100.000 Kilometer Entfernung sind nicht genug. Sie reichen nicht. 384.400 Kilometer, die könnten hinhauen. So weit ist nämlich die Erde vom Mond entfernt – und dieses Auto vom Massengeschmack der Golf-Käufer. Ausgerechnet in der deutschdominierten Kompakt-Klasse zeigt Honda Mut, uns ein grünes Männchen zu schicken. Mit spacigen Leuchtbändern, Future-Form und Captain-Kirk-Cockpit. Das Misstrauen unserer Redaktion ist groß, als das Raumschiff im September 2006 zum Dauertest landet. Ob der auch im Alltag den Himmel auf Erden verspricht? Beim Losfahren jedenfalls nicht. Im Bordbuch klagen fast alle Kollegen, dass der 140 PS starke Benziner im unteren Bereich schlaff durchhängt, erst oberhalb von 4000 Umdrehungen kräftig und spritzig agiert – eine typische Honda-Eigenart.

Erst ab 4000 Touren zieht der Civic kräftig durch

Honda Civic 1.8 Sport
Der Civic ist in Deutschland exklusiv: 2008 verkaufte Honda 12.403 Exemplare. VW verkauft doppelt so viele Golf – pro Monat.
Und besonders sparsam ist der Motor trotz seiner aufwendigen Ventilsteuerung auch nicht. Im Dauertestschnitt genehmigt er sich 9,2 Liter Super. Schon bald stört Tester Manfred Klangwald, dass die Fernbedienung des nachgerüsteten Siemens-VDO-Navi-Systems (528 Euro) am Lenkrad angebracht ist. Ergebnis: Der Satellit fliegt raus. Alarmstufe Rot bei Tachostand 4474. In den cool fluoreszierenden Instrumenten leuchtet unerwartet das Zeichen für die Motorsteuerung auf. Auto aus, wieder an – der Hinweis verglüht so schnell wie eine Sternschnuppe. Bis zum Dauertest-Ende blinkt das Motor-Piktogramm bei Vollgasfahrten immer mal wieder auf. Sind da außerirdische Kräfte am Werk? Egal, einfach ignorieren –  meint die Werkstatt.

Civic-Neulinge haben Start-Probleme

Gut, dass der Civic bis zum Ende so zuverlässig läuft wie schon Bruder Jazz im Dauertest (AUTO BILD 6/2006). Sonst hätte man keine Ruhe. Bei der Zerlegung entpuppt sich der Elektronik-Wurm als Sensor, der empfindlich auf Höchstdrehzahlen reagiert. Wie viel beruhigender wirkt da doch die blaue Cockpit-Beleuchtung, die in sechs Stufen abzublenden ist. Der Rest ist aufregend genug: Tacho oben, Drehzahlmesser darunter, beide Anzeigen teilen sich den begehrten Platz in der Mitte. Das erste Problem stellt schon das Starten dar, selbst Testprofi Joachim Staat gibt zu: "Es hat eine Minute gedauert, bis das Auto lief."

Gute Qualität

Dabei drücken uns die Japaner statt einer neumodischen Plastik-Chipkarte, die sich gern im Armaturenbrett verkeilt, wieder einen Zündschlüssel in die Hand. Man möchte sie dafür küssen! Jetzt noch drehen – doch bis auf die Bordbeleuchtung springt nichts an. Die Kollegen drücken, quetschen, biegen. Ein Wunder, dass der Schlüssel trotz roher Gewalt die Zeit des Dauertests überlebt. Mensch Jungs, mal genau hingucken: Der Civic startet per Knopf, der links vom Lenkrad sitzt. So haltbar wie der Schlüssel ist der Civic im Ganzen. Sitze, Polster, Kunststoffe – an den modischen Materialien und der Qualität des Honda gibt es nichts zu mäkeln. Selbst die grauen Velourssitze ziehen keinen Schmutz an.

