Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main hat in einer Grundsatzentscheidung Verkehrsüberwachungen durch private Dienstleister für gesetzeswidrig erklärt. Auf einer solchen Grundlage dürften keine Bußgeldbescheide erlassen werden, heißt es in einer Mitteilung vom 12. November 2019. Das OLG hatte sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hanau mit einem vorangegangenen Urteil des Amtgerichts Gelnhausen befasst. Darin wurde ein Autofahrer freigesprochen, der zuvor vom Angestellten einer Privatfirma beim Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit außerorts geblitzt worden war.

Gericht: "keine Rechtsgrundlage"

Gericht: Privatfirmen dürfen nicht blitzen
Tempokontrollen dürfen nur Polizeibedienstete mit entsprechender Qualifikation durchführen.
"Die im hoheitlichen Auftrag von einer privaten Person durchgeführte Geschwindigkeitsmessung hat keine Rechtsgrundlage. In der Folge hätte das Regierungspräsidium Kassel keinen Bußgeldbescheid erlassen dürfen", heißt es im schönsten Amtsdeutsch in der Urteilsbegründung des OLG Frankfurt. Die Ortspolizeibehörde dürfe die Verkehrsüberwachung nur durch eigene Bedienstete mit entsprechender Qualifikation vornehmen. Als Folge seien "sämtliche Verkehrsüberwachungen des gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirks der Gemeinden Freigericht und Hasselroth mindestens seit dem 23.03.2017 unzulässig", stellte das OLG fest. Darüber hinaus dürfte dies auch für die Gemeinden Brachttal und Nidderau gelten.

Private Messungen schwer zu erkennen

Aber hat dieses Urteil auch übergeordnete Bedeutung? "Die Argumente in der Beschlussbegründung gelten bundesweit", sagte Verkehrsrechtsexperte Detlef Grube gegenüber BILD. Grundsätzlich könne sich demnach jeder Betroffene gegen solche Knöllchen wehren. Auch der prominente Fachanwalt Uwe Lenhart meint: "Immer dann, wenn die Messung und Auswertung privaten Firmen übertragen ist, ist das unzulässig." Dann könnten die Messdaten nicht als Beweise verwertet werden. Das Problem ist jedoch, dass private Messungen nicht so einfach zu identifizieren sind. Dafür ist Akteneinsicht und damit meist anwaltliche Hilfe nötig.

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Private Dienstleister in mehreren Bundesländern

Nicht nur in Hessen, auch in anderen Bundesländern setzen Kommunen private Dienstleister als Tempowächter ein. Ähnliche Urteile wie das aktuelle gab es auch schon in der Vergangenheit, unter anderem am OLG Frankfurt. In Kassel sorgte zudem ein Blitzer-Skandal für Aufsehen, als ein Beamter der Stadtverwaltung einer privaten Betreiberfirma unterschriebene Blankoformulare für Messprotokolle zur Verfügung stellte. Es setzte im November 2018 hohe Geldstrafen sowie eine Bewährungsstrafe für den Stadtbeamten. Weitaus größere Bedeutung könnte die Tatsache erhalten, dass die meisten gängigen Blitzer wegen fehlender Rohmessdatenspeicherung eigentlich unzulässig sind. Eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus.