Bürokraten-Irrsinn
Die kleinste Umweltzone der Welt

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Chaos in der Brackeler Straße. Weil es das Gesetz so will, bekam Dortmund eine Umweltzone. Die ist zwar sehr klein, stiftet aber große Verwirrung – bei Anwohnern, Autofahrern und Behörden.
Grünphase. Und der Auspuff eines alten 124er-Mercedes-Diesel bläst schwarzen Qualm in die Luft. Ein 40-Tonner hüllt Fußgänger in eine dichte Dunstwolke. Die Abgase brennen in den Augen und auf der Zunge. Wer sich hier aufhält, dem wird nach kurzer Zeit übel. Alltag auf der Brackeler Straße in Dortmund. Wir stehen an Deutschlands dreckigster Ecke – wenn man der amtlichen Luftmessstation Glauben schenkt. 81-mal wurde hier der Grenzwert für Feinstaub im Jahr 2007 überschritten, öfter als an jedem anderen Punkt der Republik. Eigentlich dürften das Altauto und der Laster hier gar nicht fahren. Für sie ist dieser Teil der Brackeler Straße Sperrgebiet. Die Bezirksregierung Arnsberg hat ihn zur Umweltzone erklärt – Deutschlands kleinster. Wer das Schild passiert, ist nach genau 315 Metern Fahrt auch schon wieder draußen. Das dauert ein paar Sekunden.
Diese Umweltzone ist ein Schildbürgerstreich

Weder Polizei noch Stadt kontrollieren

Auch schwere Lkw kümmert das Verbot wenig. Bulli-Fahrer Frank Knehaus fand den richtigen Ansprechpartner im Tiefbauamt. Dort erteilte man ihm eine befristete Ausnahmegenehmigung. "Für meinen 17 Jahre alten VW Bus gibt es keinen nachrüstbaren Katalysator", sagt Knehaus. "Und ich bin als Markthändler auf das Auto angewiesen." Demnächst muss Knehaus wieder zum Amt. Ob die Genehmigung verlängert wird, weiß er heute noch nicht. Und selbst wenn es klappt, ist dies kein Freifahrtschein. Denn ab Oktober soll in Dortmund eine große Umweltzone für die Innenstadt kommen. Ob Knehaus' Ausnahmegenehmigung da auch gilt, steht in den Sternen. Tomas von Wnorowski findet das alles nicht so schlecht. Der 55-jährige Fotograf hat seit acht Jahren kein Auto mehr und schimpft über die schlechte Luft in seiner Straße.
Vorerst werden keine Bußgelder verhängt
"Diese paar Meter bringen gar nichts", sagt Wnorowski. Für den Feinstaub sei vor allem die Industrie verantwortlich. Da die Zone jetzt aber schon einmal da sei, sollte auch scharf kontrolliert werden. Doch bislang passiert nichts. Grund: Die örtliche Polizei und die Stadt Dortmund sind von der Bürokratie, die eine Umweltzone mit sich bringt, überfordert. Wegen eines "fehlenden Tatbestandskatalogs", so die Stadt, könne man vorerst keine Bußgelder verhängen. Außerdem liege die Brackeler Straße außerhalb der Rundgänge der Verkehrsaufsicht. Diese Auffassung verwundert widerum die Polizei. "Im Rahmen allgemeiner Verkehrskontrollen können wir den Tatbestand der fehlenden Plakette aufnehmen", sagt Polizeisprecher Wolfgang Wieland.
Die Fälle leite man an das Rechtsamt der Stadt Dortmund weiter. Dort werde dann eine Strafe von 40 Euro und verhängt, und es gebe einen Punkt in Flensburg. Zumindest theoretisch – denn praktisch wartet die Stadt ja noch auf ihren Tatbestandskatalog. Abgesehen davon hat die Polizei ohnehin nicht vor, Autofahrer gezielt auf Feinstaubplaketten zu kontrollieren. So sorgt das Bürokraten-Chaos wenigstens dafür, dass die Autofahrer eine Schonfrist bekommen. Und sich in Ruhe überlegen können, was sie tun wollen: Das alte Auto umrüsten, sich einen sauberen Neuwagen zulegen, eine Ausnahmegenehmigung beantragen – oder gleich zu Fuß gehen. Wie sie sich auch entscheidem: Die Luft in der Brackeler Straße wird dadurch sicher nicht sauberer.
Ab Oktober wird wieder alles anders
Im Moment gibt es freie Fahrt für die gelben und grünen Feinstaubplaketten in der Brackeler Straße. Bessern sich die Messwerte in den nächsten Monaten nicht, dürfen nur noch Autos mit grüner Plakette in die Straße. Der neue Bürokraten-Wahnsinn: Ab Oktober soll die Mini-Zone in der großen Dortmunder Umweltzone aufgehen.
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