Herr Tarquini, vor dem zweiten Wochenende des Tourenwagen-Weltcups in Budapest führen Sie als Oldie die Tabelle mit zwei Siegen an. Haben Sie das erwartet?
Gabriele Tarquini (56): Ja. Ich fahre einen Hyundai, und die Koreaner gehen sehr enthusiastisch an dieses Projekt heran. Sie wollen zeigen, dass sie keine Billigmarke sind. Das ist bisher gelungen.  
Es braucht aber auch einen flotten Fahrer.
Tarquini: Ob du alt und erfahren oder jung und draufgängerisch bist – schnell musst du sein. Das Alter ist egal.
Gianni Morbidelli (50): Was redest du hier eigentlich die ganze Zeit übers Alter? Hast du ein Problem damit (lacht)?  Das hier ist doch ein toller Tisch. Viel junges Talent. 
Tatsächlich seid ihr die Oldies im Starterfeld. Sie alle sind über 50 Jahre und Italiener. Zufall? 
Fabrizio Giovanardi (51): Ich wette, das liegt an Pizza und Pasta (lacht). 
Morbidelli: Kann nicht sein. Mein Geheimnis ist, eben keine Pizza und keine Pasta zu essen.
Tarquini: Doch ich schon! Aber die echte Frage muss doch lauten: Warum sind wir denn alle noch hier? Weil die junge italienische Generation fehlt.  
Woran liegt das? Weil Italien nur Ferrari unterstützt und die Fahrer egal sind? 
Tarquini
Gabriele Tarquini ist derzeit Zweiter in der WTCR
Tarquini:
Ja, das ist ein Problem. Vor allem versuchen aber die meisten in die Formel 1 zu kommen. Koste es, was es wolle. Aber das schaffen halt nur die wenigsten, und bis sie das realisieren, sind sie ausgelaugt und haben kein Geld mehr.   
Ihr seid aber auch alle Formel 1 gefahren. 
Giovanardi: Ich habe für Ferrari getestet, aber das war Anfang der 90er-Jahre, als 14 Italiener in der Formel 1 fuhren. Darunter die beiden Herren hier. Da war für mich kein Platz mehr. 
Tarquini: Das ist schon 25 Jahre her. Aber 25 Jahre sind in der Formel 1 wie 100 Jahre. Damals hatten wir noch eine Vorqualifikation. Ich halte den Rekord von 40 Nicht-Qualifikationen. Musste schon am Freitag wieder meine Fahrerlagerkarte abgeben – das war eine furchtbare Zeit. Aber ich bin stolz darauf, es in die Formel 1 geschafft zu haben.  
Morbidelli: Ich durfte ein Rennen für Ferrari fahren (1991, Australien, Platz 6) – die beste Erfahrung meines Lebens. Aber irgendwann realisierst du, dass der Motorsport mehr zu bieten hat als nur die Formel 1. 
Zum Beispiel die WTCR. Warum fahrt ihr hier und nicht zum Beispiel Langstreckenrennen, wo es viel mehr ältere Fahrer gibt?
Giovanardi: Mir hat der richtige Kampf Rad an Rad gegen diese Spinner hier gefehlt. Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt hier war. 
Tarquini: Das liegt bestimmt am Alter (lacht)! Ich finde einfach: Formel-Wagen sind die besten Autos zum Fahren, aber mit Tourenwagen gibt es das beste Racing.
Morbidelli: Mit Autos ist es wie mit Frauen: Die teilt man nicht ... Und ich finde es schön, dass Fabrizio und ich Alfa Romeo zurück in den Tourenwagensport bringen. Es ist eine alte Traditionsmarke, die hierhergehört.  
Giovanardi: Die ist sogar älter als wir ... (lacht). 
Schon wieder sind wir beim Alter. Wie lange glaubt ihr, könnt ihr noch konkurrenzfähig sein
Tarquini: Ich hab schon Fahrer gesehen, die waren mit 35 Jahren nicht mehr schnell. Es ist eine mentale Sache. Physisch sind Tourenwagenrennen nicht anstrengend. Aber klar, irgendwann wird der Moment kommen, wo es nicht mehr geht.
Morbidelli: So lange genießen wir es einfach, gegen Fahrer anzutreten, die unsere Enkel sein könnten.  

Von

Michael Zeitler