Es gibt Alfa-Fans, die legen den Scudetto ihres Lieblings als Schmuckstück ins Regal. Für den neuen Stelvio bräuchten sie größere Möbel, denn so riesig war die dreieckige Nase noch nie an modernen Alfa. Im vollen DIN-A3-Format, satte 42 Zentimeter hoch, steht das markante Wappen im Gesicht des SUV. Latent protzig, doch zweifellos ist der Maxi-Schlund ein Hingucker, ein Statussymbol und vor allem die optische Kampfansage an die noblen deutschen Hochsitze. Hier kommt Alfa, Forza! "Unsere Messlatte", so Projektleiter Fabio di Muro, "war der Q5." Okay, den nehmen wir auch, zumal der Audi den letzten SUV-Vergleich mit seinem Mix aus teutonischer Präzision und kühler Moderne gewonnen hat. Nach dem Check mit dem Klassenbesten wissen wir, wo der Stelvio steht.

Das Design wirkt wie ein Zugeständnis an den Massengeschmack

Alfa Stelvio
Man wünscht ihn sich extrovertierter: Bis auf den Scudetto gibt sich der Alfa optisch zurückhaltend.
Zunächst mal passt er von seinen Abmessungen bestens in die Klasse, beim Design dürfte der Alfa gern extravaganter ausfallen. Zwar wagt der Scudetto wieder die große Geste, doch dahinter wirken Schultern und Schlussleuchten auf den ersten Blick arg beliebig – wie bei der Giulia ein Zugeständnis an den Käufergeschmack in den USA und China, wo der Stelvio unbedingt ankommen muss. Schade, denn Vorsicht statt Wagemut zeichnete ja schon bei Audis Q5 die Linien. Umso erfreulicher, dass der Stelvio im Umgang nicht länger die rosarote Italo-Brille verlangt. Der SUV ist hinten sogar etwas geräumiger als der Audi und im Kofferraum dank der niedrigeren Ladekante praktischer. Wie bitte? Ein Alfa als Alltagsheld? Zugegeben, mit leichten Abstrichen, weil die schmalen Sportsitze nicht jeder Figur passen und die coupéhaften Dachsäulen beim Rückwärtseinparken den Blick schnell aufs Bild der Heckkamera lenken.
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In Sachen Bedienung und Assistenten liegt der Alfa hinten

Alfa Stelvio
Licht und Schatten: An sich ist das Cockpit hübsch gemacht, das Infotainment aber wirkt von gestern.
Sobald die Finger am Rotary Pad spielen (so nennt der Italiener den breiten Zentralregler), fällt der Rückstand zum Audi ins Auge: kleines Display, keine Festtasten, kein "Zurück"-Knopf – "wir brauchen dringend moderneres Infotainment", gesteht Fabrio di Muro schon jetzt. Bei der Gelegenheit könnte der Projektleiter auch gleich Verkehrsschilderkennung oder Echtzeit-Navi nachrüsten, alles Dinge, die Audi in bester Manier vorführt. Alfas Ausrede, eine "reine Fahrmaschine" zu bauen, zieht bei der Giulia, nicht im entspannteren Stelvio. Wollen die Chinesen nicht auch online gehen? Dann kommt der Alfa-Moment: Wir drücken den Startknopf im Lenkrad! Der 2,0-Liter-Benziner erwacht mit leichtem Knurren, lässt aber ansonsten die Stimme vermissen. Schnell am DNA-Regler auf D wie "Dinamica" stellen und nachwürzen – doch ein Alfa-Röhren, -Brüllen oder -Spotzen, wie manche Nostalgiker es erwarten, will dem gezähmten Vierzylinder partout nicht entweichen.
Es muss ja nicht gleich das halbweltliche Gebrüll eines Maserati oder Jaguar F-Type sein, aber darf das selbsternannte Sport-SUV unbedingt einem braven Sängerknaben wie dem Q5 nacheifern? Dessen TFSI säuselt und summt selbst dann noch leise, wenn er auf dem Drehzahlmesser Richtung 6700er-Marke brennt, wo der rote Bereich beginnt. Ein schöner Komfortmotor, der mit vorbildlicher Laufruhe die Stille in diesem supersoliden Hochsitz unterstreicht. Im Q5 hörst du sogar dann noch das Klicken des MMI-Knopfes, wenn er mit Tempo 200 über die Autobahn wischt.

Das Fahrwerk des Q5 gefällt mit seiner Spreizung

Audi Q5
Tendenziell ein Gleiter: In Stellung "Comfort" macht die Luftfederung den Q5 zur Sänfte.
Da rauscht im Stelvio längst der Fahrtwind um die Außenspiegel – und auch der Sängerknabe da vorn hat einen Sturm entfacht! Denn der Turbo macht dem Alfa so gehörig Beine, dass niemand klagen wird, der rote Bereich beginne schon bei 5700 Touren. 5700! Das soll ein Alfa sein? Ist er! Denn bis 160 km/h nimmt der (zugegeben um 28 PS stärkere) Italiener dem Audi fast zwei Sekunden ab. Noch mehr begeistert, wie der Antrieb aus jeder Lage hellwach loslegt, mit einer stets sprungbereiten Achtstufenautomatik, die bei jedem Gaspedalzucken den Rücken in die Lehne presst. Wer möchte, tobt mit riesigen Schaltpaddeln hinterm Lenkrad seine sportlichen Minuten aus. Der Q5 ist nicht nur gelassener, sondern auch 115 Kilo schwerer und steifer als der Alfa, dessen leichte Aluhaut (Türen, Haube, Kotflügel) spürbar stärker lebt. Audis vielfach verstellbare Sportsitze pflanzen ausnahmslos jede Figur passend hinters Lenkrad, die Luftfederung bringt in "Comfort" ein weiches, wolkiges Schwingen ins Auto, das der Alfa mit dem soliden Stahlfahrwerk nicht hinbekommt.

Der Stelvio bemüht sich zu sehr um Sportlichkeit

Alfa Stelvio
Zu spitz: Die seht direkt ausgelegte Lenkung macht den Alfa nervös – sie passt nicht zum hohen SUV.
Größter Vorteil: In Sport fährt der Q5 mit seinem breiten Verstellbereich die Krallen aus – was man der Lenkung auch wünschen möchte. Doch die bleibt immer im Schluffi-Modus hängen, viel zu leichtgängig und nichtssagend für echte Sportmomente. Dabei könnte der vielseitige Audi durchaus ein paar rassige Züge vertragen. Warum sollen wir darauf bis zum Sportmodell RS Q5 warten? Es muss ja nicht gleich die spitze Lenkung des Alfa sein, der mit seiner Übersetzung von 12:1 unbedingt das direkteste SUV dieser Klasse markieren will. Ein Augenzwinkern – und er biegt schon ab! Für ein SUV mit hohem Schwerpunkt und zwangsläufig behäbigeren Aufbaubewegungen lenkt der Stelvio zu aufgeregt. Nur gut, dass sein Fahrwerk und die breiten 20-Zoll-Räder die Fuhre im Zaum halten, doch völlig bedenkenlos scheinen nicht mal die Entwickler um Fabio di Muro der Sache zu trauen: Das ESP greift sehr früh und mit groben Regelschritten ein, lässt sich zudem nicht stufenweise abschalten wie beim Audi.
Weitere Details zu den beiden SUVs finden Sie in der Bildergalerie.

Fazit

von

Joachim Staat
Nein, auch dieser Alfa ist nicht rundum gut und geschliffen – und liegt damit voll in der Marken-Tradition. Aber der erste SUV überrascht mit praktischen Talenten, erfolgreichem Leichtbau und seinem tollen Antrieb. Genug, um die Flamme der Faszination zu nähren, die im Alfa noch immer zündelt. Der Stelvio ist kein Trittbrettfahrer der SUV-Mode, sondern Italiens Alternative. Was er nicht hat, besitzt der Audi: das ausgewogene Spiel aller Komponenten, die Rundum-Reife.

Von

Joachim Staat