Diese Limousine überragt alles, was Peugeot bisher gebaut hat: schwarz, stark, Zwölfzylinder-Diesel im Heck. Mit der Studie 908 RC zeigen uns die Franzosen ein ehrgeiziges Stück Zukunft.
Gérard Welter ist persönlich gekommen. Gelassen, im Blouson steht dieser allürenfreie Künstler im Hintergrund. Peugeots Designchef will hautnah miterleben, wenn seine jüngste Kreation erstmals fährt. Der 908 RC, eine scheinbar endlose Limousine, wird gefilmt, bevor die Studie Ende September als Flaggschiff auf dem Pariser Salon glänzen soll. Die zwölfzylindrige Zigarre rollt unter Dieselknurren aus, Welter streicht über die hinteren Kotflügelhüften. "Schon einmalig, nicht wahr?"
Stimmt. Der 63-Jährige, längst eine Institution auch über Peugeot hinaus, weiß, dass es so ein Auto noch nicht gab. Sein 908 RC hat vier Sitze, vier Türen und einen Zwölfzylinder-Diesel. Im Heck! Einziges mögliches Vorbild wäre der (allerdings achtzylindrige) Tatra. Wie der tschechische Riese trägt der Peugeot zu reichlich Chrom ein elegantes Schwarz, das leicht bläulich schimmert. "Aile des Corbeau", oder auf Deutsch: Rabenflügel, nennen die Franzosen den Farbton, der perfekt die Botschaften des gestreckten Giganten unterstreicht. Peugeot demonstriert seine Diesel-Kompetenz, tritt mit diesem Motor nächstes Jahr beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans an und zeigt, wie künftige Serienautos aussehen könnten.
Außerdem fahren die Franzosen einfach mal sehr stolz und sehr selbstbewusst – die Pariser Show ist schließlich die IAA der Grande Nation – in die automobile Oberliga vor. Ein Maybach à la française. Der Heckmotor diktiert ein außergewöhnliches Design. Hinter der neuen Front, deren oberste Spitze vorragt wie eine Raubkatzennase, folgt eine kurze Haube, unter der ja kein Motor liegt, sondern nur 220 Liter Kofferraum. Weit vorn beginnt die endlose Windschutzscheibe, die bis hinter den Fond reicht. Türgriffe fehlen gleich ganz, die Blechpforten öffnen per Funk. Solche Spielereien seien Messestars gern gestattet.
Hinter der Köpfen der Fondpassagiere in ihren Einzelsitzen schwingt sich eine senkrechte, konkave Heckscheibe quer über das Auto. Dieses Design-Zitat von Vorbildern wie dem Ferrari Dino schafft Platz für die gullygroßen Lufteinlässe zum darunterliegenden Motor. Rechts und links davon quellen die hinteren Kotflügel so offenherzig protzend wie an 30er-Jahre-Autos. Aus dem Kofferraumdeckel flutscht bei flotter Fahrt ein dünner Spoiler heraus, glänzend wie ein silberner Schuhanzieher. Das Heck endet schließlich in einer kantigen Mischung aus Art déco und vier Raumschiff-Endrohren. Uff, was für ein Parforceritt durch Stile und Andeutungen.
Bevor nun das große Rätselraten beginnt, hier die ernüchternde Wahrheit: Der 908 RC geht niemals in Serie. Er ist ein rollendes Ausrufezeichen, ein Mutmacher in schweren Zeiten (Peugeots Verkaufszahlen sanken im ersten Halbjahr europaweit). Und ein wenig soll die Studie wohl auch der konzerninternen Konkurrenz von Citroën trotzen, die mit dem C6 stilistisch neues Selbstbewusstsein getankt hat.
Technische Daten und Fahrleistungen
Das will auch Peugeot, daher können wir die Studie Stück für Stück lesen und auf ihren Seriengehalt abklopfen. Zunächst den Motor. Der Zwölfzylinder hat 5,5 Liter Hubraum, 100 Grad Zylinderwinkel, natürlich Rußfilter und leistet 700 PS und 1200 Newtonmeter. Der Audi-V12, der dieses Jahr in Le Mans gesiegt hat, brachte bei gleichem Hubraum 650 PS und 1100 Newtonmeter. Bislang aber nur ein akademisches Brustgetrommel, denn Peugeot fährt 2007 nach eigenem Bekunden bei dem Langstrecken-Klassiker nur mit, um Erfahrungen zu sammeln. Der Sieg soll 2008 drin sein, man gönnt sich Lehrzeit bis zum neu erkorenen Sportziel. Ein langer Weg, wie auch aus der Studie zu hören ist. Denn der Motor im 908 RC klingt verdächtig nach einem halb so großen Sechszylinder, wir durften das Triebwerk nicht fotografieren. "Ein Zwölfzylinder im Serienauto bleibt wohl ein Traum", gesteht Gérard Welter vielsagend.
Egal, das Interieur ist ohnehin interessanter. Im überdimensionalen Lupentacho werden die Navigations-Hinweise gleich mit eingeblendet. Die ganze Mittelkonsole füllt ein großer Touchscreen-Monitor, der wahlweise alle nötigen Schalter abbildet – so wird ein Auto frei von Knöpfen. Der elegante Mix aus grauem Leder, mattem Eichenholz und poliertem Aluminium deutet an, dass in der Luxusklasse durchaus Raum wäre für eine elegante französische Alternative zum deutschen Einrichtungsstil. Dafür müsste Peugeot das wirtschaftliche Risiko einer Luxuslimousine eingehen, doch schon der kleinere 607 ist kein Renner.
In der Front des 908 RC dagegen sind die Serienmodelle von morgen abzulesen. Die Scheinwerfer-Augen werden noch länger und katzenhafter, der 908 RC trägt sogar senkrechte schwarze Pupillenschlitze. Und der große Kühlermund, zuerst beim 407 eingeführt und mittlerweile abgenutzte Erkennungsmarke, wird (zum Glück) wieder schrumpfen. Unter der vorspringenden Nase trägt der 908 zwei Blechstreifen, die je nach Blickwinkel an Zähne erinnern – oder einfach nur an die BMW-Niere. Biss haben die Peugeot-Designer gezeigt. In Paris steht ihre Studie gleich neben dem Le-Mans-Renner, der nur 908 heißt. Dessen Vorgabe ist sicher genauso richtig: Schön sein reicht nicht. Sieger brauchen Ausdauer.
Technische Daten V12-Diesel • Heck-Mittelmotor, quer eingebaut • Hinterradantrieb• Hubraum 5,5 Liter • Leistung 700 PS • max. Drehmoment 1200 Nm • automatisches Sechsgang-Schaltgetriebe • doppelte Dreieckquerlenker vorn und hinten • Reifen 255/35 R20 vorn, 285/30 R21 hinten • L/B/H 5123/2154/1370 mm • Tankinhalt100 l • Kofferraumvolumen 220 l vorn, 300 Liter hinten • Gewicht 1800 kg • Spitze über 300 km/h