Tribut an das Design: Der Civic ist sehr unübersichtlich

Honda Civic 1.8 Sport
Auch ein Raumfahrer macht mal Rast. Das Design des Civic geht zu Lasten der Übersicht nach vorn und hinten.
"Müsste so nicht der nächste Golf aussehen?", fragt Fotograf Martin Meiners im Bordbuch. Meiners Begeisterung vergeht wie im Flug, 900 Kilometer reichen: "Der Wagen ist unlogisch, dann doch lieber VW-Kuckucksuhr-Design." Spätestens beim Einparken wünschen alle den Civic zum Mond. Spoiler und flach stehende Scheibe verbarrikadieren den Blick nach hinten. Das Raumschiff ist unübersichtlich – daran gewöhnt sich niemand. Ein Wunder, dass bis zum Schluss die Stoßstange kratzerfrei bleibt. Freude hingegen bereitet immer wieder die schlaue Rücksitzbank des Honda. Ein Handgriff – und die Sitzflächen fallen nach vorn, die Lehnen legen sich flach. Ein Raumangebot tut sich auf, mit 1352 Litern unendlich wie das All. Eine neue Dimension in dieser Klasse.

Nach 100.000 Kilometern rollt der Civic souverän ins Ziel

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Ein Cockpit wie eine Gleitsichtbrille: Zwei Info-Ebenen, Zündschlüssel rechts, Startknopf links.
Nichts mehr aufnehmen will dagegen der Civic-Tank. Bei Kilometer 21.290 verweigert er die Nahrung. Hungerstreik im Ufo, oder was? Die Werkstatt hängte zunächst den Bowdenzug wieder ein, bei der nächsten größeren Wartung tauscht sie die Feder aus. Bei diesem Routine-Stopp auf der Hebebühne stellt der Meister auch das Knistern in der Schaltkulisse ab. Total abgefahren. Wie bei Volvos "Spaceball" ist die Schaltkulisse mit einer silbernen Kugel abgedeckt. Aber auch gutes Design nervt, wenn es wie ein Tinnitus im Ohr brummt. Bis auf ein paar kleine Krater an der Front, die Steinchen hinterließen, rollte der Civic souverän ins Ziel. Einige Stellen mit Schnittkantenrost finden wir erst bei der Zerlegung. Untypisch für ein zwei Jahre altes Auto, aber "erst mal unbedenklich", urteilt DEKRA-Mann Günter Schiele. "Der Civic schafft es noch bis zum Mond. Hoffentlich ohne Flugrost."

Keine Experimente bei der Technik

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Insgesamt überzeugt der gute Zustand des Civic nach der Demontage. Mängel: Schnittkantenrost, geringe Laufspuren an den Lagern der Nockenwelle.
Mit großen Augen bestaunte unser DEKRA-Kollege Günter Schiele den Civic. Unter der ausgefallenen Verpackung des Raumschiffs steckt bei näherer Betrachtung eine solide Technik, die den Experten überzeugt hat. Die Japaner haben bei Motor, Getriebe, Kupplung – ja, eigentlich der gesamten Fahrzeugtechnik – auf Experimente weitgehend verzichtet. Wichtig war, dem guten Ruf der Marke entsprechend, die Zuverlässigkeit. Und so strotzt Schieles "Krankenblatt" nur so von Haken: okay, okay, okay. Demgegenüber finden sich neun Punkte, die zumindest aufgefallen sind, ohne deshalb auf Defekte hinzuweisen. Zum Beispiel ist die Kupplung grundsätzlich in Ordnung und ohne technische Mängel. Lediglich punktuelle Hitzespuren weisen auf sportlichen Einsatz hin. Auch der Zylinderkopf ist prinzipiell in Ordnung, wir finden aber leichte Laufspuren in den Nockenwellenlagerungen. Schieles Kommentar: "Meckern auf hohem Niveau."

Polternde Stoßdämpfer am Civic sind kein Einzelfall

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Poltergeister: die vorderen Stoßdämpfer. Ursache: Die Anschlaggummis waren aus ihren Nuten herausgesprungen, leider kein Einzelfall.
Unschön fällt das Wärmeschutzblech über dem Katalysator auf. Das billige Material ist eingerissen, das ganze Teil schon lose. Unglücklich ist die Sache mit den vorderen Stoßdämpfern. Bis Testende waren wir mit ihnen unterwegs, hatten mehrfach bei Inspektionen auf polternde Geräusche hingewiesen. Kommentar: "Alles in Ordnung, gute Fahrt." Als Reaktion der Fachwerkstatt eher dürftig. Die Anschlaggummis waren aus ihren Befestigungsnuten herausgesprungen, kein Einzelfall: Dazu lag längst eine schriftliche Anweisung des Herstellers vor. Bleibt noch das Thema Rost. Noch nicht dramatisch, aber: Wehret den Anfängen. Solche Spuren passen nicht zu einem zwei Jahre alten Auto.

