Bentley Continental von 1954 und 2005
Eiliger Erbadel

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Die schnellsten Viersitzer ihrer Zeit: Fünfzig Jahre liegen zwischen dem Bentley Continental R von 1954 und dem Continental GT von heute.
So teuer wie drei Einfamilienhäuser
"Ich bin der König der Welt!" Erinnern Sie sich? Dieser Gefühlsausbruch entstammt einem wohlbekannten Katastrophenfilm, in dem Leonardo di Caprio auf dem Deck der Titanic steht und voller Euphorie das Meer anbrüllt. Das hier ist nicht die Titanic, aber ein durchaus schiffsähnliches Gefährt. Und nicht weniger euphorisierend als ein Ozeanriese. Der Bentley Continental R war 1954 der schnellste und teuerste Viersitzer der Welt. Sein Preis entsprach dem dreier Einfamilienhäuser – der moderne Nachfahre Continental GT ist mit gut 167.000 Euro preislich vergleichsweise maßvoll positioniert.
Vom alten Continental wurden nur 208 Stück gebaut, was seinen heutigen Wert von rund 125.000 Euro erklärt. Sechs Zylinder, 165 PS aus fünf Liter Hubraum, Aluminium-Karosserie – das reichte 1954 für den Auto-Olymp. Wer jetzt die Leistungsdaten belächelt, hat diesen Wagen noch nicht gefahren. Öffnen wir die Fahrertür. Sie schließt noch immer mit tresorähnlicher Präzision. Man nimmt Platz auf etwas formlosem Gestühl – erstaunlich bodennah sitzt man hier, weil der Rahmen unter der Karosserie nutzbare Höhe frißt, wie bei den Pickups unserer Zeit. Der Blick fällt auf ein dürres Lenkrad mit riesigem Durchmesser, auf einen Chippendale-Schrank von Armaturenbrett und eine sanft gewellte Motorhaubenlandschaft von unendlicher Weite.
Zwei Schalter auf "On", dann der erwartungsvolle Druck auf den Starterknopf. Sanft und tief wummernd nimmt der Motor seine Arbeit auf. Für ein Auto der 50er Jahre ist der Reihensechser unglaublich leise. Präsent ist er trotzdem – man spürt ihn mehr, als daß man ihn hört, so tief sind die Frequenzen. Wie bei einem guten Bassisten, der im Auditorium sämtliche Körper bis zum Brustkorb aufwärts in Schwingungen versetzt – und niemand weiß, wie ihm geschieht.
Vom alten Continental wurden nur 208 Stück gebaut, was seinen heutigen Wert von rund 125.000 Euro erklärt. Sechs Zylinder, 165 PS aus fünf Liter Hubraum, Aluminium-Karosserie – das reichte 1954 für den Auto-Olymp. Wer jetzt die Leistungsdaten belächelt, hat diesen Wagen noch nicht gefahren. Öffnen wir die Fahrertür. Sie schließt noch immer mit tresorähnlicher Präzision. Man nimmt Platz auf etwas formlosem Gestühl – erstaunlich bodennah sitzt man hier, weil der Rahmen unter der Karosserie nutzbare Höhe frißt, wie bei den Pickups unserer Zeit. Der Blick fällt auf ein dürres Lenkrad mit riesigem Durchmesser, auf einen Chippendale-Schrank von Armaturenbrett und eine sanft gewellte Motorhaubenlandschaft von unendlicher Weite.
Zwei Schalter auf "On", dann der erwartungsvolle Druck auf den Starterknopf. Sanft und tief wummernd nimmt der Motor seine Arbeit auf. Für ein Auto der 50er Jahre ist der Reihensechser unglaublich leise. Präsent ist er trotzdem – man spürt ihn mehr, als daß man ihn hört, so tief sind die Frequenzen. Wie bei einem guten Bassisten, der im Auditorium sämtliche Körper bis zum Brustkorb aufwärts in Schwingungen versetzt – und niemand weiß, wie ihm geschieht.
Der Puls einer anderen Zeit schlägt noch
Die manuelle Schaltung entspricht dem damaligen Standard-Bentley Mark VI und ist ein Kuriosum: Obwohl es sich um einen Rechtslenker handelt, sitzt der Schalthebel ebenfalls rechts – zwischen Sitzfläche und Tür. Der Platz dort ist nicht üppig, aber Kontinentaleuropäer müssen wenigstens nicht links schalten. Der erste Gang – als einziger von vier Gängen nicht synchronisiert – flutscht präzise wie der Verschluß einer Leica. Der riesige Oldtimer setzt sich in Bewegung. Was jetzt kommt, ist ein Erlebnis, von dem der Schreiber dieser Zeilen noch lange zehren wird: der Puls einer anderen Zeit.
