Ausdauerprüfung, ohne sichtbar zu altern

Das Kurzporträt für den Audi A4 Avant 1.9 TDI ist schnell erzählt: Schick, schnell, sparsam. Selten hat ein AUTO BILD-Dauertestwagen diese drei Tugenden besser in einem 100.000-Kilometer-Marathon bewiesen als der blaue Kombi mit der Nummer IN-O 4370. Die Jeansfarbe steht ihm gut, weil sie seinen Charakter symbolisiert: robust, aber ansehnlich.

Er ist schon der achte Audi, der seit 1987 einen AUTO BILD-Dauertest absolvierte. Und das mit gutem Ergebnis. Das Fehlen von gravierenden Pannen belegt, dass Audi bei der Langzeitqualität zu BMW und Mercedes aufgeschlossen hat. 17 harte Monate verbrachte der üppig ausgestattete Avant in der Redaktion und war als schnelles Reiseauto beliebt. Ob Italien, Nordkap oder Balkan – exakt 100.538 Kilometer rollte der A4 ohne große Ausfallerscheinungen kreuz und quer durch Europa.

Der noble Innenraum überstand die Ausdauerprüfung, ohne sichtbar zu altern. Kunststoffe, Lenkrad, Schaltknauf und Bezüge sind von hoher Qualität. Grundsätzliche Kritik gab es aber am engen Schacht für die Fahrerbeine sowie an den Türfangbändern. Wie, bitte schön, kann man die so schwach dimensionieren, dass die Tür fast immer ungewollt zurückschlägt und so Knie, Fuß oder Hände einklemmt? Nee, so bitte nicht. Stärkere Haltenuten können ja wohl nicht die Welt kosten.

Image kostet Geld – manchmal auch Platz

Im Fahrtenbuch überwiegt ansonsten viel Lob. Dazu zählen die bequemen und straffen Sitze, der niedrigtourige Dieselmotor sowie die große Reichweite. Bei verhaltener Fahrweise wird der Tankstopp erst nach mehr als 1000 Kilometern nötig. Selbst bei höherem Tempo ist der TDI ein Dauer(b)renner und begnügt sich mit etwa acht Liter Diesel auf 100 Kilometer. Teuer ist er trotzdem. 41.540 Euro kostete der Testwagen. Das ist viel. Sehr viel. Zu viel?

Fakt ist: Viele Mitfahrer mochten diese hohe Summe einfach nicht glauben. Etwas Trost spendet nur der Grundpreis: 28.730 Euro. Der A4 Avant ist eben für Leute, die in der Szenebar gerne über Lifestyle philosophieren, statt beim Elternabend die Vorteile von Siebensitzer-Vans aufzuzählen. Logisch: Image kostet Geld und manchmal auch Platz. "Für eine vierköpfige Familie plus Kinderwagen ist der Kofferraum zu eng", erfuhr Service-Experte Enrico Schulze. Den meisten Fahrern reichte der Stauraum aber völlig aus.

Dazu glänzt der Avant mit guter Übersicht und Wendigkeit. Solche Werte kommen an. Das beweist zumindest die Zulassungsstatistik. 56 Prozent aller Avant-Käufer entschieden sich für den A4 mit 130-PSTDI-Motor. Damit ist der starke 1.9er-Kombi in Deutschland der meistverkaufte Audi überhaupt. Für Vielfahrer ist er auf jeden Fall ein Investitionstipp. Trotz der ausgeprägten Spareigenschaften ist er ein Fahrspaß-Garant.

Gas und Kupplung erfordern viel Feingefühl

Sein Turbomotor sorgt für kraftvollen Vortrieb. Nur die Art und Weise, wie der Vierzylinder seine Leistung auf die Straße bringt, sorgte unisono für Kritik. Zwar erreicht das Aggregat sein 285-Newtonmeter-Drehmomenthoch schon bei 1750 Touren, fällt aber beim Losfahren durch eine unangenehme Anfahrschwäche auf. "An der Ampel Motor abgewürgt. Das ist mir seit 20 Jahren nicht mehr passiert", notierte Redakteur Karl-August Almstadt im Fahrtenbuch. "Muss am Auto liegen."

