die folgenden Nächte so richtig bitterkalt wird, zeigt der XC60 erst recht sein skandinavischen Gemüt: Auch bei unter minus 20 Grad startet der Motor stets zuverlässig. Und auf den anschließenden Fahrten stockt nie der eiskalte Dieselsprit. Überhaupt gab es während der gesamten Dauertestzeit nicht einen einzigen Startverweigerer, nicht eine einzige Panne, die einen Abschleppdienst nötig gemacht hätte.
Selbst Maderattacken konnten den Volvo nicht lahmlegen
Selbst zwei nächtliche Attacken von Mardern konnten den Volvo nicht lahmlegen. Zwar leuchtete beide Male die gelbe Check-Engine-Motorkontrolllampe auf, die Fahrt konnte aber ohne Leistungsverlust zur nächsten Vertragswerkstatt fortgesetzt werden. Beide Male mussten die von den Mardern komplett zernagten Temperatursensoren an der Abgasanlage erneuert werden. Kosten: jeweils über 400 Euro. Gut, wenn man in einschlägigen Gegenden eine Teilkaskoversicherung hat, die Marderschäden inkludiert.
Gut 100.000 Kilometer hat der treue Schwede uns nun begleitet, plus zehn Prozent Zuschlag wegen der kriselnden Zeiten – Zeit zum Abschiednehmen. Wir werden ihn vermissen; ihn und seine klapperfreie Solidität; ihn und seine wärmenden Stoffsitze, deren karierte Bezüge an ein Sofa im stillen Kaminzimmer erinnern. Kein Wunder, dass das schwedische Wort für Gemütlichkeit diesem deutschen Begriff sehr nahe kommt – gemytlighet. Die Schweden wissen, wie gemütlich geht.
Fahrzeugdaten
Motor Zylinder/Bauart
Einbaulage
Ventile/Nockenwellenantrieb
Hubraum
Leistung bei 1/min
Drehmoment bei 1/min
Radaufhängung
Reifengröße – Reifentyp
Getriebe
Allradantrieb/Kraftverteilung v:h
Traktionshilfen
Theoretische Steigfähigkeit
Geschwindigkeit im 1. Gang
Drehzahl bei 130 km/h
Kofferraummaße L/B/H
Kofferraumvolumen
Anhängelast gebremst/ungebr.
Stützlast
Dachlast
Höchstgeschwindigkeit
Normverbrauch; CO2-Ausstoß
Dauertestverbrauch
Tankinhalt/Kraftstoffsorte
Kosten/Garantien
Abgasnorm
Steuer pro Jahr
Typklassen HPF/VK/TK19
Werkstattintervalle
Wartungskosten von/bis
Garantie/Gewährleistung
Technik/km-Begrenzung
Garantie gegen Durchrostung
Mobilitätsgarantie
Preise/Ausstattung
Volvo XC60 D5
Grundpreis 2019/2022
Testwagenausstattung
Automatikgetriebe
Einparksensoren
Rückfahrkamera
LED-Scheinwerfer
Zwei-Zonen-Klimaautomatik
Navigationssystem
höhenverstellb. Luftfederung
Notrad/vollwertiges Ersatzrad
Anhängevorrichtung
Metalliclackierung
Testwagenpreis** 2019
Wartung/Reparaturen/Kosten
22.554 km
43.121 km
60.956 km
65.773 km
76.322 km
83.306 km
Fazit
Über 100.000 Kilometer mit dem Schweden bleiben als automobile Wohltat in Erinnerung: keine Pannen und die pure Entspannung beim Fahren. Zudem waren die 235 unaufgeregten Diesel-Pferde genügsam: 7,6 Liter.
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