Dabei kann der Gentleman-Expreß auch heute noch problemlos im Straßenverkehr mithalten. Aber 13 Sekunden von null auf 100 km/h, das ist natürlich kein Supercar-Wert mehr. Egal. Lassen wir uns umarmen von der Großzügigkeit dieses aristokratischen Gefährts. Kein anderes Auto schüttelt 165 PS derart lässig von der Kurbelwelle. Die Leistungsentfaltung erinnert an ein Cruiser-Motorrad: Gleich nach Leerlaufdrehzahl produziert der Motor einen gewaltigen Schwall an Drehmoment, auf dem sich herrlich surfen läßt. Im vierten Gang zieht er ab 1500 Touren lochfrei durch. Im Klartext heißt das: Morgens kommt der vierte Gang rein, abends wieder raus.
Sanft pulsierend rollt der majestätische Stromlinien-Wagen über die Landstraße. Das Tempo limitieren nur die musealen Diagonalreifen. 120 km/h sind ohne schweißige Ohrläppchen drin, trotz einer kleinen Unwucht vom Stehen im Wolfsburger Automuseum Zeithaus. Mit diesen Reifen und einer Servolenkung der frühen Bauart ist die Lenkpräzision naturgemäß nicht mit der heutiger Fahrzeuge zu vergleichen – was den Eindruck noch verstärkt, mit einer eleganten Motoryacht die Wogen des Lebens zu zerteilen.
Dabei kann der Gentleman-Expreß auch heute noch problemlos im Straßenverkehr mithalten. Aber 13 Sekunden von null auf 100 km/h, das ist natürlich kein Supercar-Wert mehr. Egal. Lassen wir uns umarmen von der Großzügigkeit dieses aristokratischen Gefährts. Kein anderes Auto schüttelt 165 PS derart lässig von der Kurbelwelle. Die Leistungsentfaltung erinnert an ein Cruiser-Motorrad: Gleich nach Leerlaufdrehzahl produziert der Motor einen gewaltigen Schwall an Drehmoment, auf dem sich herrlich surfen läßt. Im vierten Gang zieht er ab 1500 Touren lochfrei durch. Im Klartext heißt das: Morgens kommt der vierte Gang rein, abends wieder raus.
Sanft pulsierend rollt der majestätische Stromlinien-Wagen über die Landstraße. Das Tempo limitieren nur die musealen Diagonalreifen. 120 km/h sind ohne schweißige Ohrläppchen drin, trotz einer kleinen Unwucht vom Stehen im Wolfsburger Automuseum Zeithaus. Mit diesen Reifen und einer Servolenkung der frühen Bauart ist die Lenkpräzision naturgemäß nicht mit der heutiger Fahrzeuge zu vergleichen – was den Eindruck noch verstärkt, mit einer eleganten Motoryacht die Wogen des Lebens zu zerteilen.
Beide sind groß, schwer und opulent
Welch ein Werkzeug hatte in Händen, wer sich damals ein solches Gefährt leisten konnte! 185 km/h, und das auf leeren Straßen! Ein Kontinent, lässig durchquert an nur einem Tag. Es muß die Gefahr bestanden haben, am Steuer eines Continental größenwahnsinnig zu werden. Das Interieur mit den simplen Bakelit-Zugknöpfen wirkt trotz der umfänglichen Runduhrensammlung mit Öldruckmesser etc. weit bescheidener als die Karosse. Ein kleines rundes Zusatz-Fußpedal bedient eine zentrale Fettpresse, die alle wichtigen Fahrwerkslager schmiert. Damals ein außergewöhnlicher Komfort, heute von Oldtimer-Fans eher gefürchtet: Wehe, wenn Dreck das System zusetzt.
