Besonders viel hat er nicht zu tun. Genau genommen tut er im Moment rein gar nichts. Hier im Stadtverkehr, in dem sich der BMW M550d xDrive von Ampel zu Ampel robbt. Die Beschleunigungsphasen sind kurz, das Drehzahlniveau niedrig, die Elektronik schottet ihn rigoros vom hitzigen Treiben ab. Der dritte Lader im neuen Performance-Diesel verweilt als Beobachter. Zur Tatenlosigkeit verdammt, bleibt ihm nur der Blick zum Hauptabgasstrang, wo seine beiden Kollegen sitzen und munter rotieren. Das Prozedere ist dabei stets gleich: Knapp über Leerlauf marschiert eine kleine VTG-Turbine los, ab 1500/min setzt sich auch der größere, nachgeschaltete Wastegate-Lader in Bewegung. Gemeinsam bringt es das Duo auf 740 Nm ab 2000/min. Das sind 90 mehr, als Audi aus seinem 3.0 BiTDI presst, und gefühlt in etwa das Zehnfache dessen, was es bräuchte, um den M550d geschmeidig in Bewegung zu wuchten.

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 5er

BMW M550d
Das soll noch ein Selbstzünder sein? Der BMW M550d fühlt sich schon sehr stark nach Benziner an.
Wofür also nun der dritte Verdichter, wenn bereits das in Reihe geschaltete Duo für solch monumentale Kraftreserven gut ist? Antwort: Um dem Diesel das Drehen beizubringen. Am Ortsausgang wird klar, was damit gemeint ist. Bei 2700/min öffnet der Bypass, unser Statist nimmt endlich an Fahrt auf. Die VTG-Allianz schaltet sich parallel und bläst dem großen Verdichter nun mit doppeltem Rückenwind in die Leitschaufeln. Ab 3000 Touren wird der Übergang auch im Cockpit spürbar. Dort, wo andere Selbstzünder so langsam das Drehzahl-Phlegma ereilt, zündet das BMW-Triebwerk seine zweite Vortriebsstufe. Ansatzlos fliegt die Nadel über die Drehzahlskala, schnalzt bei 4000/min locker an der Nenndrehzahl des Reihensechsers vorbei, marschiert spielerisch auf 5000 und würde wahrscheinlich noch einige Touren höher kraxeln, wenn ihm der Begrenzer nicht bei 5400/min endlich den Hahn zudrehen würde. Das soll noch ein Selbstzünder sein? Oh ja! Und was für einer! Der Triturbo von BMW ist allerdings nicht nur der vielleicht erste waschechte Performance-Diesel weltweit, sondern gleichzeitig auch der vorläufige Höhepunkt einer Technologie, die sich bestens dazu eignet, um restriktiven Normprüfständen leistungsstarke Sportmotoren unterzuschieben. Um Abgase zu recyceln, Saugrohre zu füllen, Emissionen abzutragen und Emotionen aufzuladen. Die Frage ist also längst nicht mehr, ob Turbo oder nicht, sondern eher, wie viele.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi TT RS