Tut es auch: Gas- und Kupplungspedal erfordern viel Feingefühl, sonst stirbt der Motor schlagartig ab, und der A4-Lenker steht wie ein Fahrschüler auf der Kreuzung – peinlich. Immerhin zieht der Fronttriebler bei voller Beschleunigung in zehn Sekunden auf 100 km/h. Doch das sinnvoll nutzbare Drehzahlfenster ist klein. Bei 3000/min lässt der Vortrieb nach. Die sechs Gänge wollen fleißig geschaltet werden. "Eine Zumutung, fünf Gänge reichen!", flucht Redakteur Matthias Moetsch. Weniger schaltfaule Typen lobten dagegen das niedrige Drehzahlniveau im höchsten Gang auf der Autobahn. Einigkeit herrscht über das Geräuschgebaren des Pumpe-Düse-Motors: laut, brummig, knurrig.

An der Zuverlässigkeit ändert das nichts. Trotz hohen Drehmoments, zahlreicher unterschiedlicher Fahrer und starker Beanspruchung ist der mechanische Verschleiß minimal. Selbst die Kupplung zeigte bei Testende wenig Abnutzung und ist nach Gutachtereinschätzung für weitere 50.000 km gut. Auch Motor ("Abrieb im Bereich der Neuwagen-Toleranzen", Hohlräume ("sauber wie Fleischereifliesen") und Auspuff ("Schalldämpfer und Befestigungen ohne Mängel") bekamen Komplimente vom Sachverständigen. Ganz klar: Dieser Audi baut auf ein technisch solides Fundament.

Harter Hund mit weicher Elektronik

Doch der harte Hund hat auch weiche Stellen. Die liegen in der Elektronik und sorgen dafür, dass der A4 in der Zuverlässigkeits-Hitliste (unten) unterdurchschnittlich abschneidet. So sorgte die Klimaanlage mehrfach für Ärger. Der Werkstatt war das Problem bekannt. Erst tauschte sie das Steuergerät; beim Wiederholungsfall zusätzlich den Außentemperaturfühler.

Auch im AUTO BILD-Kummerkasten braut sich Klimaärger mit dem A4 zusammen. Schwierigkeiten gab es auch mit dem 1100 Euro teuren Symphony-Radio. Öfters fiel es grundlos in den gesperrten "Safe"-Modus und machte keinen Mucks mehr. Auffällig oft brannten zudem die Parklichtlampen durch. Eine Kleinigkeit? Von wegen! "Lampenwechsel ist Sache des Fachmanns. Bitte suchen Sie einen Audi-Betrieb auf", steht in der Betriebsanleitung. Dort wird dem A4-Fahrer unbürokratisch geholfen, trotzdem kostet der Austausch Zeit.

Eine andere mögliche Fehlerquelle wurde inzwischen aus dem Programm genommen: das Telematik-SOS-System (1405 Euro). Nachdem sich zwischenzeitlich aus "heiterem Orbit" immer wieder die Audi-Servicezentrale bei uns meldete, ließen wir das System bei der ersten Wartung stilllegen.

Technische Daten und Wertung

Am Schluss die Erkenntnis, dass die Komfortausstattung den A4 Avant sehr angenehm, aber auch anfällig macht. Doch wie heißt es so schön: Aus Fehlern kann man lernen. Und in Ingolstadt lernt man bekanntlich sehr schnell.

Preise und Kosten

Längst nicht so teuer wie der große Dauertest-Bruder Audi A6 Avant (50 Cent pro Kilometer inkl. Wertverlust), und auch erheblich günstiger als unser Mercedes-Benz C 220 CDT T-Modell (36 Cent) – und das war auch ein Dieselbrenner.