Amerika bedeutet vor allem Autos

Was für ein Kontrast: Die Straßen, auf denen letzte Nacht das bunte Leben tobte, sind heute morgen ausgestorben. Cleveland liegt noch im Bett. Zwei, drei rote Ampeln und der Freeway hat uns wieder. Freeway, das bedeutet zwei Spuren pro Richtung, zügige Fahrweise, schnelles Reisen, aber leider auch Monotonie. Irgendwie sieht alles gleich aus: "Food Stop next exit" oder "Visit the roller coaster museum" oder "Motel 6 take exit 123"...

Freewayfahren bedeutet von A nach B kommen. Zu sehen ist wenig. Deshalb verlassen wir die I 80 und fahren ein paar Stunden parallel zur Schnellstraße. Schon sieht Amerika ganz anders aus. Schmucke Holzhäuser mit kurz gemähtem Rasen davor und US-Flagge an der Tür. Auf den Auffahrten parken meist Vans und SUV, oft auch ein Oldtimer oder Sportwagen. Ganz klar: Amerika bedeutet Autos, Autos bedeutet Amerika. An den Kreuzungen baumeln die Ampeln schlampig an wildem Kabelgewirr. Telegrafenmasten stehen windschief am Straßenrand – ein Anblick, der mich zweifeln läßt, daß dieses Land tatsächlich den ersten Mann auf den Mond geschossen hat.

Die USA sind eine widersprüchliche Nation. Und eine religiöse: Jede Kleinstadt hat mindestens zehn Kirchen, so scheint es. Babtist, methodist, lutheran, catholic, jehovas whitnesses... Sonntags marschieren weiße Mittelständler brav in ihre Kirche. Fromm sein oder wenigstens so tun gehört zum guten Ton. In Elyria (Ohio) frönt eine andere Gemeinde eine andere Religion. Hier ist PS-Gottesdienst: "Car Show" auf der Broad Street.

Oldtimer, Musclecars, Hotrods

Die Hauptstraße ist gesperrt; rauf dürfen nur Oldtimer, Musclecars, Hotrods oder Autos, die irgendwie speziell sind. Kein Markengetue, nix Vereinsmeierei, die Atmosphäre ist locker. Mini parkt neben Mustang, Corvette neben Käfer, Prowler neben Pontiac, Thunderbird neben Trans Am. Toll: Ihre Besitzer haben es sich auf Campingstühlen gemütlich gemacht und beantworten bereitwillig alle Fragen.

Jeff ist stolz auf sein Torino Cabrio von 1970. "Der wurde hier um die Ecke im Ford-Werk produziert", erzählt er. Innenausstattung und Farbe sind besonders selten. So wie er hier steht, wurde er nur zwölf Mal gebaut." Wer jetzt nicht gratuliert und schnell weiter geht, kriegt einen Endlos-Vortrag mit allen Details zur Torino-Baureihe.

Auf dem Rückweg zur I 80 passieren wir einen kleinen Flugplatz. Joe Walker macht gerade seine gelbe Piper Cub, Baujahr 1946, startklar. Fliegen ist ein Klacks. Kein Kontrollturm, kein Funk, Motor an und ab in die Luft – es stimmt noch immer: Amerika ist in vielen Bereichen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ohio ist übrigens "Birthplace of aviation". So steht es auf dem Nummernschild von Jeffs Chevy Pickup. "Der hat einen dicken V-Acht-Diesel, schluckt aber trotzdem 15 bis 17 Liter", flucht er. Außerdem ist Diesel mit 2,50 Euro für die Gallone (3,7 Liter) in den USA teurer als Benzin. Darum ist es schwer, Jeff für unseren CDI-Mercedes zu begeistern. Seine Welt ist die Piper. Er schmeißt ihren Boxermotor an, gibt Gas und weg ist er.

Unser nächster Tankstopp folgt in einem Kaff namens West Unity. Dort hatten wir vor vier Monaten auf der ersten Tour auch den Hybrid-Lexus betankt. Nach rund 1500 Meilen können wir einen ersten Trend feststellen. Der Mercedes-Verbrauch pendelt sich auf Freeway-Etappen bei 8,5 Liter ein, während der Vergleichs-Lexus mehr Richtung zehn Liter tendiert. Doch als nächstes kommt Chicago. Das heißt viele Ampeln, Staus, Stop-and-Go-Verkehr – beste Bedingungen für einen Hybriden wie den RX 400h. Oder?