Vom Arbeitstier zum Rennpferd

Früher haben wir unsere Kombis höchstens vor den Pferdeanhänger gespannt. Heute sind viele dieser Arbeitstiere längst selbst Rennpferde. Das gilt ganz sicher für den 5er Touring. Ganz frisch will sich auch der neue A6 Avant, gerade zu Europas Auto1 gewählt, mit diesem Titel schmücken. Wie es sich für echte Zugpferde gehört, haben wir beide als Diesel gewählt.

Der A6 Avant 2.7 TDI muß zunächst keinen Respekt vor dem 5er haben. Er scharrt zu Recht schon kräftig mit den Hufen. Bis in die letzte Karosseriefalte ist er auf Tempo gestriegelt, bepackt mit TDI-Muskeln und von edler Abstammung aus Ingolstädter Gestüt. Diesen Newcomer lassen wir gegen den ebenfalls durchtrainierten BMW 525d Touring antreten.

Auf einer Auktion hätten die Züchter von BMW zunächst mehr zu erwarten. Denn für den praktischen 5er beginnt das Mindestgebot bei 41.050 Euro, der Audi ist schon ab 38.900 Euro zu haben. Dabei müßten Interessenten auf den A6 noch etwas drauflegen, um in der Ausstattung mit dem BMW gleichzuziehen. Konkret: Erst für 40.530 Euro hat auch der Audi Extras wie Reifendruck-Kontrolle, elektrische Sitzverstellung, Funktionstasten am Lederlenkrad oder einen Diesel-Partikelfilter an Bord. Schönheit hat eben ihren Preis, besonders wenn die Pracht-Tierchen so kräftig im Futter stehen.

Technische Daten und Testwerte

Mit 180 PS kommt der Audi in die Hufe, 177 PS sind es beim BMW. Soviel vorab: Auf der Bahn setzt der A6 seine drei PS nicht in Vorsprung um. 225 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichen beide, im Sprint galoppiert der schwächere 525d sogar voraus. Immerhin: Der Futterbedarf spricht mit 8,4 Litern (BMW 9,0) für Audi.

Getriebe- und Motoreigenschaften

Schwerer wiegen die Unterschiede im Charakter. Antraben im Audi ist nicht ganz einfach. Man muß den A6 sensibel mit leicht schleifender Kupplung locken, denn die rückt sehr spitz ein. Wer nachlässig antreibt, ruckelt los wie ein Reitschüler. Oder man erteilt die Kommandos weniger sensibel und schwingt die Drehzahl-Peitsche. Dann aber überfordern die bärigen 380 Nm Drehmoment den Frontantrieb, der A6 scharrt mit den Hufen.

Der BMW setzt sich würdevoller in Bewegung. Traktionsprobleme beim Antraben sind ihm so fremd wie Dithmarscher Kohl im Futtertrog eines arabischen Vollbluts. So galoppiert er dem A6 auf den ersten Metern freudig davon. Aber: Beim Wechsel in den zweiten Gang bockt der Fünfer etwas störrisch. Die sehr weich aufgehängte Antriebseinheit schwingt beim Schalten, das ist beim zügigen Einkuppeln als federndes Rucken spürbar. Besser würde beiden eine Automatik passen, aber die gibt es im Audi nur mit dem quattro-Antrieb (ab Juni).

Viel mehr Klasse beweist der BMW, wenn er erst einmal munter in Fahrt gekommen ist. Der Motor dreht willig hoch und macht schon bei niedrigen Touren ordentlich Druck. Ab Autobahn-Tempo ist vom Sechszylinder nichts mehr zu hören, die ebenfalls nicht lauten Wind- und Rollgeräusche übernehmen jetzt die Führung. Das gilt auch für den mechanischer klingenden Audi-TDI. Er läuft subjektiv sogar ein wenig leiser, ist nur beim Blick auf die Meßwerte lauter.

Jetzt im Winter fallen sogar Steinchen auf, die in den hinteren Radhäusern prasseln – und so gar nicht zum Geräuschniveau des Audi passen. So etwas ist dem 5er fremd. Weniger optimal dagegen: der breite Getriebetunnel im 525. Hier müssen große Jockeys den rechten Unterschenkel nach innen drehen, um gut zu sitzen – und das ermüdet auf Dauer.

