Die Turbos kommen. Kein Zweifel mehr, sie kommen von oben und drängen nach unten. Erst trieben sie es nur sportlich, dann eroberten sie den Diesel. Und nun sind es die Benziner auf breiter Front. Auch BMW knickt ein – die Saugmotoren, jahrzehntelang Visitenkarten des Hauses, sind weg. Im neuen 1er blasen durchweg Turbos. Sakrileg? Ein Vergehen an der glorreichen Tradition der Marke? Die Geschichte weiß es besser. Schließlich gehört BMW zu den Pionieren der Abgasturbine. Bereits 1973, als andere in ihren Saugern noch mühsam nach PS fahndeten, schnallten die Bayern einfach einen Turbolader drauf. Und schon schoss die Leistung um 40 Prozent nach oben.

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BMW 118i
Auf der Höhe der Zeit: Im BMW 118i arbeitet ein 1,6 Liter großer Turbo-Vierzylinder.
Das Auto hieß 2002 turbo und war käuflich zu erwerben. Zugegeben, nur 1672 wurden gebaut, aber immerhin. 170 PS zählte die Turbomaschine, genauso viel mithin, wie der neue 118i zu bieten hat, der vorläufige Top-Benziner. Wo bleibt da eigentlich der Fortschritt? Sicher, der Alte schöpfte aus zwei, der Neue aus nur 1,6 Litern Hubraum. Dennoch: Die Frage muss gestellt werden, am besten natürlich in Anwesenheit des Ur-Turbos. Zunächst der Technikvergleich: Der 118i verfügt über alles, worauf die Ingenieure bei BMW heute stolz sind: vier Ventile pro Zylinder, "Twin-Scroll"-Turbolader, elektronische Direkteinspritzung, variablen Ventilhub, variable Steuerzeiten und mehr. Der Alte hat eine Einspritzung (mechanisch) und einen großen Turbo. Der Neue bietet sechs Gänge, der Alte vier, auf Wunsch fünf. Den Rest ersparen wir uns, schließlich zählt, was hinten rauskommt.

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BMW 2002 turbo
Turbo-Tier: Der zwangsbeatmete 2002 verlangt nach einem geübten Piloten.
Also zum Datenvergleich: gleiche Leistung, fast gleiches Drehmoment (damals: 240, heute 250 Newtonmeter), aber der Alte braucht dazu 4000 Umdrehungen, der Neue nur 1500. Aha. Weiter: Gewogene 1125 Kilo wiegt der Ur-Turbo, heute: versprochene 1370. 0 auf 100 in 7,1 Sekunden (alt) und in 7,4 (neu), Spitze 211 km/h und 225. Bescheiden, der Fortschritt bis jetzt. Der aber zeigt sich mit einem breiten Lächeln beim Verbrauch: früher 15,8 l/100 km (im Test) heute: 5,8 (auf dem Prüfstand). Wir schreiten zur Nagelprobe: fahren. Für den 118i gilt, was wir schon über den 120d vermeldeten: sehr erwachsen geworden, der kleine BMW, zugleich angenehm hochwertig und komfortabel. Mit dem leichteren Benziner auf der Vorderachse lenkt er noch flinker als der Diesel, läuft obendrein ruhiger. Ein Vergnügen auch die manuelle Sechsgangschaltung.
Aber wo stecken die vielen PS? Gefühlt sind es höchstens 140. Erst bei 3000 Touren kommt Leben in die Bude, das Hochdrehen ans Limit bereitet dem Turbo keine Freude. Und seine Anstrengungen begleitet ein raues Gefühl, das uns ständig daran erinnert, was uns am meisten fehlt: ja genau, ein Reihensechszylinder. Umsteigen in den Oldie und durchatmen. So eine Aussicht, so eine Übersicht, so wenig Karosserie. Der Fahrer kommt sich richtig entblößt vor. Der alte Turbo verschluckt sich kurz, dann brummt er los. Rühren in der labberigen Schaltung, Gas geben mit wenig Erfolg. Mehr Gas geben. Die Nadel im Drehzahlmesser kriecht auf 3500. Dann plötzlich ist er da: der Turbo, er schlägt zu. Wie ein Tsunami überschwemmt Power die kümmerlichen Antriebsräder mit den Ballonreifen.
Und der 2002 prescht vehement los. Technisch nicht optimal, aber aufregend war das damals. Als die Kunst darin bestand, stets am Rande eines riesigen Turbolochs zu balancieren, um dann den Turbobums fahrdynamisch abzufangen. Schwierig. Aber ein Spaß, den sie beim 118i gründlich wegoptimiert haben, und den uns der alte 2002 turbo noch gönnt – ungezwungen und politisch vollkommen unkorrekt. Passend zur Spiegelschrift auf dem Frontspoiler.

Fazit

von

Wolfgang König
Auf Anhieb keine Offenbarung, der neue Turbo-Vierzylinder. Einen Reihensechszylinder, nach dem der neue, komfortablere 1er schreit, wird er nicht ersetzen können. Aber zugegeben: Der Normverbrauch ist für einen Benziner eine Sensation. Wer hätte das zu Zeiten des 2002 gedacht, als Turbos noch ungehemmt saufen durften? Unbekümmerte Zeiten waren das, Spaß hat es gemacht. Damals. Heute weht eben ein anderer Wind.

Von

Wolfgang König