Alle Jahre wieder ist Weihnachten. Alle Jahre wieder gibt es Gerüchte über einen Einstieg von Audi in die Formel 1, die sofort von irgendwelchen Konzernsprechen dementiert werden. So wie es vor wenigen Tagen geschehen ist. Doch diesmal ist es anders. Aus vielen Gründen. Dazu muss man wissen: Die Formel-1-Idee wurde vor drei Jahren von VW-Chef Martin Winterkorn zur geheimen Chefsache erklärt. Nur ganz wenige Mitarbeiter wurden in das Projekt mit dem Decknamen „Auto Union“ involviert. Pressesprecher waren nicht dabei. Der Mann, der von Winterkorn zum Leiter der Zukunftsvision auserkoren wurde, ist Audi-Vorstandschef Rupert Stadler. Seitdem ist einiges passiert, was den Audi-Mann dazu veranlasst haben, das Projekt „Auto Union“ in die Tat umzusetzen.
DTM
In der DTM ist Audi genauso erfolgreich unterwegs...
Erstens:
Audi kann in Le Mans nur noch verlieren. Nach 13 Siegen bei 16 Teilnahmen ist der Siegeslack verblasst, der Lorbeer verwelkt. Das legendäre 24 Stunden-Rennen bringt Audi imagemäßig nicht mehr weiter. Jahrelang hieß es zudem, Audi hätte aus Mangel an konkurrenzfähigen Gegnern beim Rennen in der Sarthe „nur Kinder verprügelt“. Die Kinder, um im Bild zu bleiben, sind jetzt aber erwachsen geworden und schlagen zurück. Besonders Toyota scheint Audi in der Sportwagen-WM (WEC) überlegen zu sein. Das haben die Japaner beim letzten Rennen in Fuji eindrucksvoll bewiesen.
Dazu kommt: Mit Porsche ist seit einem Jahr eine andere Marke des VW-Konzerns ins Le-Mans-Projekt involviert. Porsche ist mit 16 Siegen immer noch Rekordsieger in Le Mans und will diese Tradition jetzt fortsetzen. Die 150 Millionen Euro, die der Le-Mans-Einsatz mindestens kostet, will Audi jetzt anders einsetzen. Mit Recht, denn für das gleiche Geld kann man heute locker und erfolgreich Formel 1 betreiben. Behauptet jedenfalls Mercedes.
Le Mans
... wie auf der Langstrecke in Le Mans und der Sportwagen-WM
Zweitens:
Durch die Erfolge von Mercedes in der Formel 1 wurde Audi gereizt. Mercedes verstand es großartig, die Siege von heute mit der Tradition von früher zu verbinden. Der Begriff „Silberpfeil“ ist wieder in aller Munde. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Dabei hat Audi die gleiche Tradition. Auch die Auto-Union-Werksrennwagen vor dem zweiten Weltkrieg waren silber. Fahrer von damals wie Bernd Rosemeyer werden auch heute noch in Deutschland als Helden verehrt. Und, nicht unbedeutend für Konzernentscheidungen: Die Formel-1-Erfolge von Mercedes in diesem Jahr brachten mehr Image und Öffentlichkeit als die 13 Le-Mans-Siege von Audi zusammen.
Wie geht Audi jetzt das Projekt an? Der erste Schritt ist schon getan. Mit der Verpflichtung von Ex-Ferrari-Rennleiter Stefano Domenicali haben die Ingolstädter einen Mann an Bord, der alles vereinigt, was ein zukünftiger Audi-F1-Manager braucht: Kompetenz, Erfahrung, und vor allen Dingen politisches Gespür in der vergifteten Schlangengrube der Formel 1, die immer noch von den kleinen „Diktatoren“ beherrscht wird: Chefvermarkter Bernie Ecclestone und FIA-Präsident Jean Todt. Die Jobbeschreibung, die Audi in der Öffentlichkeit für Domenicali ausgibt, kann man getrost als kollektive Verarschung bezeichnen. Warum soll sich Stadler einen italienischen F1-Insider zum Projektleiter „Dienstleistung und Mobilität“ ins Haus holen? Davon hat der Konzern genügend gestandene Fachleute oder talentierte Nachwuchskräfte, denen man locker eine solche Aufgabe anvertrauen kann.
Domenicali
Wird Stefano Domenicali Audis neuer starker Mann für die Formel 1?

Domenicalis Verpflichtung kann nur einen Sinn machen:
Den Konzern kompetent in die Formel 1 führen. Die Zeit dafür wäre nicht besser. Die Formel 1 liegt gerade am Boden. Mit Caterham und Marussia haben zwei Teams ihren Rückzug erklärt. Auch andere Mannschaften wie Force India oder Sauber sind finanziell zumindest in der Schieflage. Ein Audi (VW)-Einstieg brächte in der Öffentlichkeit viel des verlorengegangenen Kredits zurück. Konsequenz: Audi würde von allen Beteiligten mit offenen Armen empfangen. Mit allen Begleiterscheinungen, das heißt: Man würde Audi bei bestimmten Bedingungen wie Vermarktungsrechten oder politischem Einfluss entgegenkommen.
Nur zwei Teams kommen beim Einstieg in Frage: Sauber oder Red Bull mit seiner Nachwuchstruppe Toro Rosso. Beides würde passen. Beide haben eine großartige Plattform mit High-Tech-Fabriken und Fachpersonal. Und, ebenso wichtig: Beide sind nicht gut genug und können damit dem Image vorbeugen, Audi würde sich in ein gemachtes Bett legen. Was ja Mercedes immer noch anhängt, nachdem sich der Konzern aus Stuttgart 2009 das amtierende Weltmeisterteam von Ross Brawn einverleibt hatte. Fazit: Der Einstieg 2016 wäre vielleicht zu früh, 2017 aber durchaus realistisch.

Von

Ralf Bach