Wieder ein Handschalter weniger! Alfa Romeo bietet die 510 PS starke Giulia Quadrifoglio nicht mehr in der handgeschalteten Version an. Grund: die geringe Nachfrage. Gerade einmal fünf Prozent der Kunden sollen sich für das Sechsganggetriebe entschieden haben. Zu wenige, um die kostspielige Option weiter im Programm zu halten. AUTO BILD nimmt Abschied und dreht eine Runde mit der handgeschalteten 510-PS-Giulia!

510 PS, sechs Gänge, drei Pedale

Abschiedfahrt mit der handgerissenen Top-Giulia
Keine Frage: Die Proportionen stimmen, optisch erfüllt die Giulia voll und ganz die Erwartungen.
Einsteigen, Kupplung treten, roten Start-Knopf am Lenkrad drücken. So gehört sich das für eine fast schon supersportliche Limousine – wir reden hier schließlich von einem 510 PS starken Mittelklasse-Fahrzeug, soviel Leistung hatten vor einigen Jahren noch absolute Top-Sportler wie der Porsche 997 Turbo. Vor der Abfahrt noch eine Gedenksekunde und ein Blick durchs Cockpit. Die Sitzposition ist angenehm tief, obwohl die optionalen Schalensitze leider nicht verbaut sind. Die Ergonomie ist ohne Makel. Erster Gang, Kupplung kommen lassen – Abfahrt! Die Bedienbarkeit des Handschalters: hervorragend. Das Kupplungspedal angenehm straff, ohne dass man dicke Waden braucht. Der Schaltknauf schmeichelt der rechten Hand und die Wege durch die sechs Gassen sind angenehm kurz und gut definiert. So wollen Handschalter-Fans das – genau so!

Emotion statt Vernunft

Abschiedfahrt mit der handgerissenen Top-Giulia
Das gibt es in Zukunft nicht mehr. Zu wenige Kunden haben der Handschaltung den Vorzug gegeben.
Beim Fahren geht es mir immer wieder durch den Kopf: Warum begeistern sich so wenige Giulia-Käufer für die Quadrifolgio mit drei Pedalen? Wahrscheinlich ist es die liebe Bequemlichkeit, denn, ja, im Stau ist eine Automatik natürlich komfortabler und auch auf der Rundstrecke kann man die volle Performance (auch die eigene) leichter abrufen, wenn das Gehirn sich nicht zusätzlich noch mit der zusätzlichen Koordination von Armen und Beinen beschäftigen muss. Aber: Die Verbindung zwischen Auto und Fahrer könnte nicht inniger sein als in einem sportlich ausgelegten Handschalter. Den Antriebsstrang mit dem linken Fuß vom Motor zu entkoppeln, die Zahnräder des Getriebes mechanisch auf die nächste Welle hieven – diesen automobilen Genuss bietet nur die handgerissene Version. Und der passt zur hemdsärmeligen Giulia wie zu keinem anderen Auto dieser Klasse. Denn die Giulia Quadrifoglio ist nun mal unvernünftig und emotionsgeladen. Diese Eigenschaft bräuchten eigentlich viel mehr Autos.

Kleine Schwächen sind in der Giulia Nebensache

Abschiedfahrt mit der handgerissenen Top-Giulia
Eine Fahrmaschine auf Augenhöhe mit M3 und C 63 – die Giulia Quadrifoglio ist fahrdynamisch erstklassig.
Zweiter Gang, Race-Mode (Warnlampe zeigt drohend: ESC OFF) – Vollgas am Ortsausgang. Ab 3000 darf der von Ferrari mitentwickelte Biturbo-V6 seine Herkunft so richtig feiern: Dann trompetet die Giulia, dass sich die Daumen rechts und links der Straße nach oben recken, die Köpfe sich drehen. Und der Motor schiebt den knapp 1,7-Tonnen-Alfa ab 2500 Touren mit 600 Nm rasant – beinahe wollüstig – nach vorne. Die Giulia giert nach Kurven, liegt gut ausbalanciert auf den von uns befahrenen britischen B-Straßen, wo das Fahrwerk mächtig Nehmerqualitäten zeigen muss. Fahrerisch ist die Giulia eine Wucht. Und gerade, weil wir nicht auf der abgesperrten Rennstrecke unterwegs sind, passt das genussvolle, manuelle Schalten so gut zu ihr. Kurven, die stramm ausgeführten Gangwechsel, der Fanfarensound aus den vier Endrohren, der Grip der Pirelli P Zero Corsa-Reifen und die rückmeldungsreiche Lenkung verschmelzen zu einer Fahr-Symphonie. Dabei verzeiht man der Giulia kleinere Schwächen, schaut wohlwollend darüber hinweg, dass das Navigationssystem eher frickelig ist, die Rückfahrkamera nur einen Bruchteil des zur Verfügung stehenden Monitors nutzt. Nebensachen. Hier geht es nicht um Vernunft, um Effizienz, um Wiederverkaufswert. Hier geht es ums reine Fahren und den damit verbundenen Spaß – und der wurde vom manuellen Getriebe in der Giulia Quadrifoglio nochmal verstärkt. Herrlich unvernünftig und jetzt – leider – Geschichte.