Ungleiches Motopark-Duell

Oschersleben, 15. Juli 2003. Die wenigen Kaffeetrinker, die sich an diesem heißen Juli-Nachmittag auf die Terrasse des Motopark-Hotels verirrt haben, werden Zeugen eines ungleichen Duells. Hin und wieder verdrehen sie interessiert die Köpfe. Dann nämlich, wenn ein heiß gemachter 3er compact ziemlich flott am Ende der Zielgeraden auftaucht: ein kurzes Nicken am Bremspunkt, danach wieder mit Vollgas durch den anschließenden Linksknick. Dann geht's in die Hotelkurve: Richtungswechsel nach rechts, schlagartig kommt der BMW mit dem Heck, umrundet die lange Rechts in einem sauberen 20-Grad-Winkel zur eigentlichen Fahrtrichtung und ballert in Richtung Hasseröder-U davon. Die Kuchenesser nicken anerkennend. Genau das wollen sie sehen. So haben sie sich das an einer Rennstrecke vorgestellt.

Dem Golf dagegen, der ebenso oft vorbeikommt, schenken sie keine Beachtung. Warum auch? Wie auf Schienen schnurrt der kompakte Wolfsburger vorbei, ohne akustisch oder optisch einen irgendwie herausragenden Eindruck zu hinterlassen. Kein Drift, kein Sound, kein Spektakel. Ein Golf ist ein Golf, unauffällig eben.

Um ganz ehrlich zu sein: Das haben wir auch gedacht. Und wollten den Schnitzer ACS3 eigentlich mit einem ganz anderen Golf vergleichen: gebaut von SLS in Hofgeismar, angetrieben von 330 Kompressor-PS. Doch der große böse Golf meldete sich kurzfristig ab – Motorschaden, Vergleich geplatzt. Dachten wir. Doch wie das Schicksal so spielt: Am selben Tag kommt ein brandaktuelles Test-Angebot von Volkswagen. Ein serienmäßiger R32 mit dem neuen Direktschaltgetriebe DSG steht für uns bereit. Nicht so stark wie der Schnitzer-Dreier. Aber immerhin das heißeste Eisen aus Wolfsburg.

Rennwagen-Feeling im Dreier

Damit steht das Duell: 295 AC Schnitzer-Pferde, produziert von einem mit mehr Hub und mehr Druck versehenen 325i-Motor, gegen 241 serienmäßige Niedersachsen-Rösser. Und der Ungleichheiten gibt es noch mehr: Schaltgetriebe gegen DSG, fünf Gänge gegen sechs, gelochte Scheiben gegen schlicht innenbelüftete, Hinterradantrieb gegen Allrad-Traktion. Äpfel gegen Birnen? Vielleicht. Aber keineswegs ohne Reiz.

Schon beim Beschleunigen in der Boxengasse scheiden sich die Geister: Im Dreier fühlt man sich fast schon wie in einem Rennwagen. Dumpfes Blubbern dringt aus dem Motorraum, das metallische Singen des Kompressors gesellt sich dazu, hart rollen die 19-Zöller ab – und noch härter schaltet sich das Getriebe.

"Short Shift" steht in winzigen Buchstaben verschämt auf dem Schaltknauf – und bestätigt, was man ohnehin schon fühlt: Im Interesse schnellerer Gangwechsel haben die AC-Schnitzer-Mannen Schalthebel und -brücke verkürzt, was sich unter dem Strich nicht unbedingt positiv auswirkt: Hoher Kraftaufwand und eine BMW-untypische Hakelei sind weder dem Schaltvergnügen noch zügigen Gangwechseln dienlich. Allerdings handelte es sich hier um eine Einzelanfertigung. Die normalerweise in Verbindung mit dem 330i verkaufte Short-Shift-Variante ist laut Schnitzer-Techniker Frank Richter "so gut, dass die Kunden sie immer wieder haben wollen".

Schaltrucke? Fehlanzeige beim R32

Ganz anders gibt sich da der Golf. Abgesehen von der röhrenden Tonlage des Sechszylinders deutet beim Anrollen noch nichts auf seine spezielle Potenz hin. Was ihn aber im Cockpit von den bislang bekannten Exemplaren seiner Gattung unterscheidet, sind drei Kleinigkeiten: die beiden Schaltpaddel hinter dem Lenkrad und die Stellung "S" in der Automatik-Schaltgasse – eine Kombination, die es in sich hat.

Denn dahinter verbirgt sich ein Sechsstufenautomatikgetriebe, das ohne Zeit und Kraft raubenden Drehmomentwandler auskommt und die Gänge ohne Unterbrechung der Zugkraft wechselt. Was man anfangs kaum glauben kann: Schaltvorgänge lassen sich nur akustisch (an der schlagartig wechselnden Drehzahl) oder visuell (am Drehzahlmesser) ausmachen, Schaltrucke sind noch nicht einmal ansatzweise zu spüren.

Mit anderen Worten: Krasser könnten die Kontraste kaum sein. Und nach ein paar Runden zum Aufwärmen treten sie noch stärker zutage: Der BMW repräsentiert einen Renner reinsten Wassers, bei dem das Fahren am Limit einem Ritt auf der Rasierklinge gleichkommt. Die brachiale Beschleunigung nötigt dem Chauffeur ebenso viel Respekt ab wie die bei hektischen Manövern zum Verhärten neigende Lenkung oder das kitzlige Verhalten in Wechselkurven, wo der vermeintliche Untersteurer schlagartig zur Heckschleuder mutiert. In Oschersleben mit dem Schnitzer schnell zu fahren setzt gewisse Fertigkeiten des Piloten voraus – und harte Arbeit ist es obendrein.