Audi TT RS
Charakteristischer Klang: Der Fünfzylinder markiert das emotionale Zentrum des Audi TT RS Roadsters.
Der Audi TT RS folgt hier seinem historischen Vorbild. Sein K16-Lader von Borg-Warner (ehemals KKK) führt ein klassisches Single-Dasein, gekoppelt an einen Fünfzylinder – so, wie es bei Audi auch in den wilden Achtzigern üblich war. Nur, dass sich das Aggregat im Vergleich zu den einstigen, digital ansprechenden Bestien wesentlich ziviler gibt. Die Direkteinspritzung mäßigt den Appetit, ein maßgeschneiderter Krümmer glättet das Ansprechverhalten, die großzügig dimensionierte Verdichterseite schafft Reserven für hohe Drehzahlen. Geblieben ist die charakteristische Stimme; dieses herbe Crescendo beim Hochdrehen, das nur dann entsteht, wenn direkt benachbarte und weit gegenüberliegende Zylinder im 144-Grad-Winkel zünden. 1-2-4-5-3: Für die meisten eine wirre Zahlenreihe, für waschechte Audianer der schönste Rhythmus der Welt. Soll dieser Klang pur und unverfälscht das Trommelfell massieren, empfiehlt sich die Inszenierung als Roadster. Schließlich markiert der Fünfzylinder das emotionale Zentrum des TT RS, dem das unscheinbare Plus-Kürzel des Testwagens nur noch die Krone aufsetzt. 360 statt üblicher 340 PS und ein Drehmomentplateau, das mit 465 Nm exakt 15 Newtonmeter über dem der Standardversion residiert. Bringt unterm Strich 0,2 Sekunden auf 100 km/h, abgeregelte 280 in der Spitze und 3900 Euro an Aufpreis. Zu teuer? Keineswegs!
Schließlich liefert die Plus-Version zusätzlich noch Sportabgasanlage, Karbon-Spiegelgehäuse und 19-Zöller frei Haus, was wiederum in einen Preisvorteil von 1200 Euro mündet. Doch was wirklicht zählt, ist die Straße. Und hier spielt ein TT RS auf wie kaum ein Zweiter. Erst recht, wenn in seinen Katakomben die SiebengangStronic ihr Räderwerk zusammenhext. 4,2 Sekunden braucht es bis hundert – und nur einen Bruchteil dieser Zeit zur Glückseligkeit. Woran das liegt? Vielleicht an der erbarmungslosen Traktion, mit der der RS selbst aus engsten Serpentinen ohne spürbaren Schlupf herausdetoniert. Vielleicht an der Leichtigkeit, mit der er auch Lenkradnovizen spielerisch an die Haftungsgrenze heranführt. Vielleicht an der Macht seiner Maschine, die unabhängig von der anliegenden Drehzahl einfach nur bestialisch voranstürmt. Vielleicht aber auch an seiner rauchigen Klangfontäne, die von bronchialem Röcheln über knallende Zündunterbrecher bis hin zum kernigen Prusten so ziemlich alles aufbietet, was der gehobenen Unterhaltung förderlich ist. Mag er im Vergleich zu seinen Ahnen auch noch so zivil geworden sein, im Konzern ist der Fünfzylinder noch immer der Wildeste seiner Zunft.

Überblick: Alle News und Tests zum Mercedes CLS 63 AMG

Mercedes CLS 63 AMG
Lässig: Der CLS 63 AMG pulverisiert alles, was einem die Physik bislang als Massenträgheit verkaufen wollte.
Szenenwechsel, Mercedes CLS 63 AMG. Automobiles Oberhaus, Repräsentant der gehobenen Fahrkultur. Einer, der Langstrecken in Perfektion zelebriert, der mehr gewollt als je gebraucht wird und der den ultimativen Beweis dafür erbringt, dass Etikettenschwindel selbst dann noch Untertreibung sein kann, wenn er eigentlich übertreibt. Er heißt 63, obwohl er doch eigentlich "nur" ein 55er ist. Doch wissen Sie was? Wir hätten ihm selbst ein 76erLabel auf der Flanke nicht krummgenommen. 5461 cm³ plus Biturboaufladung: Das ergibt nach altem Motorsportreglement (Turbofaktor 1,4) ein Hubraumäquivalent von 7,645 Litern. Und genau so fährt sich dieser Hightech-Brocken auch. Die beiden Lader sitzen jeweils neben einer Zylinderbank, schmiegen sich eng ans 90°-V. Sie generieren einen maximalen Ladedruck von 1,0 Bar, verdichten mit maximal 185.000 Umdrehungen rund 375 Liter Luft pro Sekunde. Das umgesetzte Volumen ist gewaltig; und dennoch beschreibt es in keiner Weise die Macht, mit der sich dieser Athlet in Szene setzt. Vorausgesetzt natürlich, man wünscht es auch so. Denn eigentlich ist der CLS selbst als 63 AMG eher Cruiser denn Racer.
Weitere Details zu den drei Turbo-Sportlern gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen lesen Sie im Online-Artikelarchiv.



Fazit

von

Manuel Iglisch
Audi TT RS, BMW M550d und Mercedes CLS 63 AMG sind nicht einfach nur die modernen Speerspitzen eines alten Prinzips, sondern auch drei Charaktere, die trotz all ihrer Unterschiede ein und dieselbe Botschaft transportieren: Man muss Aufladung nicht verstehen, um ihrer Faszination zu erliegen.

Von

Manuel Iglisch