Ferrari-Fans in der Schockstarre

Von Robert Dunker Die Ferrari-Riege kaschiert die Krise nach Kräften. Die Piloten Michael Schumacher und Rubens Barrichello gaben gestern volksnah einen improvisierten Triathlon in den Disziplinen Golf, Basketball und Mountainbikefahren. Am Abend eröffnete Teamchef Jean Todt ein neues Ferrari-Kaufhaus in der Mailänder Innenstadt. "Wir werden alles daran setzen, unsere Fans zu versöhnen", sagte Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo. Die italienische Presse zollt dem scheinbar letzten Aufbäumen der Roten Tribut: "Ferrari nimmt ein Bad in der Menge", schlagzeilte "Corriere dello Sport". Daß der Vorverkauf für das Heimrennen so schleppend verläuft wie seit zehn Jahren nicht verschwieg das Blatt.

Fünfmal hintereinander empfingen die Tifosi Schumacher wie einen Champion, diesmal scheinen sie in einer Schockstarre zu sein. Sie wissen: Wenn Schumacher am Sonntag nicht besser abschneidet als der WM-Führende Fernando Alonso, ist der Rekordweltmeister endgültig Champion a.D.

Schumacher parierte die Abgesänge äußerst gelassen. Der Abstieg sei schließlich nicht über Nacht passiert. "Es ist eher eine Überraschung, daß wir überhaupt so lange mathematische Chancen auf die Titelverteidigung haben." Daß er Dritter der Fahrerwertung und Ferrari Dritter der Konstrukteurswertung ist, sei "nicht so schlecht, aber natürlich nicht so gut, wie wir erhofft hatten". Ein Motivationsproblem ergibt sich daraus für ihn schon gleich gar nicht. "Du kämpfst immer weiter. Meine Gegner haben das, was wir zur Zeit durchmachen, eine viele längere Zeit durchgestanden."

Zusammenspiel noch immer mit Mängeln

Fakt ist, daß Schumachers Arbeitgeber vor einem Scherbenhaufen steht. Nicht alle Konstruktionsmängel sind beseitigt worden. Das Zusammenspiel des für 2005 entwickelten neuen Getriebes, der neuen Hinterradaufhängung und der Aerodynamik im Heck funktioniert nach wie vor nicht reibungslos. Obwohl das Team mittlerweile über 50.000 Testkilometer zurückgelegt hat. Testfahrer Marc Gene versuchte diese Woche, den F 2005 für Monza fit zu machen, während Kollege Luca Badoer die Reifen ausprobierte.

Nach den letzten Testfahrten sagte Schumacher: "Wir sehen nicht allzu gut aus." Wird sich daran diesem Wochenende etwas ändern? "Nein", sagt Schumacher. "Es sei denn, es regnet." Es ist bezeichnend, daß sich kein Gegner mehr über die Verstöße der Scuderia gegen das Testlimit mokiert. In Maranello macht sich derweil Verzweiflung breit. "Wir haben mit dem F 2005 vier Probleme", schwant es einem Ferrari-Insider. "An jeder Ecke des Autos eins."

Nach dem verzögerten Start des neuen Ferrari in die Saison 2005 versprach Technikchef Ross Brawn einen pünktlichen Stapellauf ins Jahr 2006. Doch der Zeitplan ist wieder eng. Ferrari testete als letztes Spitzenteam den neuen Achtzylindermotor. Bei den Reifen ist Schumacher auf rasche Besserung angewiesen. "Bridgestone wird einen Ausweg finden. Das hat jetzt schon länger gedauert, als wir gedacht haben, aber wir sind nicht so weit von McLaren entfernt." Solche Durchhalteparolen sind dem 36jährigen für gewöhnlich fremd, aber er sieht sich in der Pflicht, den Laden zusammenhalten. Denn der Fortbestand des Kompetenzteams ist bis heute nicht gesichert.

Spekulationen um Valentino Rossi

Technikchef Rory Byrne wird die Scuderia definitiv zum Saisonende verlassen, Nachfolger Aldo Costa werden die Schwächen des aktuellen Modells angekreidet. Jean Todt und Ross Brawn haben sich wie Michael Schumacher noch nicht entschieden, wie es nach Vertragsende 2006 weitergeht.

Das schürt die Spekulationen. Valentino Rossi, souveräner Motorradweltmeister, soll 2007 einen Platz im Cockpit erhalten. Der muß sich freilich noch einer "ernsthaften Prüfung" unterziehen, forderte Renault-Chef Flavio Briatore. Bei den bisherigen Tests habe er zwar einen "passablen Eindruck" hinterlassen, doch waren das allenfalls "ein paar Clownrunden". Und weil der Süditaliener auch ein Patriot ist, schürte er die Hoffnung seiner Landsleute auf eine "Traumpaarung" (Gazzetta dello Sport) bei Ferrari: "Schumacher und Rossi bei den Roten. Das wäre fantastisch für die Formel 1."

Nebenbei bereicherte Briatore das Rätseln um Michael Schumachers berufliche Zukunft um eine interessante Facette. Auf die Frage, ob sein ehemaliger Fahrer über 2006 hinaus fährt, entgegnete Briatore schelmisch: "Es ist schwer, auf 30 Millionen Euro Jahresgehalt zu verzichten." Schumacher ließ sich nicht aus der Reserve locken. "Ich bin Ferrari-Fahrer und glücklich damit."