Am untersten Ende des italienischen Stiefels

"Ach. Euer Blatt kenne ich doch. Wo wollt ihr denn hin?" Wir trauen unseren Ohren nicht. Der schwarzhaarige Italiener, der uns hilfsbereit den richtigen Weg zeigt, spricht nicht nur fließend deutsch. Er entpuppt sich auch als Leser von AUTOMOBIL TESTS. Beides keine Selbstverständlichkeit am untersten Ende des italienischen Stiefels, im "Parco Nazionale della Calabria".

Irgendwo in Longobucco, einem an steilen Berghängen klebenden Nest, hatte uns zuerst die Karte, dann das Navi-System und zum Schluß der Orientierungssinn verlassen. Der glaubhafte Hinweis auf den Härtetest erspart uns zudem die Peinlichkeit, dem in Deutschland arbeitenden Italiener als vollkommen verirrte Touristen zu erscheinen. Unser Ziel in der Sackgasse des kalabrischen Dorfes lautete schließlich Marsala, ein Fischerort am westlichsten Zipfel Siziliens, gut 600 Kilometer von Longobucco und 2600 Kilometer vom Redaktionssitz Schwabach entfernt. Was würde wohl ein Sachse denken, wenn im Erzgebirge ein Römer den Weg nach Westerland wissen wollte? Härtetester nehmen eben nicht den direkten Weg. Wenn neben der Autobahn anspruchsvolle Pisten und schöne Landschaften locken, bürden sie dem Testwagen gerne ein paar Extratouren auf.

Dabei klingt das Vorhaben auch ohne solche Abstecher schon anstrengend genug. Innerhalb einer Woche sollte Italien umrundet werden, auf der Ostseite im Opel Meriva hinunter und an der Westküste im Ford Fiesta wieder zurück. Über 5000 Kilometer kommen da pro Auto zusammen. Unsere Väter nahmen das Traumziel Italien in Goggos und Käfern in Angriff; heute gilt eine Distanz von mehreren tausend Kilometern in einem Kleinwagen als ziemlich furchteinflößend. Worauf es ankommt: Die Testwagen werden nach der Tour nicht mehr Geheimnisse vor uns haben als ein Ehepartner nach der silbernen Hochzeit. Wie sich der Fiesta auf der Marathon-Tour geschlagen hat, erfahren Siein Ausgabe 4/05.

Wir wissen: Die Motoren haben mit dem übergewichtigen Meriva (leer fast 1,4 Tonnen) schwer zu kämpfen. Daher gönnen wir uns für das große Kilometerfressen das Topmodell, den 1.8 mit 125 PS. Als Edition hat er unter anderem Komfortpaket und eine Klimaanlage an Bord. Basispreis: 17.465 Euro. Eine ausführliche Kaufberatung auf 28 Seiten mit allen Versionen, Ausstattungen und Motoren des Opel Meriva erhalten Sie zum Preis von 1,00 Euro über unser Heftarchiv. Klicken Sie auf diesen Link, und Sie gelangen zum Download-Bereich.

Keine Verdauungsstörungen beim Gepäck

Der gut nutzbare, 350 Liter große Kofferraum des kleinen Van schluckt unseren Berg Reisegepäck ganz ohne Verdauungstörungen: den Kasten Mineralwasser ebenso wie die Kartoffelsack-große Reisetasche, einen Tramper-Rucksack, eine Handtasche und gut 20 Kilo Fotoausrüstung in diversen Koffern und Beuteln. Lediglich der bemerkenswerte Proviant-Vorrat aus Äpfeln, Bananen, Keksen, CDs sowie ungefähr eine Jahresernte Karotten muß auf die Rückbank. Dennoch fühlt sich Fotografin Lena Barthelmeß im Meriva durchaus nicht eingeengt und auch für den nervenzerfetzenden italienischen Stadtverkehr, der ja schon Ehen zerrüttet haben soll, auf beruhigende Distanz zum Fahrer gebracht. Wo aber jetzt Nachwuchs samt Zubehör im als Familienauto geltenden Meriva Platz finden könnte, bleibt unklar.

Schon kurz nach dem Start wird deutlich: Von der stolzen Höchstgeschwindigkeit (190 km/h) des Meriva 1.8 haben wir nicht viel. Halb Bayern rüstet sich für ein Ski-Wochenende, und so ist man froh, wenn der Verkehr wenigstens mit Richtgeschwindigkeit dahinrollt. Macht nichts. Viel schneller als 130 km/h möchten wir im Opel ohnehin nicht fahren, weil der Motor dann nervtötend brummt. Die Windgeräusche halten sich für einen Kleinwagen dagegen in akzeptablen Grenzen.

