Kopieren geht über Entwickeln

"Eine Eigenentwicklung, haben wir selbst gemacht." Der Mann von der Firma Chery versteht keinen Spaß. Er meint das Klappverdeck-Auto, das auch ein Peugeot 307 CC sein könnte, aber eben Chery M14 heißt. Chery ist einer von inzwischen angeblich 100 chinesischen Autoherstellern und einer der dreistesten dazu. Das Unternehmen aus der zentralchinesischen Provinz Anhui fiel zuletzt vor allem durch seine unverschämte Kopie des Daewoo Matiz auf: Der Chery QQ ist praktisch mit dem Matiz identisch, aber umgerechnet 1000 Euro billiger als das Original. Und in China bereits ein Riesen-Erfolg.

Von den 100 Produzenten habe ich auf der Messe knapp 20 gefunden. Die größten sind SAIC (für Shanghai Automotive Industry Corporation) und FAW (First Auto Works) aus dem nordchinesischen Changchun. Beide sind Joint-ventures mit gleich mehreren westlichen oder japanischen Partnern eingegangen. Gebaut werden jeweils die aktuellen Modelle der Partner – Unterschiede sind kaum zu erkennen. Die "Eigenkonstruktionen" von SAIC und FAW sehen dabei trotz allem offensichtlich vorhandenen Know-hows noch etwas merkwürdig aus – etwa der von FAW gezeigte Rolls-Royce-Nachbau.

Genaueres zum geschätzt sieben Meter langen, monströsen Mobil im Batman-Stil war aber leider nicht zu erfahren. "Kein Motor", sagte etwa ein Manager auf die Frage nach der Größe des eingebauten Aggregates. – "Gut, vielleicht wäre es möglich, die Tür zu öffnen, um den Innenraum zu fotografieren?" "Nein, hat auch keine Tür", sagte der Mann daraufhin.

Technologie wird eingekauft

Die anderen chinesischen Hersteller tragen Namen wie Brilliance, Changan, JAC, Great Wall, Geely, Polarsun oder BYD. Sie zeigen mehrheitlich Kleinwagen, Mittelklasse, Minibusse und SUV. Vieles – in meinen Augen – noch etwas unbeholfen, manches aber auch durchaus ansehnlich. Aber, bei allem Respekt, die Mehrzahl der von ihnen gezeigten Konstruktionen kam mir doch irgendwie bekannt vor.

Zum Beispiel das BYD Auto. Ich ahnte ja erst nichts Schlechtes, BYD klingt unverfänglich – bis der Blick auf das Markenzeichen fällt. Das ist, nun ja, der vereinfachte BMW-Propeller. Und die drei Buchstaben B-Y-D klingen dann ja auch nach B-M-W. Es wundert mich dann gar nicht mehr, daß etwa das gezeigte neue Mittelklasse-Modell F6 an der Front stolz die BMW-Tränensäcke trägt. Ein von Great Wall gezeigtes SUV ähnelt aus vielen Perspektiven dem Honda CR-V und heißt dann auch so ähnlich: CUV. Ein schnittiges Coupé von Geely sieht aus wie eine Mischung aus Renault Mégane und Mazda 626 Coupé, und immer so weiter.

"Machen Sie sich keine Illusionen", sagt etwa Auto-Analyst und China-Kenner Michael Dunne, "kein chinesischer Hersteller hat im Moment die Technologie für Motoren, die Euro IV erfüllen. Aber die werden sich so etwas besorgen – selbst entwickeln dauert viel zu lange." – Na, das kann ja heiter werden. Der Chery M14 zum Beispiel soll Anfang 2007 zu uns kommen. Mit Euro IV.

Kaum aufregende Neuheiten aus Korea

Wenige Tage später finden wir uns in Seoul wieder. Anderes Land, anderes Bild. Die Koreaner zeigen wenig beim Heimspiel; es gibt kaum aufregende Neuheiten zu bestaunen, das Highlight ist schnell gefunden. Unser Fotograf absolviert gerade die achte Runde auf dem großen Drehteller, und das liegt nicht am Model, sondern am Auto. Mhhm, dieser knackige Grobstollen-Ritter könnte die Twens begeistern. Mächtige Motorhaube, gegenläufige Türen und ein Dach, so knapp wie eine schräg aufgesetzte Baseballkappe – der T2X würde schon heute vor jedem Café haufenweise Blicke abräumen.

Die frei schwebenden Rundinstrumente könnten vom Motorrad stammen, im Dach warten neben den langen Glasfenstern Ablagen im Flugzeug-Stil. Daewoo, zwölf Punkte. Hiermit wird der T2X mein Sieger-Auto der Seoul Motor Show 2005. Der T2X entstand in Daewoos Designstudio in Incheon und könnte in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden. Darunter steckt die Technik des Chevrolet S3X, der 2006 zu uns kommt, und des künftigen Opel Frontera. Los, Daewoo, traut euch!

Zugegeben, Daewoos Studie glänzt auch deshalb, weil Koreas Renommier-Marken etwas schwächeln. Tänzerinnen, Paukenschläge und Nebelschwaden gibt es in Seoul dennoch – sie heizen ein für die Luxus-Limousine Grandeur, die Hyundai schon in Genf gezeigt hat. Der Nachfolger des XG 350, ab August für 35.000 Euro bei uns zu haben, soll in Korea die deutschen Edel-Importe in Schach halten.

Ein Sportcoupé erobert die Herzen

Sprechen wir über die ehrgeizigen Ziele der Koreaner. In der Qualität wollen sie bis 2008 Toyota überholen, schon im nächsten Jahr sollen die ersten Autos mit Hybridantrieb in die USA rollen. Erstaunlicherweise nicht In einem SUV, sondern im kompakten Hyundai Accent und dem Technik-Bruder Kia Cerato, in denen je ein 1,4-Liter-Benziner und ein Zwölf-Kilowatt-Elektromotor kombiniert werden. Präsentiert wird das Ganze hier in einem Hyundai Getz mit dem blumigen Aufkleber "3-Liter-Auto"und in einem Kia Sportage, in dem ein 20-kW-Motor zusätzlich zum Frontantrieb die Hinterräder ankurbelt. Im Juli beginnen Tests mit 150 Autos.

Eine Neuheiten-Flotte zeigt in Seoul ausgerechnet SsangYong, der viertgrößte Produzent im Lande. Die Studien heißen XCT, XMT sowie SVR und sehen alle aus wie rollende Burgen. Die hohen SUV-Varianten, mal mit einem Stufenheck, das sich zum Pick-up öffnet, mal als schneidiges Fastback mit abfallendem Dach, zielen zweifellos auf den US-Geschmack. Ab Sommer 2006 sollen die Blechburgen in den Verkauf gehen.

Auf unser Herz schießt schließlich ein sympathischer Newcomer namens Protomotors: Der Spirra ist ein flunderflaches Mittelmotor-Coupé, das ich eher aus Italien als aus Korea erwarten würde. Zwei Sitze, Flügeltüren, ein 4,6-Liter-Achtzylinder von Ford und eine endlose Motorhaube, dem scheinbar schon im Stand das Flimmern aus den vielen Schlitzen steigt. Monatlich sollen zehn der 305 km/h schnellen Spirra gebaut werden, zum Preis von 90.000 Euro. Auch das ganz neue Töne aus Korea.