Ein Roadster nach dem absoluten Reinheitsgebot. Und ein Motorrad, das alle Dimensionen sprengt. Ein Vergleich unvergleichlicher Frischluft-Philosophien mit Caterham Seven und Honda Gold Wing.
Es gibt keine dummen Fragen. Und wer nicht fragt, bleibt dumm. Wissen wir seit der Sesamstraße. Und kommen Ihnen jetzt mit so was. Caterham gegen Gold Wing – wer könnte da wohl das Auto sein? Gibt es womöglich doch, sagen wir mal, weniger schlaue Fragen? Und ebensolche Fragensteller? Nein! Und ganz entschieden nein! Denn so eindeutig, wie sich unsere Eingangsfrage theoretisch darstellt (weil Auto = mehrspurig), so berechtigt erscheint sie nach einer Probefahrt. Bitte sehr! Steigen Sie doch mit uns ein. Oder sagen wir besser: auf die Gold Wing und in den Caterham hinab.
Mit dem Caterham kommt man so richtig tief auf die Straße
Flach, flacher, Caterham Seven: Der giftgrüne Roadster bringt es gerade einmal auf 1,09 Meter Höhe.
Wie niedlich! Trüge der Caterham nicht diese schrille neongrüne Leuchtfarbe – wir hätten ihn in der Tiefgarage glatt übersehen. Kein Wunder. Mit 1,09 Meter "Höhe" unterfliegt der Roadster ganz locker unser Radar. Sowie die Sichthöhe von Gold-Wing-Granden – die thronen fast einen halben Meter über dem kleinen grünen Engländer. Und lächeln mitleidig, wenn wir uns in das enge Alu-Chassis einfädeln. Es gleicht schon eher einer Yogaübung für Fortgeschrittene, wenn wir hinter dem airbaglosen Momo-Lenkrad Platz nehmen, uns das Vierpunktgeschirr des R-Pakets anlegen und im ultraschmalen Fußraum darum kämpfen, nicht alle Pedale gleichzeitig zu treffen. Es gibt den Seven aber auch als Ein breites Grinsen beim Piloten provoziert ohnehin jeder Caterham. Beim Fahren. Also den 1,6-Liter-Vierzylinder vor uns anwerfen, den kürzesten Schalthebel der Welt auf „1“ schnipsen und ab dafür. Aber hallo! Der Zwerg von der Insel geht los wie ein Stier angesichts eines roten Tuchs. Klack, zwei: röchel. Klack, drei: röhr. Klack, vier: brüll.
Als Fliegengewicht braucht man keinen fetten Motor
Wenn 131 PS auf lediglich 540 Kilogramm Gewicht treffen, dann steht purer Fahrspaß auf dem Programm.
Die winzigen 13-Zoll-Räder (260 Euro) verbeißen sich gnadenlos im Asphalt und schicken den Seven in 5,0 Sekunden auf Tempo 100. In solchen Regionen tummeln sich sonst eher richtig potente Sportwagen, dem Caterham reichen dafür 131 PS – die aber auch nur 540 Kilo bewegen müssen. Noch mal zum Genießen: fünf-hundert-vierzig Kilo. Und die schubst der furchtlose Ford-Motor mit aufreizender Lässigkeit durchs Land. Kein Wunder. Denn der Caterham verzichtet von Airbag bis Zentralverriegelung so ziemlich auf alles, was Autos heute schwer und nicht selten schwerfällig macht. Kurvige Landstraßen werden so zum Abenteuerspielplatz für Kinder ab 18, schon ab Tempo 80 fällt der Fahrtwind wie ein Orkan über den Piloten her, und wer die Kunststofftürchen rausnimmt, ringt spätestens ab 120 km/h um Luft. Herrlich. Ungefilterter und mitreißender lässt sich offen fahren nicht genießen. Oder etwa doch, auf zwei Rädern?
Die Gold Wing hat mehr Ausstattung als ein Kleinwagen
Fett und vollgepackt: Auf einer Gold Wing wird der Fahrer nichts vermissen – die große Honda hat alles.
