Er fuhr nur von 2001 bis 2006 in der Formel 1, trotzdem hat Juan Pablo Montoya (heute 44) Eindruck hinterlassen. Zweimal WM-Dritter (2002/03), sieben Siege, legendäre Duelle gegen Michael Schumacher. Der Kolumbianer galt als Mega-Talent – ohne großen Arbeitsdrang allerdings. Selbst im engen McLaren-Mercedes-Korsett blieb er stets ein Freigeist und ist das auch heute noch.
An diesem Wochenende fährt der 44-Jährige bei den 24 Stunden von Daytona um den Sieg. Im Mekka des amerikanischen Motorsports. „World Center of Racing“ prangt in großen Lettern über der Haupttribüne. Der Anspruch ist klar, dabei ist das alles andere als Größenwahn. Wenn die NASCAR hier in Daytona ihr Saisonhighlight austrägt, kommen 160 000 Zuschauer. Pro Tag.
Montoya will Sohn in F1 bringen
An diesem Wochenende fährt der 44-Jährige bei den 24 Stunden von Daytona um den Sieg
Die Sportwagenserie IMSA zieht nicht ganz so viele Fans an, doch auch sie verwandeln das Infield mit ihren Motorhomes in eine einzige Partyzone. Mittendrin Montoya. Etwas stämmiger geworden, seit er Europa den Rücken gekehrt hat, die Schläfen schimmern grau. „Ich färbe meine Haare nicht“, gibt er mit einem Lächeln auf den Lippen ehrlich zu.
Man sieht: Montoya nimmt das Leben hier in Florida leicht. In der Top-Kategorie, den Daytona-Prototypen mit mehr als 700 PS, fährt er für Penske-Acura um den Sieg, startet von Platz zwei. „Es ist einfach zum Genießen“, verrät er. „Die Pace, die man hier gehen muss, ist echt hart. Das Feld ist viel enger zusammen als in Le Mans. Deshalb fühlt sich das Rennen wie ein Sprintrennen an. Ständig bist du in Zweikämpfe verwickelt. So muss es sein.“
So musste es schon früher immer sein für einen wie Montoya. In der Königsklasse galt er als einer der Schnellsten. Pures Talent saß da im Williams-BMW oder McLaren-Mercedes. Auch in der Topklasse der amerikanischen Sportwagenmeisterschaft gilt er als Tier hinterm Lenkrad. Er bremse immer noch 15 Meter später als alle anderen, staunen die Ingenieure. Alle anderen, das sind keine Geringeren als Indy500-Sieger Simon Pagenaud (hier Montoyas Teamkollege), Indycar-Star Helio Castroneves oder Ex-Champion Sébastien Bourdais.
Montoya gibt das Kompliment an die USA zurück. „Die Amerikaner machen einen besseren Job als die Europäer: Sie verstehen die Show. Und sie wissen: Der Fan darf morgens nicht aufwachen und der Führende hat einen Vier-Runden-Vorsprung. Nur, wenn in der letzten Runde noch vier, fünf Autos um den Sieg kämpfen, interessiert die Leute das auch.“ Deshalb wird das Feld mit Gelbphasen immer wieder zusammengeführt.
Mehr noch: „Die Autos sind sauschnell“, strahlt Montoya. „Wir erreichen hier 195 Meilen pro Stunde (313 km/h) Topspeed. Im Rennen sind wir durch den Windschatten nah dran an den 200. Ich liebe diese Autos. Nach der Formel 1 ist es das geilste, das ich gefahren bin. Gute Balance, viel Grip, starker Motor.“
Mit 44 gehört Montoya allerdings auch im Sportwagen schon zum älteren Eisen. „Das ist mir egal“, sagt er. „Solange wie man mich will und ich konkurrenzfähig bin, fahre ich. Das Team ist happy, ich performe, also warum nicht weitermachen?“
Auch eine Rückkehr nach Le Mans ist nicht ausgeschlossen. Ab 2022 fahren in den Topkategorien der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA und der WEC, also auch in Daytona und Le Mans dieselben Autos. Montoya: „Ich hatte 2018 eine gute Zeit in Le Mans (Platz sieben), hatte zuletzt aber keine Einladung. Wenn jemand mich will, sollen sie einfach anrufen.“
Montoya will Sohn in F1 bringen
Montoyas Sohn Sebastian tritt in seine Fußstapfen.
Auch aus einem anderen Grund muss Montoya wieder mehr Zeit in Europa verbringen: Sohn Sebastian tritt in seine Fußstapfen. Stolz schwingt mit in seiner Stimme, als Daddy Juan Pablo von seinem Sprössling erzählt: „Er ist 14, wird bald 15 und in diesem Jahr Formel 4 in Italien fahren. Es macht viel Spaß mit ihm. Ich lasse ihn bestimmen, wie weit er gehen will. Aber sein Potential ist unglaublich. Er hat Talent, das fast schon unreal wirkt. Ich bereite ihn so gut ich kann auf das vor, was noch kommt – mental und physisch. Wenn er damit in der Formel 1 landet, toll. Er versteht jedenfalls, dass er dafür auch arbeiten muss.“
Montoya junior, Mick Schumacher, Giuliano Alesi – gleich drei Söhne ehemaliger Formel-1-Helden streben derzeit in die Formel 1. „Schumacher junior gegen Montoya junior?“, weiß auch Montoya senior. „Es wird wahrscheinlich passieren. Sebastian ist etwas jünger, aber in drei vier Jahren werden die Namen alle wieder gegeneinander fahren. Das wird lustig.“
Und wie denkt er über die aktuelle Formel 1? „Interessant zuzuschauen“, sagt er. „Euer Vettel ist in einer schwierigen Situation, weil Leclerc einen echt guten Job gemacht hat. Man kann sehen: Ferrari steht 100 Prozent hinter Leclerc. Das macht es spannend.“
Die Zukunft wird bestimmt noch spannender – mit einem Montoya hinterm Steuer.
Die 24 Stunden von Daytona starten am Samstag um 19.35 Uhr deutscher Zeit und können hier https://imsatv.imsa.com via Livestream verfolgt werden.

Von

Bianca Garloff