Das erste Zwischenziel in Italien heißt, wie könnte es anders sein, Venedig. Der elektronische Routenplaner empfahl als kürzesten Weg eine Landstraßenetappe über die E68 von Brixen nach Toblach. Ein schlechter Tip, quälen sich hier doch auch zahllose Lkw durch die Berge. Um an unübersichtlichen Stellen mal schnell überholen zu können, dafür reicht der Dampf im Opel nicht aus. Also zuckeln wir hinter den Lastern her – nicht selten im dritten oder vierten Gang, weil die lange Übersetzung und die geringe Elastizität des Vierzylinders das Dahinrollen im fünften erschweren. Dann ruckelt der Motor unwillig, nimmt schlecht Gas an. Erst als wir Richtung Cortina d’Ampezzo abbiegen, lichtet sich der Verkehr. Da kann der Meriva endlich seine Handlichkeit ausspielen und vor prächtiger Dolomiten-Kulisse die Kurvenpisten entlangflitzen.

Die Sitze sind auf Dauer unbequem

Das Gezottel hinter den Lkw kostete Zeit. Zum Glück beginnt in Belluno wieder die Autobahn. Die kostet zwar teure Gebühren, bietet aber jene Weite und Leere, die man braucht, um endlos Kilometer abzuspulen. Dabei hilft der Tempomat (290 Euro), der auf der Autobahn mit Geschwindigkeitsbegrenzung (130 km/h) kaum wegzudenken ist. Gedankenverloren rauschen wir an Venedig ebenso vorbei wie an Ravenna und Rimini – kühler Wind und niedrige Temperaturen verleiden Altstadt- wie Strandbesuche.

Dabei würde gelegentliches Aussteigen guttun. Denn es zeigt sich nach einigen Stunden im Opel immer deutlicher: Die Sitze sind auf Dauer unbequem. Der Beifahrerin schmerzen die Lendenwirbel, den Fahrer Schulter und Nacken, eigentlich der ganze Rücken. Doch wir verfluchen die Sitze zu früh.

Einige hundert Kilometer weiter südlich, in den bis zu 2914 Meter aufragenden Abruzzen, demonstrieren sie Qualitäten anderer Art: Hier, wo sich Wölfe und Braunbären gute Nacht sagen, winden sich die Straßen fast so steil und kurvig die Berge hinauf wie die gut 150 steinigen Wanderwege. Beim sportlichen Gipfelsturm überzeugt das Gestühl mit hervorragendem Seitenhalt.

Je enger die Kurven werden, um so stärker offenbart die Meriva-Karosserie eine eklatante konzeptionelle Schwäche: Die dicken A-Säulen versperren den Blick zur Seite. Nach links vorn sieht der Fahrer wenig – in engen Linkskurven und Kehren muß der Fahrer hoffen, daß entgegendonnernde Iveco-Busse so diszipliniert auf ihrer Spur bleiben wie er selbst. Erkennen kann er plötzlich anrauschendes Ungemach nur schwer.

Nervöse Zuckungen wegen der Tanknadel

Die Gegend mit glitzernd-klaren Seen, schroffen Felsen und sich mit dicken Mauern gegen Minusgrade stemmenden Häusern wirkt im Winter kalt und düster. Das Urlaubs-Italien der Postkarten kommt erst viel später, südlich von Taranto. Zumindest klimatisch. In dieser von Landwirtschaft geprägten Region zeigt das Außenthermometer erstmals mehr als zehn Grad. Das Klima im Meriva bleibt immer gleich – dank der Klimatisierungsautomatik für 555 Euro. Von ihr merken die Passagiere so gut wie nichts – das höchste Lob für eine Automatik. Manuelles Nachregeln ist auf der ganzen Reise so gut wie nie nötig.

Trotz etwas Sonne und Palmen wird es an der Küste bald langweilig. Zum Glück wartet die italienische Landschaft auch im tiefen Süden mit abenteuerlichen Gebirgen auf: Das La-Sila-Gebirge im kalabrischen Nationalpark ragt 2000 Meter in den Himmel und entpuppt sich als schneebedecktes Skigebiet. Trotzdem ist es einsam genug, um leicht den Weg zu verlieren. Wer nicht wie wir vom Einheimischen die Richtung gezeigt be- kommt, mag an der Einöde fast verzweifeln. Besonders wenn der Tankinhalt zur Neige geht, was beim Meriva ziemlich schnell geschieht.