Also her mit der Gold Wing. Dem ultimativen Honda-Hocker, der Königin aller Kräder, dem Big Mac unter den Bikes. Und erst mal staunen: Was für ein Trumm! Per Funkfernbedienung werden die üppigen Koffer freigegeben, im Cockpit leuchten wahrscheinlich mehr Lämpchen als bei der gesamten Jahresproduktion von Caterham, hinterm breiten Lenker Platz zu nehmen hat schon was Majestätisches. Dann erst der Start. Sanft säuselnd erwacht der 1,8 Liter große Sechszylinder-Boxer, mit dem elektrischen Rückwärtsgang zuckeln wir cool aus der Parkbox, über die Lautsprecher rieselt unsere Lieblingsmusik vom iPod oder auch eine Navigationsansage. Ja, richtig gelesen. Die Gold Wing bringt mehr Ausstattung mit als ein herkömmlicher Kompaktwagen. Sogar einen Airbag haben die Japaner eingebaut. Wir vermissen eigentlich nur die Automatik, die Honda bei anderen Motorrädern ja tatsächlich schon anbietet.
Auf Landstraße und Autobahn ist die Gold Wing zu Hause
Mit 421 Kilo ist die Gold Wing ein echter Brocken – der sich aber ganz erstaunlich handlich fahren lässt.
Und natürlich eine elektrische Höhenverstellung für die Frontscheibe. Diesen Schutzschild manuell zu entriegeln und dann beidhändig nach oben zu ruckeln ist absolut unwürdig. Und der ganze Luxus macht die Fuhre schwer. Sehr schwer sogar. Unfassbare 421 Kilo bringt der Brocken auf die Waage. Uff! Und: nanu? Denn die Gold Wing fährt sich für ihr Gewicht erstaunlich unproblematisch. Stadtverkehr und Stau nerven zwar, ansonsten schnurrt der Kaventsmann ebenso lässig mit Tempo 200 über die Autobahn, wie er sich willig in Kurven legen lässt. Chapeau! Natürlich wieselt der Caterham dem Koloss auf kurvigem Geläuf um die Koffer, als seien diese mit Blei ausgegossen. Doch auf der Geraden lässt sich die GL 1800 vom reduzierten Roadster nicht abhängen, Könner fahren mit ihr sogar vorneweg. Keine Frage, mit 118 PS steht Hondas herrschaftlicher Hobel gut im Futter. Und auch auf unserem Konto sollte gerade keine Dürre herrschen. Mit 31.900 Euro gehört die Gold Wing auch preislich zu den Schwergewichten, für den Caterham 275 R werden sogar 42.775 Euro fällig.
Günstig gibt es den Frischluftspaß also nicht. Weder auf zwei, noch auf vier Rädern. Die Eingangsfrage, wer denn hier jetzt das Auto ist, lässt sich dagegen ganz leicht beantworten: beide! Der Caterham konstruktiv, die Gold Wing gefühlt. Noch irgendwelche schlauen Fragen?
Technische Daten Caterham 275 R: • Motor: Vierzylinder, vorn längs • Hubraum: 1596 cm³ • Leistung: 96 kW (131 PS) bei 6800/min • max. Drehmoment: 165 Nm bei 4100/min • Vmax: 196 km/h • 0–100 km/h: 5,0 s • Verbrauch: 6,2 l/100 km • L/B/H: 3130/1575/1090 mm • Preis: ab 42.775 Euro
Technische Daten Honda GL 1800 Gold Wing: • Motor: Sechszylinder-Boxer, vorn längs • Hubraum: 1832 cm³ • Leistung: 87 kW (118 PS) bei 5500/min • max. Drehmoment: 167 Nm bei 4000/min • Vmax: 200 km/h • 0–100 km/h: k. A. • Verbrauch: 6,6 l /100 km • L/B/H: 2630/945/1455 mm • Preis: ab 31.900 Euro
Es lebe die Vielfalt! Natürlich gibt es hier rein formal nur ein Auto: den Caterham. Gefühlt sieht die Sache ganz anders aus. Da liegt der Seven 275 R viel dichter am Motorrad. Und die Gold Wing näher am Auto. Spaß am Offenfahren bereiten sie allerdings beide – nur auf ganz unterschiedliche Art. Und das ist gut so.