An einem sehr frischen Januarmorgen kommt es zum ersten Kräftemessen der jüngsten Sprösslinge der beiden erfolgreichsten Sportwagenclans diesseits und jenseits des Atlantiks. Die Corvette Grand Sport soll die Lücke zwischen dem Einstiegsmodell Stingray und dem Kompressor-Biest Z06 rein über die Querdynamik schließen, der 911 Carrera GTS mit 450 PS die Kluft zwischen Carrera S und Turbo auch längsdynamisch überbrücken. Goldene Mittelwege also – oder eher überflüssige Lückenbüßer, nach denen eigentlich niemand gefragt hatte?

Das Aerodynamik-Paket knabbert an der Höchstgeschwindigkeit

Corvette Grand Sport
Bei 260 km/h muss die Corvette Grand Sport die Segel streichen. Grund ist das Aerodynamik-Paket der Z07.
Allzu aufwendig klingt das Rezept der Corvette Grand Sport auf den ersten Blick nicht: Man nehme den 466 PS leistenden V8-Sauger des Basismodells Stingray und hänge ihn in die breitspurige Karosserie der Z06. Beim Testwagen wurde das Ganze wieder einmal mit dem Z07-Performance-Paket gewürzt, das mit extremen Aerodynamikteilen, Carbon-Keramikbremsen und Michelin-Semislicks in spezieller Corvette-Kennung allerdings recht streng nach Rennstrecke schmeckt. Immerhin lässt es das Z07-Paket bei der Grand Sport mit dem "Stufe 2"-Heckspoiler gut sein, also ohne das höheneinstellbare Plexiglas-Mittelteil, wie es die "Stufe 3"-Version für die Z06 vorsieht. Dennoch kostet das Aero-Kit mit den beiden senkrecht in den Wind gerammten Heckspoiler-Segmenten neben 14.500 Euro Aufpreis auch satte 30 km/h in der Spitze. Was allerdings auch am ungünstig gestuften Transaxle-Handschaltgetriebe liegt, dessen fünfter Gang bereits so lang übersetzt ist, dass der V8 nicht auf seine Nenndrehzahl kommt. Mit den Gängen sechs und sieben hat die Grand Sport dafür gleich zwei Overdrives von mäßigem Unterhaltungswert. Für die Automatikversion mit Z07-Paket gibt der Hersteller hingegen 280 km/h an – offenbar hat die Achtstufen-Wandlerbox einen passenden Gang für Vmax-Fahrten im Sortiment.
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Größere Turbolader blasen die Porsche-Maschine auf

Porsche 911 Carrera GTS
Zwischen Carrera S und Turbo: Der Dreiliter-Boxer des 911 GTS schickt 450 PS an die Hinterräder.
Auf der Habenseite sollen mit dem Z07-Paket Querbeschleunigungen von bis zu 1,2 g möglich sein, die zu einem großen Teil aber auf das Konto der Semislicks gehen. Das werden wir hier und heute, im winterlich erstarrten Stuttgarter Umland, wohl eher nicht herausfahren können. Die Semislicks wären bei diesem Wetter ungefähr so passend wie Flipflops im Tiefschnee und liegen daher in der Redaktionsgarage. Der Carrera GTS-Testwagen, ein hinterradgetriebenes Coupé mit Doppelkupplungsgetriebe, wird uns ebenfalls auf Winterreifen übergeben. Wie bei der Grand Sport vermählt sich auch bei ihm der "kleine" Motor, der Dreiliter, mit einer breiteren Karosserie – wenngleich die Backen nicht ganz so dick ausfallen wie beim Turbo. Vielmehr handelt es sich um die Zwischengröße, die bisher den Allradmodellen Carrera 4 (S) vorbehalten war. Sie wird nun auch von allen GTS-Modellen getragen, egal ob Coupé, Cabrio, Targa, heck- oder allradgetrieben. Der Dreiliter-Boxer kommt dank größerer Turbolader auf 450 PS und 550 Nm, hebt sich so einerseits deutlich genug vom 420 PS leistenden Carrera S ab, wahrt aber auf der anderen Seite noch genügend Respektabstand zum 540 PS starken 911 Turbo mit 3,8-Liter-Motor.Porsche zog beim GTS, dessen Bezeichnung übrigens an den 904 GTS von 1963 erinnern soll, natürlich noch weitere Register: Das PASM-Fahrwerk mit zehn Millimetern Tieferlegung und Adaptivdämpfung ist ebenso serienmäßig an Bord wie steifere Stabilisatoren, 20-Zoll-Räder mit Zentralverschluss, Klappenauspuff, größere Frontspoilerlippe und weiter ausfahrender Heckspoiler. Das Sport Chrono Paket inklusive der dynamischen Motorlager geht gleichfalls aufs Haus.
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In Sachen Fahrpäzision legt der 911 GTS noch was drauf

