Frank Stippler (45) hat die 24 Stunden am Nürburgring 2019 gemeinsam mit Pierre Kaffer (43), Frédéric Vervisch (34) und Dries Vanthoor (22) gewonnen und greift auch 2020 wieder für -Audi an. Hier spricht der Vorjahressieger exklusiv über die Be-sonderheit des Nordschleifen-
Klassikers.
Herr Stippler, Sie haben letztes Jahr die 24 Stunden am Nürburgring gewonnen. Was ist schwieriger: die Nacht durchzufahren oder die zweite Nacht als Sieger durchzufeiern?
Frank Stippler: (lacht) Ehrlicherweise muss ich Ihnen diese Illusion nehmen. Es gibt schon die Hartgesottenen, die dann noch feiern. Aber die andere Hälfte ist doch eher platt, weil das Rennen mental sehr anstrengend ist. Da kannst du noch so feierfreudig sein, irgendwann ist einfach mal der Akku leer. Mindestens bis Mittwoch bist du dann auch gerädert vom Schlafmangel. Es gibt definitiv leichtere Rennen.
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Trotzdem ist so ein Sieg bestimmt ein Highlight in Ihrer Karriere, in der Sie ja auch schon den Porsche Supercup gewonnen haben und in der DTM fuhren.
Auf jeden Fall. Letztes Jahr war es sehr emotional, weil wir davor zuletzt 2012 gewonnen hatten. Zwischendurch waren wir immer wieder nah dran, aber es hat dann doch nie geklappt. Die 24h am Nürburgring und auch die in Spa zu gewinnen, war schon mein Traum, als ich als kleines Kind am Zaun stand.
„Dieses Rennen macht dich platt“
Frank Stippler
Bild: Audi
Vor allem weil der Nürburgring auch als spektakulärste und schwierigste Rennstrecke der Welt gilt. Was macht die Nordschleife so besonders?

Die Nordschleife ist in ihrer Gesamtheit so anspruchsvoll, dass es schwierig ist, eine Passage herauszunehmen. Ein aufregender Streckenabschnitt folgt dem nächsten ohne eine Pause. Selbst die Döttinger Höhe ist durch die ständigen Windschattenschlachten immer spannend. Natürlich ist die Länge speziell, gepaart mit dem Wetter. Es kann hier sehr gut sein, dass du auf Start-und-Ziel mit Slicks losfährst und in der Fuchsröhre dann Aquaplaning hast. Außerdem kannst du beim Anbremsen über den Scheitelpunkt bis zum Kurvenausgang vier verschiedene Asphaltbeläge haben. Die Nordschleife ist ein flüssiger Kurs. Das mag ich. Hier gibt es kaum Stop-and- go-Passagen wie auf den modernen Strecken. Wir kommen kaum aus dem vierten oder fünften Gang heraus, alles passiert also bei hohem Tempo. Dazu kommen die Bodenwellen. Nirgendwo sind die Autos öfter in der Luft als hier.
Wie fühlt sich das an?
Das Abheben der Autos spürt man kaum, ein sauberer „Absprung“ ist dennoch wichtig für eine möglichst harmonische Landung. Das ist zum einen gut auf der Stoppuhr und schont zum anderen das Material.
Es gab ja in den vergangenen Jahren Diskussionen darüber, ob die fast 600 PS starken GT3-Autos nicht schon zu schnell für die Nordschleife sind.
Ja, aber das hat sich beruhigt. Solange wir Rundenzeiten im Bereich von acht Minuten fahren, ist das vertretbar. Am Ende geht es auch gar nicht so sehr darum, wie schnell die Autos sind, sondern wie gut die schnellen Autos mit den langsamen auskommen.
Sie sprechen das Überrunden an. Es fahren viele Amateurfahrer mit. Wie viele brenzlige Momente gibt es da?
Das ist weniger geworden, weil durch die vielen Lizenzen, die man für einen Start braucht, ein Weg gefunden worden ist, um unerfahrene Hobbyfahrer außen vor zu lassen. Das war vor wenigen Jahren noch anders. Aber das macht auch immer noch den Reiz aus, dass die schnelleren mit den langsameren Autos auskommen müssen und umgekehrt. Der Sieg führt auch über die Aufgabe, dies am besten zu meistern.
Dieses Jahr ist das Rennen erst im September, und -daher ist es länger Nacht. Macht es das schwieriger?
Es gibt auf der Nordschleife zwar kein Licht von außen, aber du hast Zusatzleuchten. Beim Überrunden musst du noch mehr aufpassen als am Tag: Ein kleiner Rempler, der Teile der Lichtanlage zerstört, und du hast einen riesigen Nachteil. 
Bei vielen 24-Stunden-Rennen geht es darum, keine Fehler zu machen und erst am Ende Attacke zu fahren. Wie ist das am Ring?
Hier heißt es von Anfang an Feuer frei! Das liegt an der Länge der Strecke. Es gibt anders als in Spa oder Le Mans keine Safetycar-Phasen, die das Feld zusammenführen. Wenn du da sagst: „Na ja, mal schauen, wie die Nacht läuft, und dann geben wir am Morgen Gas“, kannst du das vergessen. Den Rückstand holst du nie mehr auf.
Seit 2003 hat immer ein deutscher Hersteller -gewonnen. Warum?
Weil sie am meisten Autos und Erfahrung haben. Ferrari ist auch schnell – aber ob ein Auto reicht gegen die ganzen Porsche, Audi, BMW und Mercedes? Für mich sind die deutschen Hersteller Favorit.

Von

Michael Zeitler