Exotisch auch der winzige Blinkerschalter unterm Armaturenbrett: sieht aus wie nachträglich angeschraubt. Großartig dagegen Details wie die Krückstock-Handbremse oder die Fensterheber, die das Seitenfenster nach zwei Umdrehungen komplett herauf- oder heruntergefahren haben. Beides wirkt wie für die Ewigkeit gebaut und funktioniert noch nach 50 Jahren mit respektgebietender Präzision. Dabei ist dieser Wagen keine einbalsamierte Trailer-Prinzessin. Das Zeithaus fährt damit Oldtimer-Rallyes wie Silvretta oder Sachsen Classic. Dieser Wagen lebt. Jede Unregelmäßigkeit im Lack, jeder Riß im Leder verleiht ihm nur noch mehr Würde.
Und der Neue? Verbieten sich da nicht Vergleiche? Nach Gemeinsamkeiten muß man nicht lange fahnden: Beide beschwören den Geist der lokomotivenähnlichen Vorkriegs-Bentleys. Beide sind groß, schwer und opulent. Beide sind deutlich mehr Auto, als man zum schieren Schnellfahren braucht. Bände spricht die "St.-Moritz-Taste" in der Fahrertür des Neuzeit-Continental: Da im Promi-Skiort überdachte Parkplätze Mangelware sind, lassen sich mit einem Tastendruck Frontscheibe und seitliche Doppelverglasungen in drei Minuten abtauen.
Exotisch auch der winzige Blinkerschalter unterm Armaturenbrett: sieht aus wie nachträglich angeschraubt. Großartig dagegen Details wie die Krückstock-Handbremse oder die Fensterheber, die das Seitenfenster nach zwei Umdrehungen komplett herauf- oder heruntergefahren haben. Beides wirkt wie für die Ewigkeit gebaut und funktioniert noch nach 50 Jahren mit respektgebietender Präzision. Dabei ist dieser Wagen keine einbalsamierte Trailer-Prinzessin. Das Zeithaus fährt damit Oldtimer-Rallyes wie Silvretta oder Sachsen Classic. Dieser Wagen lebt. Jede Unregelmäßigkeit im Lack, jeder Riß im Leder verleiht ihm nur noch mehr Würde.
Und der Neue? Verbieten sich da nicht Vergleiche? Nach Gemeinsamkeiten muß man nicht lange fahnden: Beide beschwören den Geist der lokomotivenähnlichen Vorkriegs-Bentleys. Beide sind groß, schwer und opulent. Beide sind deutlich mehr Auto, als man zum schieren Schnellfahren braucht. Bände spricht die "St.-Moritz-Taste" in der Fahrertür des Neuzeit-Continental: Da im Promi-Skiort überdachte Parkplätze Mangelware sind, lassen sich mit einem Tastendruck Frontscheibe und seitliche Doppelverglasungen in drei Minuten abtauen.
Motorentechnik mit Stirnrädern
Sogar in technischen Details finden sich Gemeinsamkeiten: Nockenwellenantriebe per Kette oder Riemen lehnte Bentley-Eigner Henry Royce schon 1931 ab. Er bevorzugte solide Stirnräder, denen er mittels Verwendung eines speziellen Harzes akustische Manieren beibrachte. Die Volkswagen-Ingenieure nutzen heute beim monströsen W12-Motor just den gleichen Nockenwellenantrieb – reiner Zufall oder zwingendes Ergebnis auf der Suche nach der besten Lösung?
Alt gegen neu zu fahren, ist bei diesen Autos ein Fall von verkehrter Welt. Oldtimer-Fans greifen meist zum Alteisen, weil sie ein direkteres, ursprünglicheres Fahr-Erlebnis suchen, als ihnen moderne Autos bieten können. Hier ist es umgekehrt: Der neue Continental bietet den direkteren Fahreindruck, auch wenn er bei Richtungswechseln sein immenses Leergewicht von 2,4 Tonnen nicht verhehlen kann. Wer die Lenkpräzision des neuen auf seinen 19-Zoll-Rädern mit 40er-Querschnitt mit der des alten auf seinen Diagonalreifen vergleicht, kann 50 Jahre Fahrwerks- und Reifen-Entwicklung buchstäblich erfahren.
Wobei auch der Continental-GT-Fahrer nicht ständig der Verführung erliegen sollte, die hohen Fahrleistungen auf dicht befahrenen Straßen auszureizen. Es ist doch eine große Masse abzubremsen. Ohnehin ist auch beim zeitgenössischen Bentley nicht das Tempo das Faszinosum. Allein die Luftzufuhr mittels Zugknöpfen im Stil von Orgel-Registern zu bedienen, ist ein sinnliches Vergnügen – das ist es, worum es eigentlich geht. Das war im Jahre 1954 so, und das ist anno 2005 nicht anders.