Auf Kaffeefahrt mit dem Super-Golf

Im Vergleich dazu kommt man sich im R32 vor wie auf einer Kaffeefahrt: Zur Not lässt sich der Golf – obwohl er sogar 40 Kilo schwerer ist als der BMW – auch mit zwei Fingern schnell fahren. Der variable Allradantrieb wirft weder Traktions- noch Handlingprobleme auf – und das deutlich komfortablere Fahrwerk nimmt auch schnellen Runden die letzte Härte. Vor allem aber trägt das Direktschaltgetriebe zu bislang unbekanntem Komfort bei, denn der permanente Vortrieb per Fingerschnipp erleichtert beim Fahren am Limit die Konzentration auf das Wesentliche doch ganz erheblich.

Das Resultat: Wer nach zehn schnellen Runden aus dem BMW steigt, sieht auch dementsprechend aus. Glücklich zwar, aber je nach Kondition auch mehr oder weniger geschafft. Der Golf-Fahrer dagegen erinnert nach der gleichen Distanz an Schumi nach einem Grand Prix: frisch und trocken, keine Spur von Stress oder Ermüdung.

Allerdings stellt sich Enttäuschung angesichts der schnellsten Rundenzeit ein, die um mehr als drei Sekunden langsamer ausfällt als die des Schnitzer. Was allerdings zumindest teilweise auf dem Umstand beruhen dürfte, dass unser Testwagen nicht sonderlich gut im Futter stand. Immerhin spurtete der erste von uns getestete R32 mit normalem Schaltgetriebe in 6,1 Sekunden von null auf 100 km/h. Unser DSG-Exemplar, das theoretisch schneller sein müsste, brauchte dagegen fast eine Sekunde mehr und verfehlte sogar die Werksangabe von 6,4 Sekunden um glatte fünf Zehntel.

BMW mit staubtrockenem Fahrwerk

Doch im Alltag geht es nicht um Rundenzeiten und Zehntelsekunden, sondern um Fahrspaß, Komfort und häufig auch um das Verhältnis von Preis zu Leistung. Und spätestens da schlägt der Golf den BMW bei objektiver Betrachtung um Längen: Ein anderes Auto in der 35.000-Euro-Klasse, das sich so schnell und dabei so spielerisch fahren lässt, muss man lange suchen – und wird es vermutlich nicht finden. Schließlich spielen auch die laufenden Kosten eine Rolle: Über den um anderthalb Liter geringeren Verbrauch des Golf mag man angesichts des Kaufpreises lächeln, unter dem Strich summiert es sich trotzdem.

Rein subjektiv dagegen hat natürlich auch der BMW seine Reize. Einen perfekt gemachten Motor, ein staubtrockenes Fahrwerk, hoher Aufwand in jeder Beziehung. Und der will natürlich auch bezahlt werden – in diesem Fall mit runden 70.000 Euro.

Womit bewiesen wäre, dass mehr (Leistung, Aufwand, Härte) tatsächlich auch weniger (Fahrspaß, Komfort, Restguthaben) sein kann. Anders formuliert: Der AC Schnitzer ACS3 ist ein aufwändig gemachtes Auto für den Sportfreak. Der Golf ist selbst als R32 mit DSG die erste Wahl für Vernünftige. Man muss allerdings damit leben, dass sich die Leute nicht nach einem umdrehen.

Technische Daten und Testwerte

In allen Sprintkategorien hat der AC Schnitzer-BMW die Nase vorn. Aber auch beim Verbrauch.

Fazit, Ausstattungen und Preise

Fazit AC Schnitzer ACS3 Außen compact, innen vom Feinsten – so ließe sich dieser Dreier treffend beschreiben. Harmonisch integrierte Anbauteile, Leistung und Drehmoment satt, ein kompromisslos sportliches Fahrwerk und die hochwertige Innenausstattung belegen, dass der Aachener Tuner zu Recht als einer der Besten seiner Zunft gilt. Nur die giftigen Reaktionen im Grenzbereich und der exorbitant hohe Preis trüben den Gesamteindruck. Ein Auto für Kenner – und Könner.

Fazit VW Golf R32 DSG Wenn der Begriff vom Golf im Schafspelz überhaupt passt, dann hier. Die Kombination von vergleichsweise harmloser Optik, strammer Leistung, problemloser Bedienung, erstaunlichem Komfort und dem derzeit konkurrenzlosen DSG-Getriebe ergibt ein interessantes Paket mit attraktivem Preis. Wobei wir hoffen, dass die Kundenfahrzeuge künftig auch die Werksangaben erreichen ...

Wie gefällt Ihnen der VW Golf R32 DSG?

Spätestens beim Design von neuen Autos scheiden sich bekanntlich die Geister. Ob ein Auto letztendlich ankommt, das wissen nur die Verbraucher selbst – also Sie. Deshalb ist uns Ihre Meinung wichtig: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, und vergeben Sie eigene Noten für den oder die Test-Teilnehmer. Den Zwischenstand sehen Sie direkt nach Abgabe Ihrer Bewertung.