Heute ist ein Ausnahmetag. Mehr Frauen (24 an der Zahl) als Män­ner (genau 20) stehen am Morgen erwartungsvoll auf dem Verkehrsübungsplatz Bielefeld, um sich in der Zwischenrunde als "Deutsch­lands beste Autofahrer" zu behaup­ten. Normalerweise sind nur zehn bis 15 Prozent der Teilnehmer weib­lich. Deshalb gibt es die Frauenquote: Neben den zehn Tagessie­gern erreichen die zehn besten Frauen das Finale.  Das Überraschende an der (fast) 50:50-Zusammensetzung: Es fühlt sich ganz normal an. Gleich zu Be­ginn bilden sich Paare, meist wort­los nach Blickkontakt und Sympa­thie. Denn vormittags ist Training in Zweier-Teams, nachmittags Wett­kampf – jeder gegen jeden.

Auf der Playstation geübt: Der 1. Tagessieger bei DbA 2012

DbA 2012: Die Frauen reißen sich um den Titel
Mit einem Lächeln: Immer mehr Frauen reißen sich um den Titel "Deutschlands beste Autofahrer". Von links: Heike Schmelter, Nicole Paus, Sabine Buschmaas, Imke Eversmeyer, Anika Berneis und Yanina Zenn.
Eine kleine Rundfrage: "Wie fin­den Sie die Frauenquote?", stößt auf breite Zustimmung. Kein Protest. Niemand regt sich auf. Daniel Stef­fen (28), kaufmännischer Angestell­ter aus Wuppertal: "Find’ ich absolut richtig. Ich geh’ davon aus, dass sowieso so ein Crack gewinnt. Wa­rum sollten die Frauen keine Chan­ce bekommen?" Die Teilnehmer werden in vier Gruppen aufgeteilt, folgen jeweils ihrem Instrukteur. Gebannt lauschen sie den Tipps für eine Voll­bremsung, fürs Bremsen und Aus­weichen sowie den ungebremsten Spurwechsel ("Elchtest"). Mit dem ersten Durchlauf am Steuer eines 150 PS starken Ford C-Max steigt der Adrenalinspiegel. Wangen röten sich trotz lausiger Temperaturen, Gelächter ist weithin hörbar.

"Ja, wir Frauen sind auf dem Vormarsch."

Play

Video: Deutschlands beste Autofahrer

Zwischenstation Bielefeld

Bild: AUTO BILD
Regenschauer und sogar ein Ha­gel-Intermezzo unterbrechen die Übungen. Ein Paar wärmt sich ge­genseitig. "Haben die sich erst heu­te gefunden?", fragt eine Teilneh­merin verwundert.  Nein, Inka Reershemius (30), eine sportliche Blondine mit kurzen Haaren, MTA in Oldenburg, und Stefan Werner (33), Steuerberater in Bremen, sind schon länger zusam­men. "Wir haben uns gleichzeitig beworben und beide am gleichen Tag die Post erhalten. Wir konnten es gar nicht glauben", erzählen sie. "So ein Zufall!" Als sie hören, dass an den vorangegangenen Wettbe­werbstagen in Bielefeld Frauen überdurchschnitt­lich gute Plätze belegt haben, scherzt Inka: "Ja, wir Frauen sind auf dem Vormarsch." Mal im Ernst, hätte ihr Freund ein Problem, wenn sie gewinnen würde? "Nein!", Stefan Werner lächelt, "um Gottes Willen!" Nachmittags beim Handling-Par­cours: Jeder muss einen Startknopf drücken, zum Auto laufen, einstei­gen, starten, die Pylonen-Polonaise durchschlängeln, im vorgegebenen Parkbereich stoppen, aussteigen, den Buzzer drücken.

Nach 24 Jahren siegt erstmals eine Frau

Inka ist dran. Sie schafft den Par­cours in 42,2 Sekunden, bislang die Bestzeit. "Geil, Hammer!", begrüßt ihr Freund sie. Er hat zwei Sekun­den länger gebraucht. Der Letzte ist allerdings mit 42,0 Sekunden noch schneller: Mark Koschorreck (20) aus Kamen.  Anders als am Vormittag räumt Inka beim Elchtest jetzt Hütchen ab. Aber sie gehört immer noch zu den Besten. Dann kommt die Theorie, ein Führerschein-Fragebogen war­tet auf Kreuze.  Ergebnis: Nur 15 von 44 Teilneh­mern hätten bestanden. Inka und Stefan wären auch durchgefallen. Bei ihr lag es nur an einem Punkt.  "Wir suchen nicht den schnellsten, nicht den tap­fersten, sondern den Auto­fahrer mit dem besten Ge­samtbild", sagt Tourneelei­ter Michael Weykopf (58). Als er dann den Namen des Tages­siegers verkündet, brandet Jubel auf: "Inka Reershemius".  Zum ersten Mal in 24 Jahren Deutschlands beste Autofahrer gewinnt eine Frau! Wie gesagt: Heute ist ein Ausnahmetag.

Von

Sylvia Lott