Porsche 911 Carrera GTS
Besser als der normale Elfer: Mit seiner Fahrpräzision habt sich der GTS noch mal deutlich von der Basis ab.
Porsche spitzt den GTS also ab Werk mit vielen Fahrdynamik-Goodies an, die für Carrera und Carrera S in der Aufpreisliste stehen. Passend dazu warten im Innenraum ein Alcantaralenkrad mit kleinerem Durchmesser sowie Sitze mit haftstarker Alcantaramittelbahn auf den solventen Käufer. Wie sich dieses Ingenieursauto fährt? Sehr, sehr schnell – aber das war zu erwarten. Der Boxer hält sich mit einem Turboloch nicht lange auf, drückt ansatzfrei aus der Hüfte und gleichmäßig kraftvoll bis weit über 7000 Touren. Das optionale Doppelkupplungsgetriebe wechselt die Gänge blitzschnell und im Sport-Modus mit effizient knackigen Schaltrucken. Was beim GTS aber so richtig heraussticht, ist die enorme Fahrpräzision, die sich von einem normalen Carrera nochmals abhebt. Die extrem exakte Lenkung erlaubt, den Kurvenscheitelpunkt millimetergenau anzupeilen, während die ultrafeine Rückmeldung im Lenkrad dem Fahrer das Gefühl gibt, er würde den Asphalt selbst mit den Fingerspitzen abtasten. Differenzialsperre und Torque Vectoring lassen den GTS in Echtzeit abbiegen, Traktion und Fahrsicherheit sind auch ohne Allradantrieb erstklassig. Sehr viel Federweg stellt der GTS nicht zur Verfügung, doch die Dämpfung passt perfekt und sorgt so für einen noch akzeptablen Federungskomfort – solange man den Fahrprogrammwählschalter nicht auf Sport oder Sport+ switcht.

Die Grand Sport gefällt mit Punch und präzisem Handling

Corvette Grand Sport
Sauber abgestimmt: Die Corvette vermittelt das Gefühl, ein viel zierlicheres Auto zu bewegen.
Doch so einfach lässt sich eine Corvette nicht abschütteln. Wie alle für Europa produzierten C7 verfügt auch die Grand Sport ab Werk über adaptive Stoßdämpfer, ein elektronisch geregeltes Sperrdifferenzial und eine fünfstufige Traktionskontrolle. Auch bestehen die Motorhaube und das abnehmbare Hardtop bei allen Versionen aus leichtem Carbon, während der V8 stets durch eine Klappenauspuffanlage blubbern darf. Beim direkten Umstieg vom Zuffenhausener Präzisionsinstrument in die Corvette wirkt alles etwas roher und grober – ohne dass es unterm Strich wirklich schlechter funktionieren würde. Der Schalthebel will mit Nachdruck geführt werden, rastet aber auf kurzem Weg immer in den gesuchten Gang. Die Kupplung beißt unerbittlich zu, der Motor puncht ansatzlos, im Ansprechverhalten ist der gute alte Sauger dem Turbo des Porsche gar überlegen. Die Kraftentfaltung ist breitschultrig-linear und, jawoll, der Stoßstangenmotor dreht auch freudig, immerhin über 6000 Touren. Die Lenkung braucht den Vergleich mit dem 911 nicht zu scheuen, sie rückmeldet traumhaft und verleiht das Gefühl, ein viel zierlicheres Auto als die mit Spiegeln weit über zwei Meter breite Grand Sport über die Landstraße zu zimmern. Und auch das Handling ist ganz und gar nicht von schlechten Eltern. Selbst auf nasser Straße lenkt die Grand Sport sehr agil ein, liegt satt und vertrauenerweckend. Gerade unter diesen widrigen Bedingungen wäre mehr Drehmoment eher zu viel des Guten.
Beide Zwischengrößen haben ihre Daseinsberechtigung: Der GTS ist ein fahrdynamisch auf die Spitze getriebener Carrera, seine Präzision macht Autofahren fast schon zu Kunst. Sein Wesen ist eher feinsinnig als brachial, daher taugt er auch nicht zum Königsmord am 911 Turbo. Die Corvette Grand Sport ist einfacher gestrickt und von robuster Natur. Sie fährt nicht so viel Hightech auf wie der Porsche, alle Komponenten sind jedoch erstklassig aufeinander abgestimmt. Der im Vergleich zur Z06 nicht ganz so brutale V8-Sauger und das enorme Gripniveau formen die Grand Sport zum harmonischen Handlingauto.