Zwar passen 53 Liter in den Tank. Doch die zügig Richtung Reserve ausschlagende Anzeige macht schon nervös, wenn nur 30 Liter fehlen. So fühlten wir uns während der Tour gezwungen, rund alle 400 Kilometer nach einer Tankstelle Ausschau zu halten. Man weiß ja nie – der Meriva schluckte im Test trotz zumeist beschaulicher Fahrweise immerhin bis zu 9,0 Liter Super auf 100 Kilometer. Im Durchschnitt waren es dennoch gute 7,6 Liter. Einmal sank der Verbrauch dagegen auf null: auf der Fähre nach Sizilien, die von Villa San Giovanni Richtung Messina ablegt (21 Euro eine Strecke).

Wir erreichen die Industriestadt Messina am Abend. Von ihr bekommen wir wenig zu sehen – wenn der Reiseführer recht hat, ist das wohl auch besser so. Nur 51 Kilometer weiter südlich lockt dagegen die wunderschöne Altstadt Taormina mit engen Gassen und alten Villen. Von der Dachterasse des Jugendstil-Hotels Villa Paradiso blicken wir beim Frühstück auf den Ätna. Auf seinem Gipfel sehen wir, mal wieder, Schnee, der hier mit schwarzer erkalteter Lava kontrastiert.

Teerflicken schluckt das Fahrwerk klaglos

Die Unruhe des Vulkans, Frostaufbrüche und italienische Lässigkeit bei der Straßenpflege stellen hier besondere Anforderungen an den Federungskomfort – denen der Meriva nur bedingt gerecht wird. Ein paar Teerflicken schluckt das Fahrwerk noch, wenn zum kaputten Asphalt noch lange Bodenwellen kommen, geraten Federn und Dämpfer an ihre Grenzen.

Auf dem langen Weg auf gut ausgebauten Straßen Richtung Westküste ist der Meriva wieder in seinem Element. Für einen Spaziergang in der Altstadt Catanias oder einem griechischen Amphitheater in Siracusa bleibt leider keine Zeit. Das Ziel heißt jetzt Marsala, der End- beziehungsweise Wendepunkt der Reise. Von dort wird der Opel mit anderer Besetzung über Palermo, Amalfi, Rom und Lugano zurück nach Nürnberg rollen, ohne Probleme zu verursachen.

Noch rauscht er mit eingeschaltetem Tempomat gelassen durch die weite Landschaft Siziliens, wo viele Hügel und Berge in den Himmel wachsen. Aber kein Baum und kein Strauch. Je weiter westlich wir kommen, um so eintöniger scheint es. Marsala selbst wirkt mit seiner schlichten, geradlinigen Architektur fast wie ein arabischer Wüstenort, ein Vorposten Afrikas. Das quirlige Italien scheint weit weg. Ein guter Ort, um kehrtzumachen.

Fazit und Qualitäts-Check

Fazit von AUTOMOBIL TESTS-Mitarbeiter Detlev Hammermeister Der kleine Opel taugt für die große Reise – das hat die Tour durch Italien eindrucksvoll bewiesen. Uns wurde es nie zu eng im Meriva. Schwächen traten aber auch deutlich zu Tage: Der Federungskomfort könnte besser, der Motor leiser sein. Genervt haben uns vor allem die unbequemen Sitze.

Das sagen die Leser zum Meriva

Die Opel-Meriva-Fahrer unter den Lesern sind mit ihrem Auto generell sehr zufrieden. Platzangebot und Variabilität sorgen für Begeisterung. Viele wünschen sich aber niedrigeren Kraftstoffverbrauch und einen besseren Qualitätseindruck. Im Schnitt gaben die Leser die Note "gut".

M. Filler, Meriva 1.6: Ich fahre den Meriva 1.6 16V seit September 2003 und finde, daß der Opel im großen und ganzen ein sehr gelungenes Auto ist. Er hat viel Platz, bietet einen hohen Nutzwert und eine bequeme hohe Sitzposition. Es gibt aber auch Macken: Der Verbrauch (8,9 Liter) ist zu hoch, außerdem knistert es aus den verschiedensten Ecken. Die Klimaautomatik regelt ungestüm und bläst sehr laut. Außerdem könnte die Federung weicher sein.

