Mit dem M4 GTS kommt BMW dem Ideal vom Rundstrecken-911er so nahe wie nur ein Mal zuvor. Wir haben den GT3 noch einmal antreten lassen.
So ein Porsche 911 GT3 kennt eigentlich keine natürlichen Feinde. Zumindest keine, die in seinem Leistungsrevier wildern. Vor allem auf der Nordschleife, wo er seit jeher in Regionen herumturnt, die sonst nur V12-Lamborghinis, V8-Ferraris oder fabulösen Nissans vorbehalten sind. Ihm mit gleicher Leistung auf gleicher Höhe zu begegnen, war bislang jedenfalls nur einem gelungen: dem BMW M3 CSL, der mit 7:50 Minuten einst ein geradezu heldenhaftes Epos in die Annalen des Rings gebrannt hatte. Und genau dieses Epos schrieb der M4 GTS nun im zeitgemäßen Kontext fort, als er die 7:25 Minuten des letzten 911 GT3 mit einer nicht minder beeindruckenden 7:28er-Zeit konterte.
Die Abstammung der beiden könnte unterschiedlicher kaum sein
Während der 911 GT3 auf einem Sportwagen basiert, hat der M4 GTS die Gene eines Mittelklasse-Coupés.
Das Niveau, auf dem sich BMW und Porsche hier begegnen, ist also tatsächlich nahezu gleich. Und das, obwohl zwischen den beiden letztlich ein doch recht elementarer Unterschied klafft. Denn im Gegensatz zum GT3, der als performantere Ableitung aus einem Sportwagen hervorgeht, wurzelt so ein GTS noch immer in einem ziemlich harmlosen Auto. Seine Basis ist der 4er, mit all den allgemeinautomobilen Unzulänglichkeiten, die so eine Mittelklasse nun mal mit sich bringt – und diese muss man erst mal austreiben, ehe man etwas so Rekordlüsternes wie den GTS überhaupt andenken kann. Schreiten wir die Zwei-Phasen-Mutation kurz entlang; schließlich betrifft schon die Wandlung zum M4 nicht weniger als das gesamte Auto. Die elementaren Bausteine sind natürlich Motor, Getriebe, Fahrwerk, Radsatz und Bremsen, die allesamt aus der M-Schmiede stammen; dazu kommen muskulösere Anbauteile aus Aluminium und Kohlefaser, das aktive Sperrdifferenzial als Herz der Querdynamik sowie zusätzliche Verstrebungen im Unterbau, damit all diese Komponenten auf einem steiferen Chassis fußen.
Der M4 GTS bietet unfassbar viele Einstellmöglichkeiten
Video: BMW M4 GTS (2016)
So klingt der M4 GTS
An dieser Stelle endet die normale Entstehung, die Geburt des GTS jedoch setzt hier erst an: Wasser zur weiteren Kühlung der Ansaugluft, damit der konstruktiv limitierte Reihensechser auf 500 PS und 600 Newtonmeter erstarkt; CFK-Leichtbau an Motorhaube, Splitter, Heckspoiler, Diffusor und Instrumententräger; ein einstellbares Heckleitwerk, das auf CNC-gefrästen Stützen emporragt; vier gelaserte Titan-Endrohre, die sich durch die Schürze fädeln; sportbereifte Schmiederäder in 19 und 20 Zoll, dazu serienmäßige Keramikbremsen; anstelle der Rückbank bewohnt ein lackierter Überrollbügel den Alcantarafond; Vollschalen, Sechspunktgurteund Feuerlöscher liegen ebenfalls bei, während der größte Trumpf überhaupt in Form des Drei-Wege- Gewindefahrwerks ins Radhaus schlüpft: insgesamt 20 Klicks in der Druckstufe (6x Lowspeed, 14x Highspeed), 16 in der Zugstufe, dazu jeweils drei verschiedene Positionen für Frontsplitter und Heckspoiler sowie zwei separat einstellbare Höhenniveaus an Front und Heck. Ergibt in Summe über 25.000 (!) verschiedene Setup-Möglichkeiten, die man sich in alter Rennsporttradition noch selbst herausschrauben kann.Rennsport und Tradition vereint natürlich auch der Porsche – im Prinzip sogar wesentlich stringenter als der BMW, dessen Gastspiel im Olymp der Fahrdynamik einmalig auf 700 Exemplare limitiert war. Der GT3 hingegen lebt jeden Modellzyklus konsequent mit, steht ihm als sportliches Oberhaupt voran; auch wenn ihm genau dieser Anspruch in letzter Zeit schon sehr an die Substanz ging. Wir alle kennen das Sprichwort von der Höhe, in der die Luft bekanntlich dünner wird. Der GT3 kann hiervon ganze Arien singen.
Für den GT3 ist seine technische Basis durchaus ein Fluch
Über-Elfer: Um den GT3 von seiner Basis abzuheben, muss Porsche schon einigen Aufwand betreiben.
Grund sind die Basis-Elfer, die seit Einführung der 991er-Baureihe regelrechte Dynamiksprünge machen und den Doktor der Fahrphysik damit zu immer komplexeren Problemlösungen zwingen. Der kommende GT3 steht diesbezüglich vor der größten Herausforderung überhaupt, wenn man bedenkt, dass er sich fortan sogar gegen Turbos behaupten muss. Doch auch der erste 991er-GT3 musste so manches Mal tief in die Technik-Trickkiste greifen, um seine Vormachtstellung zu behaupten. Ein noch radikaleres Saugmotorkonzept etwa, das den Drehzahlgipfel auf glatt 9000 Touren hob; noch mehr Spurweite, dazu erstmals eine aktive Hinterachslenkung oder das eigens für ihn entwickelte Vollaluminium-Fahrwerk, das sportbereifte 20-Zöller mit Zentralverschluss führt. Am deutlichsten ließ sich der Performance-Druck jedoch daran ablesen, dass er sich so sentimentale Sinnlichkeiten wie eine Handschaltung gänzlich verkniff. Das Doppelkupplungsgetriebe sei in jeder Hinsicht effizienter als ein von Hand geführter Taktstock und daher die einzig konsequente Wahl für einen Performance-Elfer, lautete der damalige Tenor von offizieller Seite. Mit anderen Worten: Wir brauchen jede Zehntel, zur Not auch die, die der Mensch allein nicht mehr findet.
Wie sich BMW M4 GTS und Porsche 911 GT3 fahren, sehen Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv.
Fazit
von
Manuel Iglisch
Der Reiz dieser Paarung liegt weniger im fahrdynamischen Niveau, auf dem sich M4 GTS und 911 GT3 begegnen, als vielmehr darin, dass sie dieses auf völlig unterschiedliche Art erreichen. Auf der einen Seite der Porsche, der das Ideal des Präzisionssportwagens verkörpert und mit seinem infernalisch drehenden Sauger zur vielleicht letzten Rundstreckenbastion für Puristen avanciert. Auf der anderen Seite der BMW, der sich im Stile der alten Tourenwagentradition gibt, seinem Reihensechser mittels Wasser mächtig einheizt und dazu ein Handling kultiviert, das so locker und ungezwungen, wie man es erlebt, in dieser Liga eigentlich gar nicht sein dürfte.