Elektroautos brauchen Spezialteile, etwa besondere Reifen. So propagiert es die Industrie. Nun kommen Zulieferer mit der Nachricht, dass für Stromer bei der Wartung eine extra für E-Autos entwickelte Bremsflüssigkeit einzusetzen sei. Kann das sein? Oder ist das Marketinggetrommel, um Elektrofahrern das Geld aus der Tasche zu ziehen?
Zahlreiche Experten, etwa von Liqui Moly, ATE und Hella Pagid, haben die Bremsen und deren Beanspruchung in E-Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden untersucht. Sie alle kommen zu dem Schluss, dass vor allem der Bremskreislauf bei Elektromodellen anfälliger für Rostbefall ist als bei Verbrennern. Grund: Die Rekuperationstechnik, also die Energierückgewinnung beim Verzögern, entlastet die normale Bremsanlage so stark, dass sich die Bremsflüssigkeit viel seltener bewegt.
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Das wiederum hindert aufgenommenes Wasser daran, sich mit dem gesamten Volumen der Bremsflüssigkeit zu verbinden, wie es bei Verbrennern der Fall ist. Und diese "schlafende" oder "müde" Flüssigkeit erzeugt punktuell Korrosion. Die dadurch entstehenden Rauheiten in Bremsleitungen und ABS-Steuergeräten wiederum können zu Undichtigkeiten und Bremsflüssigkeitsverlust führen.
Um diesem Effekt vorzubeugen, haben inzwischen alle namhaften Bremsflüssigkeitenhersteller spezielle Produkte für E-Autos im Programm (siehe Tabelle unten), die durch Additive den Korrosionsprozess erheblich verlangsamen.

Bei Inspektionen nach Spezialflüssigkeit fragen

Momentan werden aber noch fast alle E-Autos ab Werk mit normaler Bremsflüssigkeit ausgeliefert. Bei Werkstattbesuchen und Inspektionsterminen sollten sich Elektroauto-Fahrer also nach Verwendung dieser Mittel erkundigen. Sie lassen sich problemlos mit den konventionellen Produkten mischen, sollten aber in jedem Fall eine Herstellerfreigabe auf ­ weisen.
Eine E-Auto-Bremse muss nicht nur rostbeständiger sein, sondern auch besonders reaktionsschnell. Obwohl sie weniger benutzt wird als im Verbrenner, ist sie im Einsatz stark gefordert, ABS und ESP sind häufiger aktiv, und die Bremsanlage wird sehr heiß. Denn Stromer sind schwer und beschleunigen rasant.
Spezialmittel für Bremsen
Flugrostbefall an einer Tesla-Bremsscheibe. Durch Rekuperation wird die Bremse seltener benutzt.
Bild: Sandra Beckefeldt / AUTO BILD

Je niedriger die Viskosität der Flüssigkeit, desto schneller die Übertragung der Bremsimpulse. Um extremen Temperaturen zu widerstehen, haben E-Bremsflüssigkeiten einen hohen Trockensiedepunkt (neuwertig ohne Wasser) wie auch einen erhöhten Nasssiedepunkt (gealterte Bremsflüssigkeit mit aufgenommenem Wasser). Der Siedepunkt liegt zwischen 180 und 270 Grad Celsius. Ein hoher Nasssiedepunkt verhindert vor allem die Dampfblasenbildung, die zum gefürchteten Bremsausfall führen kann.

Magnetfelder können Bremsflüssigkeit elektrolytisch zersetzen

Dritte wichtige Eigenschaft der Spezialprodukte ist eine möglichst niedrige Stromleitfähigkeit. Immerhin liegt die Spannung der dicken Leitungen eines E-Autos bei bis zu 400 oder gar 800 Volt. Wenn sie sehr nah an Bremskomponenten verlaufen, wird's kritisch. "Die dadurch induzierten Magnetfelder können eine Bremsflüssigkeit elektrolytisch zersetzen. Außerdem wird die elektrochemische Korrosion verstärkt", erklärt David Kaiser, Entwicklungsleiter bei Liqui Moly. Darum sollte die Leitfähigkeit möglichst niedrig gehalten werden.
Klar, all das hat seinen Preis. Die Spezialbremsflüssigkeiten für E-Autos kosten rund 25 Prozent mehr als die normalen Produkte. Immerhin verlängert sich das Wechselintervall bei einigen Anbietern von zwei auf drei Jahre.

Spezielle Bremsflüssigkeiten für E-Autos*

Spezielle Bremsflüssigkeiten für E-Autos*
Trockensiedepunkt 
267 Grad 
260 Grad 
260 Grad 
260 Grad 
260 Grad 
265 Grad 
270 Grad 
274 Grad 
Nasssiedepunkt 
172 Grad 
180 Grad 
180 Grad 
180 Grad 
180 Grad 
180 Grad 
185 Grad 
184 Grad 
Viskosität bei 100 Grad 
2,1 mm²/s
1,5 mm²/s
keine Angabe 
1,5 mm²/s
keine Angabe 
keine Anagbe 
keine Angabe 
keine Angabe 
Viskosität bei -40 Grad 
675 mm²/s
810 mm²/s
670 mm²/s
900 mm²/s
900 mm²/s
750 mm²/s
670 mm²/s
keine Angabe