Was haben wir Motorjournalisten dem letzten BMW M6 nicht alles vorgehalten. Er sei zu groß für ein Sportcoupé, zu radikal für einen GT, würde maßlos trinken, das, was sein Datenblatt verspricht, nur im absoluten Radikalprogramm einlösen und wirke mit seinem holprigen Getriebe wie ein übermotorisierter Smart im Maßanzug. Gut, ein Freund des Kompromisses war der letzte M6 sicherlich nie. Und seine teils recht legere Haltung zur CO2-Diskussion lässt sich wohl auch in Momenten verklärender Nostalgie nicht vollends wegdiskutieren. Doch eines sollte man ihm dabei nie absprechen: den Sinn für Tradition. Denn streng genommen führt der M6 der baureihe E63 nur fort, was die M GmbH bereits einundzwanzig Jahre zuvor auf den Weg gebracht hat: die konsequent sportliche Motorisierung eines großen Reisecoupés.
BMW M635 CSi 1984
Der M635 CSi wurde bei M entwickelt, aber später bei BMW gebaut.
Denn schon der erste 6er aus dem Hause M schlüpft in eine Nische, die eigentlich erst heutzutage so richtig salonfähig wird. Formal mimt er den klassischen GT, antriebstechnisch den zivilisierten Rocker. Im Zentrum steht dabei sein Motor. 3,5 Liter, verteilt auf sechs Zylinder in Reihe, jeder einzelne vierfach ventiliert, doppelt genockt und versorgt über eine eigene Drosselklappe. Einst hatte er sich längs hinter den Vordersitzen einer kompromisslosen Straßenflunder einquartiert, nun durfte er in den – zugegeben recht knapp bemessenen – Nordflügel eines zeitlos eleganten Zweitürers umziehen. Doch völlig spurlos ging die Transplantation der M1-Genetik natürlich nicht über die Bühne. Das bescherte dem Renntriebwerk deutlich mehr Laufkultur, einen geringeren Kraftstoffverbrauch und – als kleinen Seitenhieb in Richtung Genspender – neun zusätzliche PS. Allerdings nur, sofern man die hochverdichtete Variante ohne katalytische Nachbehandlung orderte. War das reinigende Geflecht ins Doppelrohr integriert, musste sich die hochoktanig ausgelegte Maschine auf ein bleifrei-verträgliches Verhältnis von 9,8:1 stutzen lassen. In Zahlen bedeutet das: 260 statt 286 PS und 330 statt der vollen 340 Newtonmeter. Wie gesagt: Der M635 CSi versteht sich nicht als Sportler unter den GTs, sondern als GT unter den Sportlern. Mit seiner großzügig zusammengestellten Serienausstattung wuchtet er 1500 Kilogramm auf die Waage. Dennoch ist er sich für ein 25-prozentiges Sperrdifferenzial, ein Fünfgang-Sportgetriebe (erster Gang links oben!) oder das Sportfahrwerk mit Gasdruck-Stoßdämpfern nie zu vornehm. Warum man ihn, obwohl er eigentlich ein Kind der M GmbH war, dennoch bei BMW produzierte und ihm dadurch den Titel "M6" verwehrte, bleibt daher wohl ewig das Geheimnis interner Akten.

Gestern und heute: Porsche-Legenden unter sich

BMW M6 Coupé 2005
Im Alltag schunkelt der M6 unbeholfen durchs Siebengang-SMG und verbraucht rund 17 Liter.
21 Jahre später hielt sich die Mutter wohlwollend zurück, als die M GmbH das Konzept der sportlichen Vollwertflunder erneut aufgriff und mit einem neu entwickelten Hochdrehzahl-V10 auf die Spitze trieb. Und dieser Motor war tatsächlich der gesamte Stolz seiner Entwickler. Extrem kurzhubig, hoch verdichtet, gegossen in jener Leichtmetallgießerei, die einst auch die Formel-1-Blöcke herstellte, und gewichtsoptimiert: 507 PS bei 7750/min, 520 Nm bei 6100/min. Polarisierend war jedoch weniger die Leistung an sich als vielmehr die radikale Art des gesamten Antriebs. Egal wie, ob langsam oder schnell, ob zart oder hart, das Coupé hat für jeden Geschmack die passende dynamische Ausrichtung.
BMW M6 Coupé 2012
Leichtigkeit ist das, was dem neuen M6 am ehesten fehlt,  da er das Thema Fahrdynamik äußerst ernst nimmt.
Die Neuauflage 2012 zündet erst dann so richtig, wenn man den Prozessor auf scharf konfiguriert. Der M6 feuert binnen Sekunden in ein längsdynamisches Paralleluniversum. Sein Motor drückt ebenso brutal, wie er dreht, er hämmert und röhrt (Sounddesign sei Dank) in bester Sportmotor-Manier durchs Cockpit, die synthetisch steife, aber extrem direkte Servotronic packt Kurven aller Couleur gnadenlos am Scheitel. Verglichen mit dem Neuen, der Masse mit Leistung, Keramik und Adaptivdämpfern begegnet, sich manchmal vielleicht schwer anfühlt, doch nur seltenst schwerfällig fährt, wirkt unser Urahn aus dem Jahre 1986 trotz seiner 286-PS-Maschine dann doch etwas zahnlos – ohne es aber wirklich zu sein.
Weitere Details zu den drei Traumautos bekommen Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel gibt's im Online-Heftarchiv als PDF-Download.

Fazit

von

Manuel Iglisch
Der Mythos des schnellen 6ers fußt auf dem ebenso gewagten wie gelungenen Experiment, die Gene eines GT mit denen eines Sportwagens zu kombinieren. So gesehen ist Nummer 1 das Original, Nummer 2 das Extrem und der Neuentwurf schließlich die Perfektion.

Von

Manuel Iglisch