Bikepacking: Per Fahrrad entlang der innerdeutschen Grenze
1300-km-Bike-Tripp entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze!

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In Corona-Zeiten werden die verrücktesten Reise-Ideen verwirklicht. BIKE BILD-Kollege Mathias Müller ist bei einer Bikepacking-Tour 1300 km die innerdeutsche Grenze langgefahren. Mit Video!
Was tun, wenn man nicht ins Ausland reisen, sich aber innerhalb des Landes nicht in die langen Staus auf der Autobahn einreihen möchte? Wenn man nach langer Zeit im Büro dringenden Bewegungsbedarf hat? Das hat sich unser Kollege Mathias Müller von BIKE BILD gefragt, und ist mit dem Fahrrad bei der Grenzsteintrophy2020 mitgefahren, einer Extremtour entlang der früheren innerdeutschen Grenze.
600 km auf Panzerplatten unterwegs
Die von dem Journalisten Gunnar Fehlau ins Leben gerufene Bikepacking-Veranstaltung GST20 führt rund 1300 Kilometer entlang des ehemaligen Grenzsstreifens von der Nähe des kleinen Ortes Regnitzlosa bis nach Priwall an der Ostsee. Dabei sind nicht weniger als 20.000 Höhenmeter zu bewältigen. Die bloßen Zahlen scheinen auf den ersten Blick machbar. Doch beim genaueren Hinsehen wird man misstrauisch: Wo auf dieser Strecke, auf der es keine wirklichen Berge gibt, sind die 20.000 Höhenmeter? Und tatsächlich sieht das Höhenprofil der Strecke aus wie ein Sägeblatt. Permanent geht es auf und ab – meist sehr steil. Hinzu kommt, dass mehr als 600 Kilometer der Strecke auf den von den DDR-Grenztruppen verlegten Panzerplatten gefahren werden müssen. Diese sind mal nicht gelocht, meist aber gelocht – in den unterschiedlichsten Ausführungen. Heißt: Man wird tagelang durchgerüttelt und geschüttelt!
Unterwegs mit 7,6-Zentimeter-Reifen
Aus diesem Grund bieten sich für die GST 3-Zoll-Reifen an – also 76 Millimeter breit (wir waren mit einem Surly Knard 3.0 unterwegs). Zuerst haben wir das nicht geglaubt, aber schon nach wenigen Kilometern auf den Panzerplatten war klar, dass dieser Tipp von Organisator Gunnar Fehlau absolut richtig war! Montiert hatten wir die Reifen auf einem Salsa Fargo, wohl einem der ersten Mountainbikes mit Rennlenker und somit einem Bikepacking-Klassiker aus Stahl mit mechanischen Scheibenbremsen.
Täglich 14 Stunden mit dem Rad unterwegs
In den kommenden Tagen werde ich jeden Tag rund 14 Stunden mit dem Rad unterwegs sein – davon elf Stunden im Sattel sitzen und pedalieren. Die Lochplatten rütteln mich unentwegt durch, und geschätzt 20 Mal pro Tag muss ich mein voll bepacktes, 23 Kilogramm schweres Fahrrad steile Anstiege hinaufschieben. Schlimmer noch als die Lochplatten sind die Passagen, in denen sich die Natur über die Jahre gegen den Kolonnenweg durchgesetzt hat, was für mich bedeutet, dass ich das Bike durch Gestrüpp und Brennnesselfelder wuchten oder über Baumstämme hieven muss. Ganz klar, dies ist ein Fahrrad-Abenteuer der besonderen Art.
Acht Tage lang und 1300 km weit
Drei Nächte verbringe ich im Zelt – unter anderem auf dem Brocken in 1140 Meter Höhe –, fünf Übernachtungen gönne ich mir in Hotels, die ich spontan von der Strecke aus buche. Eine warme Dusche, die Möglichkeit, die Klamotten auszuwaschen, ein weiches Bett und auch ein Bier sind nach manchen harten Tagen im Sattel einfach notwendig.
Geschafft, aber glücklich
Nach insgesamt 8 Tagen und 15 Stunden stehe ich ziemlich geschafft am Ostseestrand des Priwall. Das Salsa Fargo hat sich als absolut treuer, sicherer und somit vertrauenswürdiger Partner bewiesen. Und in mein Bewusstsein kriecht eine große Zufriedenheit. Die irren Anstrengungen der vergangenen Tage, der Schweiß, die Blessuren und auch mentalen Tiefs, die ich auf den 1300 Kilometern erfahren habe, sind in diesen Minuten nicht vergessen. Vielmehr versüßen sie den Moment. Und es bleibt – wohl sehr lange – ein Glücksgefühl, dass man für kein Geld der Welt kaufen kann.
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