Deutsche Autohersteller und der Abgasskandal
Die Dieselkrise im Überblick

—
Daimler, VW, Audi – immer mehr deutsche Autobauer rutschen in den Diesel-Sumpf. AUTO BILD zeigt, wo die Hersteller im Abgasskandal stehen!
Bild: autobild.de
(dpa/jr) Der Abgasskandal begann 2015 mit VW, dann gerieten weitere deutsche Hersteller in den Diesel-Sumpf. Mittlerweile wird auch gegen führende Mitarbeiter von VW und Audi sowie weitere deutsche Autohersteller ermittelt. Unzählige Klagen laufen, nun auch gegen Daimler. Millionen Autos wurden in die Werkstätten gerufen, um mit Software-Updates versehen zu werden. Viele VW-Aktionäre werfen dem Konzern vor, zu spät über den drohenden Skandal in den USA informiert zu haben. Zudem verlangen Autobesitzer – nicht nur von Volkswagen – Schadenersatz oder ihr Geld zurück, da sie sich getäuscht fühlen über Emissionen und Abgase. Und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat Rückrufe für mehrere Millionen Autos verordnet. Überblick: So stehen die deutschen Hersteller in der Dieselkrise!
Überblick über die Dieselkrise
VW – Der Auslöser
Die Abgas-Affäre bleibt für Volkswagen das bestimmende Thema. Der Konzern räumte 2015 ein, bei Millionen Dieseln Abgastests manipuliert zu haben. Daraufhin musste der Konzern hierzulande rund 1,5 Millionen Autos der Marke VW mit Manipulations-Software zurückrufen. Inklusive anderer Konzernmarken waren es fast 2,5 Millionen in Deutschland und weltweit knapp 11 Millionen. Insgesamt hat VW für Strafen und Entschädigungen in den USA 25,1 Milliarden Euro an Kosten verbucht, in Deutschland wird eine Geldbuße von einer Milliarde Euro fällig.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt derzeit gegen etwa 50 mutmaßlich Beteiligte. Anklagen gibt es bislang nicht. Gegen Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn laufen – wie auch gegen den neuen VW-Chef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch – Untersuchungen wegen möglicher Marktmanipulation. Sie sollen Aktionäre zu spät über drohende Konsequenzen des Diesel-Skandals informiert haben. Zudem will die US-Justiz Winterkorn wegen Betrugs in der Abgasaffäre zur Rechenschaft ziehen und hat einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt. Die Ankläger werfen ihm Verschwörung zum Verstoß gegen Umweltgesetze und zur Täuschung der Behörden vor.
Am 10. September 2018 begann in Braunschweig ein Musterprozess zum möglichen Schadensersatz für VW-Anleger. Es geht um die Frage, ob der Autokonzern seine Aktionäre zu spät über die Abgasmanipulation informiert hat. Dem Oberlandesgricht Braunschweig zufolge liegen mehr als 1600 Klagen in dem Fall vor. Der Streitwert liegt bei insgesamt rund neun Milliarden Euro. Mit einer Entscheidung wird erst 2019 gerechnet.
Audi – Stadler in U-Haft und entlassen
Ex-Audi-Chef Rupert Stadler wurde am 18. Juni 2018 festgenommen und sitzt seitdem in U-Haft. Die Ermittler sahen Verdunklungsgefahr, weil Stadler möglicherweise gegen einen Mitarbeiter vorgehen wollte, der gegen ihn ausgesagt haben soll. Zwei Tage später ließ sich der 55-Jährige auf eigenen Wunsch als Audi-Markenchef und VW-Vorstand beurlauben. Am 2. Oktober 2018 teilte Volkswagen mit, dass man Stadler "mit sofortiger Wirkung" von seinen Ämtern als Vorstandsmitglied der Volkswagen AG und als Vorstandschef von Audi entbunden habe. Stadlers Ära bei VW fand nach rund 28 Jahren Tätigkeit ihr Ende. Schon am 11. Juni hatte die Münchner Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Spitzenmanager eingeleitet und seine Wohnung durchsucht. Sie legt ihm und einem nicht genannten Audi-Vorstand "Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung" zur Last. Die beiden hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in den europäischen Verkehr gebracht.
Die Zahl der Beschuldigten bei Audi ist damit laut Staatsanwaltschaft auf 20 gestiegen. Neben Stadler sitzt auch ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung in Untersuchungshaft. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten U-Haft freigekommen. Das KBA hat für 216.000 Audi-Diesel einen Rückruf angeordnet, zuletzt ging es um rund 60.000 Exemplare der Oberklasse-Typen A6 und A7, laut BILD am SONNTAG könnte auch ein Rückruf für den A8 fällig werden.