Innenraum-Gestaltung und Bedienung

Erstklassige Arbeit bei der Innenraum-Gestaltung erledigten die Audi-Entwickler. Die Ingolstädter haben im Detail mehr Liebe investiert als die Münchener. Klar, der 5er ist ebenfalls hochwertig verarbeitet, alles faßt sich nett an, sieht ordentlich aus. Aber der Audi wirkt in allen Ecken wie ein sündhaft teures, modernes Möbelstück. Haargenau eingepaßte – man muß fast sagen eingepreßte – Metall-Rahmen um die Holzeinlagen, elegant montierte Luftdüsen in den Türverkleidungen wirken erstklassig. Dazu ein MMI-Bedienknopf, der so herrlich mechanisch einrastet wie ein Tresor-Zahlenschloß.

Dagegen dreht sich der synthetisch wirkende iDrive-Knubbel des 5ers wie ein Kinderspielzeug. Überhaupt, wir wissen es, die Bedienung über diesen Zentral-Schalter ist nicht optimal gelöst. Ein Beispiel: Um die Luftverteilung vom Kopf auf den Fußraum zu lenken sind mehrere Schritte nötig. Zuerst Menü-Tastedrücken, iDrive nach links schieben, drehen, jetzt draufdrücken, noch zweimal nach unten schieben, erneut drehen. Ächz. Jetzt haben wir zwar endlich warme Füße, sind aber vom Verkehr abgelenkt – und fast auf der Gegenfahrbahn gelandet. Bei Audi klappt das viel schneller und weniger umständlich.

Beim Griff in die Zügel beweisen unsere Galopper ebenfalls unterschiedlichen Charakter. Direkter und mit höherem Kraftaufwand belegt zeigt sich die BMW-Lenkung. Zackig, aber auch angenehm leichtgängig reagiert der Audi auf Befehle zur Richtungsänderung.

Fahrkomfort und Kofferaumvolumen

Gute Beurteilungen verdienen aber beide, zumal sich A6 und 5er trotz hohen Wagengewichts fügsam dirigieren lassen. Sowohl Audi als auch BMW interessiert es dabei wenig, ob sie rauhes Geläuf oder glatte Ebene unter die Räder bekommen. Der Fahrkomfort ist gut, mit Vorteilen für den A6, der aber auch mit Luftfederung (1900 Euro) zum Test antrabte. Für hohe Fahrstabilität und vorbildliche Bremsen verdienen beide gute Noten, der BMW setzt sich durch seinen souveränen Heckantrieb und einen Tick bissigere Bremsen etwas ab.

Auch wenn die schicken Traber fast zu schade sind, um schnöde Fracht zu schleppen – natürlich gucken wir ihnen noch in die Packtaschen. Mit Klapp-, Halte-, Gurt- und Fachsystemen (jeweils Aufpreis) lassen sich beide Frachtabteile luxuriös aufpeppen. Die 500 Liter Ladevolumen des BMW gehen noch in Ordnung, der Audi faßt eine Ladung Hafer mehr. Rücksitzlehnen, die sich nicht einmal vollends flach legen lassen, sind dagegen selbst für diese dynamischen Laster eher lausig.

Standesgemäßer wirken dagegen elektrisch betätigte Heckklappen. Gegen Aufpreis öffnen und schließen die Luken leise surrend auf Knopfdruck. Das gibt zwar keine Wertungspunkte. Aber es paßt so schön zu dieser rassigen Kombi-Zucht.

Kosten und Ausstattungen

Kostenvorteil für Audi: Der Grundpreis ist geringer, und die einzelnen Ausstattungsdetails kosten geringfügig weniger. Ein wichtiges Serien-Detail fehlt dem A6 jedoch: der Diesel-Partikelfilter.

Fazit und Wertung

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Jan Horn Die Ingolstädter haben saubere Arbeit geleistet. Die Verbindung aus dem sparsamen V6-TDI, der kundenfreundlichen Preispolitik und einer erstklassigen Innenraumanmutung macht aus dem stattlichen Audi den verdienten Sieger. Spurtstärker, durch den souveränen Heckantrieb dynamischer und wendiger trabt der BMW an. Doch vor allem wegen des höheren Grundpreises (es gibt ihn eben nicht billiger) und weil er keine echte Garantie bietet, fährt der Touring hinter dem Avant ins Ziel.