Alt gegen neu zu fahren, ist bei diesen Autos ein Fall von verkehrter Welt. Oldtimer-Fans greifen meist zum Alteisen, weil sie ein direkteres, ursprünglicheres Fahr-Erlebnis suchen, als ihnen moderne Autos bieten können. Hier ist es umgekehrt: Der neue Continental bietet den direkteren Fahreindruck, auch wenn er bei Richtungswechseln sein immenses Leergewicht von 2,4 Tonnen nicht verhehlen kann. Wer die Lenkpräzision des neuen auf seinen 19-Zoll-Rädern mit 40er-Querschnitt mit der des alten auf seinen Diagonalreifen vergleicht, kann 50 Jahre Fahrwerks- und Reifen-Entwicklung buchstäblich erfahren.
Wobei auch der Continental-GT-Fahrer nicht ständig der Verführung erliegen sollte, die hohen Fahrleistungen auf dicht befahrenen Straßen auszureizen. Es ist doch eine große Masse abzubremsen. Ohnehin ist auch beim zeitgenössischen Bentley nicht das Tempo das Faszinosum. Allein die Luftzufuhr mittels Zugknöpfen im Stil von Orgel-Registern zu bedienen, ist ein sinnliches Vergnügen – das ist es, worum es eigentlich geht. Das war im Jahre 1954 so, und das ist anno 2005 nicht anders.
Weltentrücktes Fahrerlebnis
Schon das Anlassen des Continental GT – wieder mittels Startknopf – läßt keinen Benzinfreak kalt. Ein tieffrequentes Beben und Brabbeln, daß sich die Nackenhaare aufrichten. Am schönsten klingt er, wenn man ihn zwischen 2500 und 3000 Touren hochwummern läßt. Dann geben die Trompeten von Crewe ein durchdringendes Konzert. Bei höheren Drehzahlen wird’s wieder leise. Und das bleibt er sogar bei 280 km/h. Bei diesem Tempo liegt der GT noch immer satt und schwer wie eine Katamaran-Fähre auf spiegelglatter See. Lenkkorrekturen nicht notwendig.
Die Mixtur aus deutschem Ingenieurs-Kalkül und britischem Stil funktioniert schon ziemlich perfekt beim Bentley der Neuzeit. Auch wenn er sich ein paar Detailschwächen leistet: Die ovalen Auspuff-Endrohre sind Attrappen, die Drehknöpfe der Fußmattenhalter gehen gern verloren, und der Zündschlüssel stammt vom Golf – geschenkt! Dafür gefallen Sitze und Sitzposition besser als bei den Bentleys der Rolls-Royce-Ära.
Vor allem haben die Autos mit dem geflügelten B wieder Sound: Gäbe es einen Grammy für solche Kompositionen, wäre er hier fällig. Nicht umsonst hat Bentley fast 6000 Continental GT allein 2004 verkauft – ein Verkaufserfolg gegen den Trend im ansonsten schwächelnden High-End-Segment. Das weltentrückte Fahrerlebnis aber bietet der alte Continental: Erhaben. Distinguiert. Nicht aus dieser Zeit. Nicht von dieser Welt. Königlich eben.
Die Mixtur aus deutschem Ingenieurs-Kalkül und britischem Stil funktioniert schon ziemlich perfekt beim Bentley der Neuzeit. Auch wenn er sich ein paar Detailschwächen leistet: Die ovalen Auspuff-Endrohre sind Attrappen, die Drehknöpfe der Fußmattenhalter gehen gern verloren, und der Zündschlüssel stammt vom Golf – geschenkt! Dafür gefallen Sitze und Sitzposition besser als bei den Bentleys der Rolls-Royce-Ära.
Vor allem haben die Autos mit dem geflügelten B wieder Sound: Gäbe es einen Grammy für solche Kompositionen, wäre er hier fällig. Nicht umsonst hat Bentley fast 6000 Continental GT allein 2004 verkauft – ein Verkaufserfolg gegen den Trend im ansonsten schwächelnden High-End-Segment. Das weltentrückte Fahrerlebnis aber bietet der alte Continental: Erhaben. Distinguiert. Nicht aus dieser Zeit. Nicht von dieser Welt. Königlich eben.
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