Hersteller-Reaktionen: Das sagt Honda ...

... zu den defekten vorderen Stoßdämpfern: Dies betrifft vereinzelt Honda Civic der Baujahre 2006/2007. Ursache ist, dass sich der Anschlaggummi gelöst hat und beim Einfedern gegen die Dämpferstange schlägt. Zur Abhilfe stellt Honda Teile zur Verfügung, deren Außendurchmessser am vorderen Anschlaggummi vergrößert wurde. Die Stoßdämpfer müssen nicht ausgetauscht, sondern lediglich mit einem modifizierten Anschlaggummi versehen werden.
... zur Position des Starterknopfes: Der Knopf arbeitet einwandfrei. Sowohl der Knopf als auch seine Position sind dem Design geschuldet und sollen den sportlichen Charakter des Civic zusätzlich unterstreichen.

... zum Schnittkantenrost am Crashelement und am Schweller: Der Umfang der Korrosion ist marginal und liegt daher absolut im unkritischen Bereich. Die von uns gemeinsam in Augenschein genommenen und diskutierten Stellen deuten weder auf einen Mangel an Korrosionsschutz, noch auf eine untypische Korrosion hin. Wir haben dennoch die Analyse und das dokumentierende Bildmaterial aufgegriffen, um dies im Bereich Produktqualität konsequent weiter zu verfolgen.

... zu den hakeligen Türöffnern: Hier gibt es für das Modelljahr 2007 eine Verbesserung. Ein Werkzeug zur Produktion der Griffe wurde überarbeitet, damit genauere Fertigungstoleranzen gewährleistet sind.

Das sagen die Leser

"Macht riesigen Spaß." Seit Mai 2006 fahre ich schon den zweiten Civic der aktuellen Baureihe. Der erste rettete mein Leben bei einem schweren Unfall. Der zweite hat jetzt schon über 23.000 problemlose Kilometer hinter sich. Das Auto ist definitiv kein Langweiler. Auch das Cockpit und die Bedienung machen Spaß. Christoph Franz, 21709 Himmelpforten, Honda Civic 1.8 Sport.
"Total zufrieden." Ich fahre den Civic seit 22 Monaten. Als ehemaliger Kfz-Dipl.-Ing. verstehe ich nicht, was an der Bedienung nerven soll. Ich bin total zufrieden. Optimale Ausstattung, topneuer Motor mit Kette. Dass er ein Hingucker ist, war für mich nicht maßgebend. Dass hinten ein Fahrrad reinpasst schon. Lothar Richter, 85259 Plauen, Honda Civic 1.8 Sport.
"Eine Offenbarung an Zuverlässigkeit." Bei km-Stand 33.000 steht der erste HU-Termin an. Ansonsten ist außer tanken nichts gewesen. Nach 20 Jahren Opel und Renault ist dieser Honda eine Offenbarung an Zuverlässigkeit. Vom Armaturendesign bin ich total begeistert. Ich schmunzele immer, wenn ich von "aufgeräumten Armaturen" lese. Das ist doch die totale Langeweile. Michael Höing, per E-Mail, Honda Civic 1.8 Sport.
"Der Honda Civic macht mich glücklich." Ich fahre seit Juni 2008 jeden Monat über 2000 Kilometer. Fehler traten bisher keine auf. Toll finde ich Handling, Lenkung, Platzangebot und hochklappbare Rücksitze. Was stört, ist ein Dröhnen zwischen 145 und 155 km/h, die schlechte Rücksicht durch die geteilte Heckscheibe, die schlecht schließende Heckklappe sowie knarzende E-Außenspiegel. Ich bin mit dem Civic glücklich. Volkmar Quilitz, 51145 Köln, Honda Civic 1.8 Sport.

Fazit von AUTO BILD-Redakteurin Margret Hucko

Hondas Civic landet ohne Ausfall sicher im Ziel. 100.000 Kilometer lang passierte fast nichts. Eine blinkende Kontrolllampe, eine knisternde Schaltkulisse sind Kleinigkeiten – die Zuverlässigkeit beeindruckt. Beim Zerlegen fanden unsere Techniker Rost an Schnittkanten. Kein großes Ding, aber bereits beim Honda Jazz ein Thema.

Von

Margret Hucko
Manfred Klangwald