Nur ein Stoffkäppi überm Scheitel, aber 365 PS im Heck – der Boxster GTS mag’s stürmisch. Und will den 400 PS starken Audi TT RS verblasen.
Gestatten: V90. Vestas, V90. Eine 328 Tonnen schwere Lufthoheit mit drei 45 Meter langen Rotorblättern, die dem Wind 2720 PS entlocken. Das nennen wir mal eine saubere Leistung. Gegen die dänische Windkraftanlage (oben im Bildhintergrund) scheinen unsere beiden Kompakt-Luftikusse eher ein laues Lüftchen zu sein. 365 PS schiebt der neue Porsche 718 Boxster GTS an die Hinterräder, der Audi TT RS verteilt 400 PS an beide Achsen.
Im Boxster kommt man dem Asphalt richtig nahe
Flachmann: Der Porsche 718 Boxster platziert seine Insassen 55 Millimeter tiefer als der TT RS.
Allerdings besitzen die beiden Oben-ohne-Artisten entscheidende Vorteile. Sie kosten viel weniger. Wiegen deutlich weniger. Und sind deutlich beweglicher. Aus diesem Grund verzichten wir auch auf den nicht ganz fairen Dreier-Vergleich und beschränken uns auf das Duell der Konzern-Geschwister Audi und Porsche. Wer stürmt das Podium? Und wer wird womöglich vom Winde verweht? Beim Rein und Raus im Alltag macht es uns der TT spürbar leichter. Klar, offene Flachmänner mit hochwertigen elektrischen Stoffmützen sind beide. Und das ist auch gut so. Schließlich handelt es sich um Sportwagen, nicht um SUVs. Allerdings zieht der Porsche sein Käppi noch mal sieben Zentimeter tiefer ins Gesicht, lässt uns 55 Millimeter dichter am Asphalt kuscheln. Gut für den Schwerpunkt – jedenfalls den des Boxster. Unser eigener fühlt sich klar zum Audi hingezogen.
Der Audi macht es seinen Passagieren deutlich bequemer
Das passt: Im Audi TT RS ist das Gestühl bequemer als die kneifenden Schalensitze des TT RS.
Ein Gefühl, das die Sitze noch verstärken. Im TT bieten sie tollen Halt und vielfältige Einstellmöglichkeiten bis hin zur verlängerbaren Oberschenkelauflage. Wunderbar. Und ohne Aufpreis – nur pneumatische Sitzwangen und elektrische Verstellung kosten 745 Euro. Im Boxster empfangen uns Sportschalensitze. Aus leichter Glas- und Kohlefaser, die an der Oberfläche sichtbar ist, sowie mit integriertem Thorax-Airbag. Aber leider nur längs verstellbar. Und ansonsten völlig kompromiss- und humorlos. Wer da reinpasst, jubelt – da verrutscht selbst auf letzter Rille nichts mehr. Wer ein bisschen Hüftspeck hat, muss mit blauen Flecken und Verspannungen leben. Letztere könnte der Aufpreis von 3272,50 Euro für diese Bestuhlung noch verstärken.
Los geht's. Durchaus beeindruckend, was der Audi TT RS in Sachen Motor abliefert. Der 2,5-Liter-Fünfzylinder mobilisiert 400 Pferdchen – und lässt sie nur zu gern springen. Aus dem Stand hellwach, jederzeit spontan abrufbar, selbst im roten Bereich putzmunter. Die fünf Halbliter-Pötte fallen über den Audi her wie ein Tornado über trockenes Laub. Und trompeten dabei mit solcher Wollust, dass die Sportabgasanlage für 850 Euro eigentlich einen FSK-18-Sticker braucht.
Beim Klang ist der 718 leider kein echter Porsche
Dürres Stimmchen: Der Sound des 718 passt nicht zu einem Porsche, die Fahrleistungen schon.
In diesem Punkt schafft der Boxster es leider nur in den Background-Chor. Laut kann der 718 natürlich auch, sexy leider nicht. Oder wie unser Mess-Maestro Mirko Menke es treffend beschreibt: "Der klingt wie 'n Käfer auf Crack." An der Leistung des 2,5-Liter-Vierzylinders gibt es allerdings nicht viel zu nörgeln. Trotz Turbo gehen die 365 PS auf Wunsch des Fahrers ansatzlos in den gestreckten Galopp über, springen aus dem Stand leichtfüßig nach vorn, rennen im manuellen Modus des Doppelkupplers (wie bei Audi) wild schnaubend in die elektronischen Zügel. So schafft der Boxster GTS beachtliche 290 km/h Spitze – bei Audi müssen für die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit von 250 auf 280 km/h zunächst noch 1500 Euro überwiesen werden. Und auch wenn wir im Boxster akustisch immer wieder schmerzhaft daran erinnert werden, dass im kleinen Porsche kein Sechszylinder mehr boxt – dieser Vierzylinder erweist sich eines Sportwagens absolut würdig.
In Sachen Sport und Komfort liegt Zuffenhausen vorne
Klare Sache: Auf der Piste sticht der Boxster den TT aus – und bietet auch noch mehr Fahrkomfort.
Noch deutlicher spüren wir die Kernkompetenz der schnellen Schwaben beim Kurvenkratzen – vor allem im direkten Vergleich mit dem Audi. Der 718 ist aggressiv, zornig und atemberaubend schnell, aber nie unbeherrscht oder übermotiviert. Die dank Mittelmotor perfekte Gewichtsbalance klebt ihn auch bei hohem Tempo absolut souverän auf die Piste, die präzise Lenkung scheint die Ideallinie eingebaut zu haben, und trotz üppiger 20-Zoll-Räder (Serie) erfüllt der Komfort zumindest die elementaren Bedürfnisse der Besatzung. Der TT RS geht da mitunter anders zur Sache. Auch er rollt auf 20 Zoll, neben mindestens 1400 Euro Aufpreis kosten die aber auch das alltagstaugliche Abrollen. Auf schlecht gepflegten Schleichwegen holpert der TT RS grobschlächtig über den Asphalt und versetzt dem Wagen böse Schläge – Bandscheiben-Bashing in Reinkultur. Auch sonst fehlt dem dank Allrad zwar traktionsstarken, aber kopflastigen Audi das lustvoll souveräne Handling des Porsche. Wo wir im Boxster agieren, bleibt im TT oft nur das Reagieren.
Und die Preise? Die Rasse-Roadster können selbst im Basistrimm nicht als Schnäppchen durchgehen. Audi verlangt für den TT RS mindestens 69.200 Euro, Porsche für den Boxster GTS sogar 78.160 Euro. Für den Vergleich müssen beim Audi knapp 8000 Euro aufgeschlagen werden, der Boxster kratzt mit 95.554 Euro an der Sechsstelligkeit. Puh! Da fallen der teure Unterhalt, rund zehn Liter Verbrauch und nur zwei Jahre Garantie kaum noch auf. Kleiner Trost: Die Vestas V90 kostet noch viel mehr.
Boxster GTS und TT RS setzen voll auf Sturm. Dabei begeistert der Audi vor allem mit seinem gierigen Fünfzylinder, während Porsche mit seinem messerscharfen Handling glänzt – aber leider richtig teuer ist.