T. Horn, Meriva 1.7 CDTI: Nach 15.000 Kilometern mit dem Meriva konnte ich bisher keinen Mangel feststellen. Ich finde den Opel super. Auch mit der Verarbeitung bin ich zufrieden, das war bei meinen früheren Opel (das ist mein sechster) nicht immer so. Der Turbodiesel ist durchzugsstark und sparsam (6,5 Liter), sein Getriebe aber zu kurz übersetzt. Unverschämt finde ich den Preis von 750 Euro für das CD-Radio. Die Innenraumgestaltung könnte hochwertiger, der Motor laufruhiger sein.

H. Wolter, Meriva 1.4: Nach einem BMW 525i fahre ich jetzt seit Oktober 2004 den Meriva mit 90 PS. Der Motor ist etwas schlapp, aber sparsam (6,5–7,5 Liter). Die Innenraummaterialien finde ich recht billig, sie zerkratzen schnell. Es gab bisher diverse Mängel: Der Fahrersitz wackelt, das Radio war von Anfang an kaputt, und das ESP fiel nach vier Wochen aus. Die Reparatur dauerte fünf Wochen. Trotzdem bin ich mit dem Meriva zufrieden. Mein Rat: Opel sollte 200 Euro mehr in höherwertige Bauteile investieren.

S. Weber, Meriva 1.7 DTI: Wir haben den Opel im letzten Juni in unseren Familien-Fuhrpark aufgenommen. Das Verhältnis von kompakten Außen- und geräumigen Innenmaßen scheint uns optimal. Die Variabilität der Sitze ist genial und wird häufig genutzt. Es stören uns die recht harte Federung, der relativ schwache und laute Motor und das kleine Handschuhfach. Ärgerlich: ESP ist nicht serienmäßig. Der Innenraum wirkt nicht langlebig, Defekte gab es bisher aber nicht.

T. Ziegler, Meriva 1.6: Unser 100-PS-Meriva läuft seit fast einem Jahr und 7300 Kilometern völlig problemlos. Die Innenraumvariabilität ist hervorragend, wir haben mit dem Opel schon einige Umzüge gemacht.

H. Steger, Meriva 1.6 Easytronic: Ich habe mich im Juli letzten Jahres für den Meriva entschieden, weil mir das Design und der praktische Innenraum gefallen. Interessant finde ich auch das elektronisch geschaltete Getriebe, mit dem es aber einigen Ärger gab. Es schaltete unsauber. Ein Mangel, dessen Behebung drei Monate dauerte. Den Verbrauch von 8,7 Litern finde ich in Ordnung, zumal der Meriva viel Fahrspaß bietet und ein tolles Fahrwerk und bequeme Sitze hat. Es gibt diverse Klappergeräusche, aber von meinen bisherigen Autos (Fiat) bin ich Schlimmeres gewohnt.

S. Eggelsberger, Meriva 1.7 CDTI: Der Diesel, mit dem ich jetzt 16.000 Kilometer abgespult habe, verbraucht mit 6,7 Litern deutlich mehr als angegeben. Opel sagt, auf die Angaben im Handbuch (5,3 Liter) könne man sich nicht verlassen. Außerdem kratzt die Schaltung.

J. Rudolf, Meriva 1.6: Ich habe mit dem 87-PS-Meriva in einem Jahr mehr als 18.000 Kilometer zurückgelegt. Der Opel ist mein 27. Auto, einen Wagen mit so praktischem variablen Innenraum habe ich aber noch nicht gehabt. Passagiere haben vorn wie hinten jede Menge Platz, ich konnte auch schon eine komplette Küche (4,5 Meter) in dem Opel transportieren. Der Motor ist leistungsmäßig das unterste Limit für das schwere Auto. Den Verbrauch von 8,5 Litern finde ich akzeptabel.

M. Kraus, Meriva 1.8: An Pluspunkten möchte ich die Variabilität, das Design, die Verarbeitung, das Fahrverhalten und die günstigen Unterhaltskosten nennen. Der Opel ist eben preiswert bei Wartung und Inspektionen. Top ist zudem das Platzangebot. Es gibt aber auch eine Reihe Minuspunkte: Der Verbrauch ist zu hoch, die Serienausstattung mager und die Radios viel zu teuer. Die Verarbeitungsqualität könnte besser sein.

Ihre Meinung zum Opel Meriva

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Von

Detlev Hammermeister