Porsche – Geländewagen im Visier der Justiz
Seit Juli 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch bei Porsche. Es besteht der Verdacht auf Betrug und strafbare Werbung im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Manipulation der Abgasnachbehandlung. Richteten sich die Ermittlungen zunächst gegen unbekannte Mitarbeiter, gerieten später ein aktueller Vorstand, ein leitender Mitarbeiter und ein früherer Porsche-Beschäftigter ins Visier. Im April 2018 durchsuchten Ermittler die Konzernzentrale sowie weitere Standorte und nahmen den leitenden Mitarbeiter wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.
Im Sommer 2017 hatte Porsche 21.500 Autos vom Typ Cayenne mit Dreiliter-Motor wegen einer vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung zurückrufen müssen. Im Mai 2018 folgte ein Zwangsrückruf für weitere 6750 Cayenne mit 4,2-Liter-Motor sowie für rund 52.800 Exemplare des kleineren Geländewagen Macan mit Dreiliter-Motor.
Daimler – Widerstand gegen Mega-Rückruf
Am 11. Juni 2018 verfügte das KBA den Rückruf von 238.000 Daimler-Fahrzeugen in Deutschland, europaweit sind 774.000 Diesel betroffen. Justiz und Behörden haben den Konzern schon länger im Visier. Ende Mai äußerte das KBA erstmals offiziell den Vorwurf, auch die Stuttgarter hätten eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet. Zunächst war nur von 5000 Exemplaren des Kleintransporters Vito die Rede – dann legte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach. Daimler will gegen die Rückrufe mit Widersprüchen vorgehen und will die Frage, ob es sich bei den entdeckten Programmierungen um unzulässige Funktionen handelt, notfalls vor Gericht klären lassen.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt schon seit über einem Jahr wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung gegen Daimler-Mitarbeiter. Im Mai 2017 durchsuchten Ermittler diverse Standorte des Autobauers und stellten Unterlagen sicher.
Inzwischen gerät Daimler auch ins Visier von Aktionären. Die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Rotter hat nach eigenen Angaben vom 20. Juni 2018 Klage im Namen eines Privatanlegers vor dem Landgericht Stuttgart eingereicht. Der Kläger wirft Daimler andauernde Falschinformationen vor und fordert Schadenersatz.
BMW – Bisher nur Verdachtsmomente
Die Staatsanwaltschaft München verdächtigt BMW, in 11.000 Dieselautos eine falsche Abgassoftware eingebaut zu haben. Der Anfangsverdacht lautet "Betrug mit einer prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung". BMW verneint jede Absicht: BMW-Chef Harald Krüger hatte auf der Hauptversammlung gesagt, bei 11.700 Autos der 5er- und 7er-Baureihe sei irrtümlich die Software einer anderen Baureihe verbaut worden. Mit gezielter Manipulation von Motorsteuerung und Abgasreinigung habe das aber nichts zu tun. Nach KBA-Genehmigung will BMW die richtige Software installieren.
Opel – Ermittlungen wurden eingestellt
Opel hat bisher kaum etwas mit dem Diesel-Skandal zu tun. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte Vorermittlungen bereits wieder ein. Wie die anderen Hersteller lehnt Opel Hardware-Nachrüstungen ab. Das freiwillige Update der Software an 90.000 Dieselfahrzeugen der Typen Insignia, Cascada und Zafira mit Harnstoff-Katalysatoren verzögerte sich bis ins Jahr 2017. Genaue Zahlen hat der Hersteller nicht vorgelegt. Neuwagen werden seit August 2016 mit der neuen Software ausgerüstet.
Und in den USA?
In den Vereinigten Staaten steckt die deutsche Autobranche schon länger im Abgas-Sumpf. Es begann 2015 mit dem VW-Geständnis der Abgasmanipulation. Inzwischen musste Volkswagen über 25 Milliarden Euro an Rechtskosten zur Regulierung der Manipulationen aufbringen. Immer noch bangen müssen der Zulieferer Bosch, dem US-Anwälte eine Schlüsselrolle im "Dieselgate"-Skandal zuschreiben, sowie Daimler und BMW, gegen die ebenfalls Sammelklagen wegen angeblicher Abgas-Manipulationen laufen. Beschuldigt werden aber nicht nur deutsche Hersteller: Die US-Branchengrößen General Motors, Ford und auch der US-italienische Autokonzern Fiat Chrysler müssen sich mit ähnlichen Vorwürfen auseinandersetzen.
Service-Links